Vorgetäuschte Beschlagnahme

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T beobachtet, wie H im Secondhand Laden ein Smartphone kauft. Als Polizist verkleidet klingelt T am nächsten Tag bei H. Er behauptet, das Handy stamme aus „illegalen Geschäften”, und er, T, müsse es deswegen beschlagnahmen. H will keinen Ärger und gibt T das Handy.

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Einordnung des Falls

Vorgetäuschte Beschlagnahme

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat H getäuscht, wodurch H einem Irrtum unterlegen ist (§ 263 Abs. 1 StGB).

Ja!

Täuschung ist das Einwirken auf einen anderen mit dem Ziel der Erregung eines Irrtums. Irrtum ist das Auseinanderfallen von subjektiver Vorstellung und objektiver Realität.T hat sich als Polizist ausgegeben und behauptet, er dürfe das Handy beschlagnahmen. H glaubte ihm das. H hat sich täuschungsbedingt geirrt.
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2. Hat H über sein Vermögen verfügt, als er T sein Handy gab?

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Vermögensverfügung ist jedes freiwillige Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Freiwilligkeit bestimmt sich dabei nach der inneren Willensrichtung des Opfers.H hat T sein Handy überreicht. Darin könnte eine Vermögensverfügung gesehen werden. H ging jedoch davon aus, mit einem Polizisten konfrontiert zu sein. Er musste deswegen damit rechnen, dass bei Weigerung eine zwangsweise Durchführung der Maßnahme folgen würde. Eine andere Handlung als die Hingabe des Handys wäre damit zwecklos. Hs Handeln ist daher nicht freiwillig. Er hat nicht über sein Vermögen verfügt.Nach einer Mindermeinung kommt es nicht auf die innere Willensrichtung an. Ob das Opfer über sein Vermögen verfügt sei vielmehr allein danach zu bestimmen, ob nach dem äußeren Verhalten ein „Geben” (dann Vermögensverfügung) oder ein „Nehmen” (dann Wegnahme) vorläge. Die ganz h.M. lehnt diese Art der Abgrenzung hier ab.

3. T hat sich stattdessen wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Für eine Strafbarkeit nach § 242 Abs. 1 StGB benötigt es objektiv (1) eine fremde, bewegliche Sache (2) Wegnahme und subjektiv (1) Vorsatz (2) ZueignungsabsichtDas Handy ist eine fremde, bewegliche Sache. H hat T das Handy unfreiwillig gegeben. T hat fremden Gewahrsam gebrochen und neuen Gewahrsam begründet. Insbesondere liegt kein die Wegnahme ausschließendes Einverständnis vor, weil angesichts der Konfrontation mit der (vermeintlichen) Staatsgewalt kein Raum für eine freie Willensbildung verbleibt. Er hat H das Handy damit weggenommen. Dabei handelte T vorsätzlich und mit Zueignugsabsicht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MAT

Matteo

7.1.2024, 13:28:11

ich finde es verwirrend, dass einerseits bei der Erpressung eine (Rest-)Freiwilligkeit bei Herausgabe unter vorgehaltener Waffe bejaht wird, im hier vorliegenden Fall des Polizisten jedoch abgelehnt wird. Wie ist das zu vertreten?

Cosmonaut

Cosmonaut

11.2.2024, 18:51:11

Hallo Matteo, Denk daran, dass auch innerhalb der Literatur umstritten ist, welche Anforderungen im Detail an die „innere Willensrichtung“ des Opfers zu stellen sind. Insbesondere ist man sich uneins, ob dein Beispiel („Verfügung im Angesicht des Todes“) eben überhaupt noch ein Weggeben (und damit eine Erpressung) ist. Die hLit lehnt dies meiner Erinnerung nach ab, da das Opfer sich hier nicht mehr vorstellt eine „Schlüsselrolle“ innezuhaben (anders wenn das Geld im Tresor gelagert ist und nur das Opfer den PIN kennt). Demnach ergibt sich mit der hLit kein Wertungswiderspruch zu den hier besprochenen Beschlagnahm-Fällen. Gruß C

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

24.5.2024, 17:32:00

Die Bejahung der Strafbarkeit wegen Diebstahls wird am Ende sehr kurz dargestellt. Zum besseren Verständnis wäre es sicher gut, auch dort noch einmal kurz auf die Besonderheit des Fall einzugehen, indem man erklärt, warum kein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

gegeben ist, obwohl die Sache herausgegeben wird. Dazu meine Anschlussfrage: Wäre es ausreichend kurz zu sagen, dass lediglich eine

Duldung

der Wegnahme vorliegt und damit gerade kein Einverständnis?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.5.2024, 11:37:24

Hallo Falsus Prokuristor, danke dir für deine Anmerkung! Wir haben das Fehlen eines tatbestandsabschließenden Einverständnisses mit in den Fall aufgenommen. Dies ist die andere Seite der Medaille der "Freiwilligkeit" der

Vermögensverfügung

beim Betrug. Daher ist es auch durchaus ausreichend, das kurz festzustellen, wenn du bereits im Rahmen der Betrugsprüfung darauf eingegangen bist, dass sich das Opfer der vermeintlichen Staatsgewalt beugt und daher kein Raum für Willensbildung i.S.d. "Freiwilligkeit" geblieben ist. Das tatbestandsausschließende Einverständnis ist lediglich die andere Seite der Medaille dazu, sodass es hier dann ausreicht nochmal darauf zu verweisen, dass kein echter freier Wille gebildet wurde. Auch wenn für das Einverständnis der rein faktische Wille ausreicht. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Lord Denning

Lord Denning

7.7.2024, 13:08:43

Liebes Jurafuchs-Team, am Ende wird ein Diebstahl-Schema aufgelistet, das bei denen die “objektiven” Voraussetzungen für den Diebstahl aufgelistet werden. Insofern sind Vorsatz und

Zueignungsabsicht

meines Wissens nach jedoch subjektiv. Ich würde vllt. einfach “objektiv” rausnehmen, damit die Vss. soweit klar werden.

TI

Timurso

8.7.2024, 12:56:57

Ich glaube du hast bei "(2) Wegnahme" das "und subjektiv" dahinter übersehen. Nichtsdestotrotz denke ich, dass das Format hier verbesserungswürdig ist.

Lord Denning

Lord Denning

8.7.2024, 13:08:18

Ahhh, wie peinlich 😬. Okay, ich nehme alles zurück.


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