Ablehnung von Beweisanträgen / Frist / Prozessverschleppung


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A ist wegen Mordes angeklagt. Nach Abschluss der Beweisaufnahme setzt die Vorsitzende R eine Frist zur Stellung von weiteren Beweisanträgen. Lange nach Fristablauf beantragt Verteidiger V am Ende des vorletzten Verhandlungstages, ein zusätzliches viertes Gutachten zur Feststellung der Schuldfähigkeit des A einzuholen, was weitere drei Monate dauern würde. V weigert sich, die Notwendigkeit des neuen Gutachtens zu begründen.

Einordnung des Falls

Ablehnung von Beweisanträgen / Frist / Prozessverschleppung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V stellt einen Beweisantrag.

Ja, in der Tat!

Ein Beweisantrag (Legaldefinition in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO) setzt voraus (1) das Verlangen des Antragstellers, (2) über eine bestimmt behauptete, die Schuld oder Rechtsfolge betreffende konkrete Tatsache (Beweisthema) (3) mit einem gesetzlich bestimmten Beweismittel Beweis zu erheben; (4) dabei muss auch erkennbar sein, warum das Beweismittel geeignet ist, die behauptete Tatsache zu belegen (Konnexität). Der Verteidiger hat ein vom Willen des Angeklagten unabhängiges, selbständiges Antragsrecht. V verlangt über den psychischen Zustand des A (Beweisthema) mit einem Beweismittel (Sachverständigengutachten) Beweis zu erheben, dabei ist der Zusammenhang zwischen Beweisthema und Beweismittel erkennbar.

2. R durfte eine Frist setzen.

Ja!

Beweisanträge können grundsätzlich bis zum Beginn der Urteilsverkündung gestellt werden (vgl. § 246 StPO). Nach Abschluss der Beweisaufnahme kann der Vorsitzende jedoch grundsätzlich eine angemessene Frist zur Stellung von Beweisanträgen setzen (§ 244 Abs. 6 S. 3 StPO)

3. R dürfte den Beweisantrag allein wegen des Fristablaufs ablehnen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist nicht zulässig, einen Beweisantrag allein wegen zu späten Vorbringens abzulehnen (§ 246 Abs. 1 StPO).

4. Ein Beweisantrag kann grundsätzlich auch wegen Prozessverschleppung abgelehnt werden.

Ja, in der Tat!

Eine beantragte Beweiserhebung darf abgelehnt werden, wenn ihr eine Verschleppungsabsicht zugrunde liegt (§ 244 Abs. 6 S. 2 StPO). Dafür müssen drei Voraussetzungen zusammentreffen: (1) Die Beweiserhebung würde den Abschluss des Verfahrens wesentlich hinauszögern (objektiver Zeitfaktor), (2) der Beweisantrag wird nichts Sachdienliches erbringen (Prognose des Gerichts), (3) der Antragsteller weiß das und bezweckt nichts anderes als eine Verzögerung des Verfahrens (Absicht).

5. Der Beweisantrag kann hier wegen Prozessverschleppung abgelehnt werden.

Ja!

Bei erst nach Fristablauf gestellten Anträgen wird die Verschleppungsabsicht indiziert, wenn (1) der Antragsteller keine nachvollziehbaren und substantiierten Gründe für sein spätes Vorbringen angibt und (2) im konkreten Fall auch die Aufklärungspflicht nicht zur Beweiserhebung drängt (§ 244 Abs. 2 StPO). Dies verstößt nicht gegen § 246 Abs. 1 StPO, denn der Ablehnungsgrund ist nicht der späte Zeitpunkt des Vorbringens als solcher, sondern die in ihm zum Ausdruck kommende Absicht, das Verfahren zu verschleppen. Da neben der indizierten Verschleppungsabsicht eine wesentliche Verzögerung bewirkt würde und ein viertes Gutachten nichts Sachdienliches erbringen wird, kann R den Antrag ablehnen.

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