Vergleich: güterrechtliche vs. erbrechtliche Lösung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Romeo und Julia sind verheiratet und haben zwei Kinder. Romeo stirbt. Er hat ein Vermögen von €1.000.000, welches er komplett während der Ehe erwirtschaftet hat. Julia hatte währenddessen keinen Zugewinn. Julia fragt sich, ob die finanziell besser steht, wenn sie das Erbe ausschlägt. ‌

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Einordnung des Falls

Vergleich: güterrechtliche vs. erbrechtliche Lösung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Als gesetzliche Erbin steht Julia ein Erbe von €500.000 zu (§§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB .

Ja!

Wird die Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet, bestimmt sich das gesetzliche Erbrecht des anderen nach § 1931 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB. Nach § 1931 Abs. 1 BGB erbt der überlebende Ehegatte zunächst (1) neben Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel des Erbes bzw., (2) neben Verwandten der zweiten Ordnung die Hälfte. Nach § 1371 Abs. 1 BGB kommt zu diesem Erbteil (1/4 oder 1/2) pauschal ein weiteres Viertel hinzu. Romeos Kinder sind Erben der ersten Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB). Nach § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB steht Julia grundsätzlich also ein Viertel des Erbes zu. Da Romeo und Julia im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten, kommt gem. § 1371 Abs. 1 BGB ein weiteres Viertel dazu. Julia würde danach also die Hälfte (€500.000) erben.In diesem Fall spricht man von der erbrechtlichen Lösung.
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2. Als Erbin hat Julia auch die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen (§ 1942 Abs. 1 BGB). Würde sie dann völlig leer ausgehen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist ein Ehegatte als Erbe eingesetzt, hat er stets die Möglichkeit, das Erbe auszuschlagen. Dies bedeutet allerdings nicht, dass er leer ausgeht. Nach § 1371 Abs. 2, 3 BGB kann er vielmehr im Falle der Ausschlagung (1) einen Anspruch auf Zugewinnausgleich nach § 1378 Abs. 1 BGB sowie (2) einen Pflichtteil verlangen. Zu 2: Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB). § 1371 Abs. 3 BGB trifft hinsichtlich der Ausschlagung eine Sonderregelung für Ehegatten, die in der Zugewinngemeinschaft leben. Denn normalerweise hätte die Ausschlagung im Erbrecht zur Folge, dass der Pflichtteilsanspruch verloren geht (vgl. § 2303 Abs. 1 BGB).

3. Wenn Julia ausschlägt, wird für die Berechnung ihres Pflichtteils der erhöhte gesetzliche Erbteil zugrunde gelegt (§§ 1371 Abs. 1 i.V.m. § 1931 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der gesetzliche Erbteil wird nach § 1371 Abs. 1 BGB bei Ehegatten, die in der Zugewinngemeinschaft gelebt haben, pauschal um ein Viertel erhöht. Dies gilt allerdings nicht, wenn der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlägt. Für die Berechnung des Pflichtteils bleibt vielmehr der nicht erhöhte gesetzliche Erbteil maßgeblich. Der Pflichtteil besteht sodann in der Hälfte dieses Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).Schlägt Julia die Erbschaft aus, so wird der gesetzliche Pflichtteil nach § 1931 Abs. 1 BGB zugrunde gelegt. Da Romeos Kinder Erben der ersten Ordnung sind, steht ihr hiernach nur 1/4 des Erbes zu. Ihr Pflichtteil beträgt die Hälfte, also 1/8 des Erbes bzw. €125.000.Da der Pflichtteil hier anhand des nicht erhöhten Erbteils berechnet wird, spricht man hier auch vom „kleinen“ Pflichtteil.

4. Wenn Julia ausschlägt, hat sie zusätzlich einen Anspruch auf Zugewinnausgleich i.H.v. €500.000 (§ 1371 Abs. 2 i.V.m § 1378 Abs. 1 BGB).

Ja!

Wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, so kann er Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 verlangen. Ist der Zugewinn eines Ehegatten höher als der des anderen, steht dem mit dem niedrigeren Zugewinn eine Ausgleichsforderung zu. Die Forderung beträgt die Hälfte des Zugewinnüberschusses (§ 1378 Abs. 1 BGB).Julia hat keinen Gewinn erzielt, wohingegen Romeo einen Zugewinn von €1.000.000 erzielt hat. Entsprechend stünde Julia im Falle der Ausschlagung ein Anspruch auf die Hälfte der Differenz ihrer Zugewinne, also €500.000 zu.

5. Ist es für Julia finanziell vorteilhaft, das Erbe ausschlagen?

Genau, so ist das!

Ist der Ehegatte als Erbe eingesetzt, so kann er sich entscheiden, ob er (1) das Erbe annimmt, wodurch sich sein Erbteil um 1/4 erhöht (erbrechtliche Lösung, § 1371 Abs. 1 BGB) oder (2) das Erbe ausschlägt und den Zugewinnausgleichsanspruch sowie „kleinen“ Pflichtteil geltend macht (§§ 1372 Abs. 2, Abs. 3 BGB).Nach der erbrechtlichen Lösung stünde Julia 1/2 des Erbes zu, mithin €500.000. Nach der güterrechtlichen Lösung kann Julia dagegen einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von €500.000 verlangen und zudem einen Pflichtteil von €125.000. Insgesamt stehen ihr damit €625.000 zu. Julia würde also finanziell besser stehen, wenn sie das Erbe ausschlägt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CH

Chris

9.9.2024, 07:54:54

Liebes Jurafuchs-Team, muss bei der Berechnung des (kleinen) Pflichtteils nicht zuvor die Ausgleichsforderung aus dem Zugewinn berücksichtigt werden? Ansonsten bedient sich der längerlebende Ehegatte doch zweimal aus dem selben Topf 🤔 Lieben Dank und Gruß Chris


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