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Luftaufnahmen über Villa – Verletzung des Persönlichkeitsrechts? (BGH, Urt. v. 5.11.2024 - VI ZR 110/23)
Luftaufnahmen über Villa – Verletzung des Persönlichkeitsrechts? (BGH, Urt. v. 5.11.2024 - VI ZR 110/23)
26. Mai 2025
3 Kommentare
4,7 ★ (15.948 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M ist ein international bekannter ehemaliger Formel-1-Rennfahrer. B verlegt eine Boulevardzeitschrift. Am 15.07.2020 veröffentlicht B einen Artikel über M. Der Artikel steht unter einem Luftbild von Ms Ferienanwesen und setzt sich inhaltlich mit dem Ferienaufenthalt von M und seiner Familie auseinander.
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Einordnung des Falls
Luftaufnahmen über Villa – Verletzung des Persönlichkeitsrechts? (BGH, Urt. v. 5.11.2024 - VI ZR 110/23)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M verlangt von B Unterlassung der weiteren Veröffentlichung des Luftbildes. Könnte M einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG haben?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ein sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB?
Genau, so ist das!
3. Gewährleistet das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Achtung der Privatsphäre?
Ja, in der Tat!
4. Das Ferienanwesen befindet sich in einer sog. „Gated Community“ und ist nicht einsehbar. Ist es von vornherein ausgeschlossen, dass Ms Aufenthalt in dem Ferienhaus von seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt ist?
Nein!
5. Hat B mit der Veröffentlichung des Luftbildes in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von M eingegriffen?
Genau, so ist das!
6. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht indiziert dessen Rechtswidrigkeit.
Nein, das trifft nicht zu!
7. Stehen sich hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht von M und die Meinungsfreiheit von B gegenüber?
Ja!
8. Bs Berichterstattung dient ausschließlich der Unterhaltung. Ist die Betroffenheit von Bs Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG damit von vornherein ausgeschlossen?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Kann ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit eine die Privatsphäre betreffende Berichterstattung rechtfertigen?
Ja, in der Tat!
10. M ist eine Person des öffentlichen Lebens. Besteht deswegen ein erhöhtes Informationsinteresse und muss er eine Berichterstattung in einem gewissen Rahmen dulden?
Ja!
11. M müsste eine Berichterstattung dulden, wenn M seine Lebensumstände auf Ibiza zuvor selbst nach außen getragen hätte.
Genau, so ist das!
12. Die Intensität des Eingriffs kann dadurch erhöht werden, dass durch eine Berichterstattung ein privates Grundstück leichter aufgefunden werden kann.
Ja, in der Tat!
13. Im Artikel wird lediglich der Ort genannt, in dem Ms Kinder Wassersport betrieben haben, der sich auf derselben Insel befindet, wie Ms Anwesen. Wird Ms privates Anwesen dadurch deutlich leichter auffindbar?
Nein!
14. B hat das Luftbild vom Anwesen aus einem öffentlich zugänglichen Verkaufsexposé entnommen. Spricht dieser Umstand für eine Rechtswidrigkeit des Eingriffs?
Nein, das ist nicht der Fall!
15. Ist der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von M rechtswidrig?
Nein, das trifft nicht zu!
16. Angenommen, der Eingriff wäre rechtswidrig: Bestünde eine Wiederholungsgefahr und wäre B Störer?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tin
3.5.2025, 08:27:33
Es wird gesagt, dass die Wiederholungsgefahr widerlegbar vermutet wird. Ist es nicht so, dass der Störer ja bereits den Aufenthalt von M, oder zumindest das Luftbild, preisgegeben bzw. veröffentlicht hat und hierin gerade keine Wiederholungsgefahr bzgl. M zu sehen ist ?

LexSuperior
4.5.2025, 03:50:29
Ich glaube nicht das es dann nur um das konkrete Grundstück/ Ferienhaus geht, sondern darum das wieder (unter Umständen eben auch ein völlig anderes Ferienhaus irgendwo ganz anders) berichtet bzw. Ein entsprechendes Foto veröffentlicht wird. Bin aber ebenfalls dankbar für eine Klarstellung 😊

Linne_Karlotta_
23.5.2025, 17:27:20
Hey @[Tin](195209), hey @[LexSuperior](105329), danke für eure Fragen und Überlegungen. Zunächst: Die Wederholungsgefahr bezieht sich auf die konkrete Handlung, die mit dem Unterlassungsanspruch angegriffen wird. Dies ist hier die Veröffentlichung der konkreten Luftbildaufnahmen. Das wird klar, wenn man sich die prozessuale Seite des Anspruchs vor Augen führt: Bei einem Unterlassungsanspruch muss das zu unterlassende Verhalten konkret im Antrag und im Urteilstenor benannt werden. Denn der Tenor darf später in der Zwangsvollstreckung keinen Raum für Zweifel bzgl. der Handlung lassen (vgl. Herrler, in: Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 1004, RdNr. 51). Der Tenor könnte bei einem Unterlassungsanspruch gegen eine Berichterstattung in etwa lauten: „Die Beklagte wird verurteilt es zu unterlassen, die in ihrer Berichterstattung vom [Datum] in der Zeitschrift [Name] auf Seite 10 f. verwendeten Lichtbildaufnahmen des Ferienanwesens des Klägers erneut zu veröffentlichen, wobei für jeden gemeldeten Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis sechs Monate zu verhängen ist.“ Unabhängig davon, dass B die Bilder bereits veröffentlicht hat, wird die Wiederholungsgefahr ohne Weiteres vermutet. Diese Vermutung entlastet den Anspruchsteller bzw. Kläger. Er soll nicht damit belastet werden, sich Fälle einer Wiederholung auszudenken und diese auch noch zu beweisen. Das wäre zu fiktiv und mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Es sind hohe Voraussetzungen an die Entkräftung der Vermutung zu stellen. Es liegt an der Beklagten, Gegenteiliges im Prozess darzulegen und zu beweisen. Im 1. Examen könnt ihr die Wiederholungsgefahr in der Regel kurz bejahen. Anderenfalls würde euch der Sachverhalt deutliche Anhaltspunkte für eine Entkräftung geben. Es reicht auch nicht aus, wenn der Störer einfach erklärt, die Handlung nicht wiederholen zu wollen. Im Assessorexamen würde es sich in der Klausur an dieser Stelle z.B. anbieten, euren Umgang mit Beweisregeln bzw. eine strukturierte Beweisverwertung zu prüfen. Übrigens: Der BGH fordert im Regelfall die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung gegenüber dem Gläubiger des Unterlassungsanspruchs. Mehr dazu findet ihr in: BGH, Urteil v. 04.12.2018 – VI ZR 128/18, MMR 2019, 830; Herrler, in: Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 1004, RdNr. 32. Ich hoffe, ich konnte euch damit weiterhelfen! Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team