Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Maßgeblicher Zeitpunkt: Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung

Maßgeblicher Zeitpunkt: Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung

23. Mai 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K beantragt eine Baugenehmigung für einen Bioladen in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO). Baubehörde B lehnt den Antrag ab. Nachdem K gegen die Ablehnung Klage erhoben hat, ändert die zuständige Behörde den Bebauungsplan. Das Grundstück der K liegt nun in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO).

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Einordnung des Falls

Maßgeblicher Zeitpunkt: Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die zulässige Verpflichtungsklage der K ist begründet, wenn die Ablehnung der Baugenehmigung rechtswidrig war und sie dadurch in ihren Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Genau, so ist das!

Die Verpflichtungsklage ist begründet, wenn der die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Im ersten Schritt prüfen wir, ob K einen Anspruch auf die Baugenehmigung hat. Für die Prüfung kommen zwei Zeitpunkte in Betracht: (1) der Zeitpunkt, in dem die B Ks Antrag abgelehnt hat. Zu diesem Zeitpunkt lag das Grundstück der K in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO). Andererseits könnte (2) der Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung entscheiden sein, in dem Ks Grundstück in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) lag. Verschiedene zeitliche Anknüpfungspunkte spielen vor allem dann eine Rolle, wenn Du zu unterschiedlichen Ergebnissen kommst, je nachdem, auf welchen Zeitpunkt Du abstellst.
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2. In einem reinen Wohngebiet kann die zuständige Behörde den von K geplante Bioladen nur ausnahmsweise zulassen (vgl. § 3 Abs. 3 BauNVO).

Ja, in der Tat!

§ 3 BauNVO definiert das „reine Wohngebiet“ und bestimmt, welche Arten von Gebäuden in diesem Gebietstyp (grundsätzlich) zulässig oder ausnahmsweise zulässig sind. Allgemein zulässig sind nur die in § 3 Abs. 2 BauNVO genannten Gebäude. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO kann die Behörde jedoch ausnahmsweise auch „Läden, […], die die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen“, zulassen. Ks Bioladen fällt unter § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO. Die Behörde hat im Rahmen einer Ermessensentscheidung abzuwägen, ob sie das Bauvorhaben der K ausnahmsweise zulassen will. Vorliegend hat die Behörde Ks abgelehnt. Ermessensfehler sind aus dem kurzen Sachverhalt nicht ersichtlich. Sofern man auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abstellen würde, wäre Ks Verpflichtungsklage also unbegründet.

3. In einem allgemeinen Wohngebiet kann die zuständige Behörde den von K geplanten Gemüseladen ebenfalls nur ausnahmsweise zulassen (§ 4 Abs. 2 BauNVO).

Nein!

In einem allgemeinen Wohngebiet sind Läden, die der Versorgung des Gebiets dienen, allgemein zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Der von K geplante Bioladen ist in diesem Gebietstyp allgemein zulässig. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Entscheidung stünde Ks Vorhaben damit im Einklang mit dem öffentlichen Baurecht, sodass K einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung hätte. Vor der Veränderung des Baugebiets käme hingegen nur ein Anspruch auf erneute ermesssensfehlerfreie Entscheidung durch die Behörde in Betracht, sofern Ermessensfehler vorlägen. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass Du auf den richtigen Zeitpunkt abstellst. Ermessensfehler sind aus dem kurzen Sachverhalt nicht ersichtlich. Sofern man auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung abstellen würde, wäre Ks Verpflichtungsklage also vermutlich unbegründet.

4. Im Rahmen der Verpflichtungsklage beansprucht der Kläger eine Leistung für die Zukunft. Spricht das dafür, dass für die Beurteilung, ob der Anspruch des Klägers besteht, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung entscheidend ist?

Genau, so ist das!

Für die Bewertung, ob der Kläger einen Anspruch hat, kommen zwei Zeitpunkte in Betracht: (1) Der Zeitpunkt der letzten behördlichen Handlung oder (2) der Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung. Bei der Verpflichtungsklage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung entscheidend, nicht der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung. Dies folgt daraus, dass der Kläger eine Leistung für die Zukunft beansprucht. Sofern sich nach der letzten behördlichen Entscheidung die Sach- oder Rechtslage ändert, ist das im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Bei der Anfechtungsklage ist diese Frage wesentlich umstrittener. Hier findest du Aufgaben zu dieser Streitfrage.

5. Angenommen, dass K die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung erfüllt: Ist ihre Verpflichtungsklage begründet?

Ja, in der Tat!

Die Verpflichtungsklage ist begründet, wenn der Kläger einen Anspruch auf den unterlassenen/abgelehnten Verwaltungsakt hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung, ob der Anspruch des Klägers besteht, ist die Sach- und Rechtslage bei der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung. Es kommt also nicht darauf an, dass das Grundstück der K ursprünglich in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) lag, sondern dass es zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Gerichtsverhandlung in einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) liegt. Ihr Bauvorhaben ist dort allgemein zulässig (vgl. § 4 Abs. 2 BauNVO). K hat einen Anspruch auf die Baugenehmigung. Mache Dir das einmal klar: Die begehrte Leistung ergeht im Rahmen der Verpflichtungsklage ex nunc, also hat gerade keinen Bezug zu einem vergangenen Sachverhalt (so wie bei der Anfechtungsklage). Es wäre sinnwidrig (und aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten fragwürdig), wenn das Gericht eine Entscheidung treffen würde, die mit der geltenden Rechtslage nicht im Einklang stünde. Wenn K zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung einen neuen Antrag bei B stellen würde, müsste diese die Leistung erteilen bzw. K ansonsten erneut klagen. Abschließend prüfst Du i.R.d. Begründetheit noch, ob K durch die ablehnende Entscheidung in ihren Rechten verletzt wurde. Hier kommt eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht.
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