Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Betrug (§ 263 StGB)

Einführungsfall - Dreiecksbetrug (nach allen Auffassungen)

Einführungsfall - Dreiecksbetrug (nach allen Auffassungen)

4. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A klebt im kleinen Supermarkt von Tante Emma (E) einen “20%-Rabatt”-Sticker auf eine Flasche Rum (Wert: € 40). An der Kasse geht Kassierer K von dem Rabatt aus und berechnet nur € 32.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall - Dreiecksbetrug (nach allen Auffassungen)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch Vorlage der präparierten Rumflasche hat A den K über eine Tatsache getäuscht (§ 263 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Täuschung ist das Einwirken auf einen anderen mit dem Ziel der Erregung eines Irrtums.A hat den Aufkleber auf die Flasche geklebt und die Flasche dem K dann vorgelegt. Er hat damit den Eindruck erweckt, der Rabatt für die Flasche bestünde. A hat K getäuscht.
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2. Durch die Vorlage der Rumflasche hat A bei K einen Irrtum hervorgerufen (§ 263 Abs. 1 StGB).

Ja!

Irrtum ist das Auseinanderfallen von subjektiver Vorstellung und objektiver Realität.K ist davon ausgegangen, dass der Preis für die Flasche Rum um 20% reduziert sei. A hatte jedoch lediglich einen Aufkleber auf die Flasche geklebt, ohne, dass ein Rabatt bestand. K hat sich täuschungsbedingt geirrt.

3. Bei einem Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) müssen Getäuschter und Verfügender identisch sein.

Genau, so ist das!

Der Irrtum des Getäuschten muss kausal für die Vermögensverfügung sein. Stimmen Getäuschter und Verfügender nicht überein, fehlt es an dieser Kausalität. Ein Betrug kann deshalb nur vorliegen, wenn Getäuschter und Verfügender identisch sind.

4. K hat über sein eigenes Vermögen verfügt.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt.K hat A die Flasche einverständlich mitgegeben. Damit hat er Besitz und Eigentum (§ 929 S. 1 BGB) an der Flasche aufgegeben. Besitz und Eigentum waren aber Teil von Es Vermögen, der der Supermarkt gehört. Es kommt nur eine Verfügung von K über Es Vermögen in Betracht.

5. Bei einem Betrug müssen Verfügender und Geschädigter identisch sein.

Nein!

Ein Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) ist auch dann möglich, wenn der Getäuschte über das Vermögen eines Dritten verfügt und dieses dadurch schädigt (sogenannter Dreiecksbetrug). Der Getäuschte wird vom Täter dabei als Mittelsperson zur Schädigung eines Dritten genutzt. Deswegen ist eine Abgrenzung zum Diebstahl in mittelbarer Täterschaft nötig. Ein Dreiecksbetrug liegt dabei nur dann vor, wenn die Verfügung des Getäuschten dem geschädigten Dritten zurechenbar ist. Wann eine Zurechenbarkeit im Einzelnen besteht, ist dabei strittig.

6. Nach der in Teilen der Literatur vertretenen Befugnistheorie hat K über das Vermögen der E verfügt.

Genau, so ist das!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Bei einem Dreiecksbetrug ist dafür erforderlich, dass das Verhalten dem geschädigten Dritten zugerechnet werden kann. Nach der „Befugnistheorie“ oder auch „Ermächtigungstheorie“ muss der Getäuschte zivilrechtlich zur Verfügung (Besitzübertragung) über das Vermögen des Dritten berechtigt sein. Die Ermächtigung zur Befugnis kann ausdrücklich, stillschweigend oder zumindest dem Anschein nach bestehen.Als Kassierer im Supermarkt der E ist K dazu ermächtigt, über die Ware des Ladens zu verfügen.Eine solche rechtliche Ermächtigung nach der Befugnistheorie ist etwa beim Vertreter, beim Insolvenzverwalter (§ 80 InsO), beim Testamentsvollstrecker (§ 2206 BGB) oder beim Laden- und Geschäftspersonal (§ 56 HGB) anzunehmen.

7. Hat K auch nach der von der Rechtsprechung und h.M. in der Literatur vertretenen Lagertheorie über das Vermögen der E verfügt?

Ja, in der Tat!

Nach der Lagertheorie genügt es, dass der Getäuschte im “Lager” des Dritten steht. Dies ist der Fall, wenn er in einem faktischen Näheverhältnis zum Vermögenskreis des Geschädigten steht und eine Schutzposition für den Vermögensgegenstand inne hat. Damit werden auch Besitz- und Gewahrsamsdiener erfasst.K ist Angestellter von E. Er übt im Rahmen seiner Anstellung den Gewahrsam über die Gegenstände im Laden aus. Er befindet sich damit „in ihrem Lager“. Eine Verfügung des K über das Vermögen der E liegt vor.Wenn die beiden Ansichten zum selben Ergebnis kommen, musst du den Streit nicht entscheiden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Pilea

Pilea

30.11.2023, 10:20:01

Wonach wird denn der Fall gelöst, wenn Getäuschter und Verfügender tatsächlich auseinanderfallen? Vielleicht gehört die Frage auch in einen anderen Bereich des Forums.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

30.11.2023, 17:28:41

Hallo Pilea, danke für deine Frage! Das kommt immer ganz auf die Konstellation an. Liegt eine Wegnahme vor, weil dem Geschädigten keine Verfügung zuzurechnen ist, kann natürlich ein Diebstahl oder anderes Vermögensdelikt einschlägig sein. In den Fällen würde man aber wahrscheinlich Betrug gar nicht erst anprüfen, da man ja sowieso eine Kausalität des Irrtums für die Verfügung braucht. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Lord Denning

Lord Denning

13.9.2024, 15:54:52

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

15.9.2024, 12:14:41

Hallo Lord Denning, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Christian Leupold-Wendling, für das Jurafuchs-Team

Lord Denning

Lord Denning

13.9.2024, 16:00:25

Aber auf wen würde sich dann der Obersatz notwendigerweise beziehen? Wäre es dann: „A könnte sich gem. § 263 I des Betruges (zum Nachteil des Filialinhabers) strafbar gemacht haben, indem sie einen Prozentsticker auf die Flasche klebte“? Sollte ich dann also bereits im OS indizieren, dass Verfügender und Geschädigter hier abweichen?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

16.9.2024, 14:43:03

Moin @[Lord Denning](222886), genau so ist es. Du solltest bereits im Obersatz deutlich mache, wer Geschädigter und wer Getäuschter/Verfügender ist. Ich würde in deinem Beispielsatz daher noch deutlicher machen, dass die Flasche nicht dem Filialleiter vorgelegt wird, sondern dem Kassierer: „A könnte sich gemäß § 263 Abs. 1 StGB des Betruges zum Nachteil des F strafbar gemacht haben, indem sie den Rabattsticker auf die Flasche klebte und diese dem Kassierer K vorlegte.“ In diesem Obersatz wird deutlich, worin und gegenüber wem die Täuschung besteht. Die Formulierung „zum Nachteil von“ ist sehr gängig und es bietet sich an, die immer genau so zu verwenden. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


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