Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Was ist eine reformatio in peius? Warum ist die reformatio in peius problematisch? (Einführungsfall)

Was ist eine reformatio in peius? Warum ist die reformatio in peius problematisch? (Einführungsfall)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A beantragt bei Behörde B die Gewährung einer Subvention i.H.v. € 50.000. B bewilligt lediglich € 40.000. Gegen die Entscheidung, nicht mehr als € 40.000 zu bewilligen, legt A Widerspruch ein. Widerspruchsbehörde W weist den Widerspruch zurück und kürzt die Subvention auf € 30.000.

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Einordnung des Falls

Was ist eine reformatio in peius? Warum ist die reformatio in peius problematisch? (Einführungsfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Handeln der Verwaltung, insbesondere der Erlass von belastenden Verwaltungsakten, bedarf grundsätzlich immer einer gesetzlichen Befugnisnorm.

Ja!

Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), konkret dem Vorbehalt des Gesetzes, ergibt sich, dass die Verwaltung grundsätzlich nur in dem Umfang tätig werden darf, wie es durch eine gesetzliche Befugnisnorm vorgesehen ist.
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2. W hat im Rahmen des Widerspruchsverfahrens den angegriffenen Verwaltungsakt zu As Nachteil abgeändert. Ist es umstritten, ob die Behörde dafür eine Befugnis hat?

Genau, so ist das!

Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, ist es umstritten, ob die Widerspruchsbehörde die Befugnis hat, einen Verwaltungsakt im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zum Nachteil des Widerspruchsführers zu ändern. Diese Problematik wird unter dem Begriff der reformatio in peius diskutiert. Eine weitere Bezeichnung ist die Verböserung des Verwaltungsakts. Die Befugnis zur Verböserung steht der Behörde unproblematisch dann zu, wenn dies ausdrücklich durch ein Gesetz vorgesehen ist, was allerdings selten der Fall ist (z.B. in § 367 Abs. 2 S. 2 AO).

3. A hat den Bescheid angegriffen, weil er die Begünstigung für zu gering hielt. Könnte es gegen den Grundsatz des Vertrauensschutz verstoßen, dass A am Ende „noch weniger“ bekommt?

Ja, in der Tat!

Ob eine Verböserung im Widerspruchsverfahren zulässig ist, ist höchst strittig. Im Wesentlichen stehen sich Aspekte des Vertrauensschutzes des Widerspruchsführers und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenüber. Beide Prinzipien werden aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitet, sodass sie grundsätzlich auf der selben Stufe stehen und in einen Ausgleich gebracht werden müssen. Nach einer Ansicht darf der Widerspruchsführer auf den Fortbestand einer einmal erteilten Begünstigung vertrauen. Hiernach durfte A darauf vertrauen, dass der Subventionsbescheid mindestens i.H.v. € 40.000 weiterhin bestehen bleibt. Ws Änderung des Bescheids auf € 30.000 wäre daher unzulässig.

4. Die Verwaltung ist zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet (Art. 20 Abs. 3 GG). Spricht dieser Grundsatz gegen eine Befugnis zur Verböserung des Verwaltungsakts?

Nein!

Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (Art. 20 Abs. 3 GG) der Verwaltung wird als Argument für die Befugnis der Behörde zur Verböserung im Widerspruchsverfahren angeführt. Denn die Behörde ist zu rechtmäßigem Handeln und zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände verpflichtet. Nach einer Ansicht muss die reformatio in peius grundsätzlich zulässig sein. Hiernach wäre Ws Abänderung des angegriffenen Subventionsbescheids grundsätzlich zulässig. In dieser Lerneinheit sollst Du erstmal ein Gefühl dafür bekommen, was die reformatio in peius ist. Wir schauen uns die einzelnen Argumente später noch vertieft an!
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