Der Verletzte

2. April 2025

1 Kommentar

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der V erwischt B dabei, wie B ihn durch sein Badezimmerfenster auf der Toilette sitzend fotografiert. B machte sich damit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar. V überlegt, wie er weiter vorgeht.

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Einordnung des Falls

Der Verletzte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Verletzter ist derjenige, der durch eine Straftat in seinen Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt wurde oder unmittelbar einen Schaden erlitten hat (§ 373b StPO).

Ja, in der Tat!

Verletzte im Sinne der StPO sind diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, (1) in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder (2) unmittelbar einen Schaden erlitten haben (Legaldefinition, § 373b Abs. 1 StPO). § 373b Abs. 2 StPO kennt weitere Personen, die dem Verletzten gleichgestellt sind.Die zweite Variante („unmittelbar einen Schaden erlitten”) schließt denjenigen mit ein, der zwar nicht in einem tatbestandlich geschützten Rechtsgut verletzt, aber dennoch unmittelbar in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt wurde. So kann etwa bei den Aussagedelikten, die eigentlich die Rechtspflege schützen, auch der Einzelne Verletzter sein, dessen Stellung im Verfahren durch die Aussage beeinträchtigt wurde.
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2. Der Verletzte hat im Strafverfahren besondere eigene Rechte.

Ja!

Der Verletzte ist Verfahrenssubjekt und hat in dieser Funktion umfassende Verfahrensrechte. Insbesondere das 5. Buch der StPO (§§ 373b ff. StPO) soll die prozessuale Rechtsstellung des Verletzten konkretisieren und seine Schutz-, Beistands- und Informationsrechte festlegen. So kann er etwa ein Klageerzwingungsverfahren einleiten (§§ 172ff. StPO) oder sich dem Verfahren als Nebenkläger anschließen (§§ 395ff. StPO).In den letzten Jahrzehnten stieg die Bedeutung des Verletzten im Strafverfahren stetig an. Hauptzweck des Verfahrens bleibt aber weiterhin die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs und nicht die Durchsetzung der Interessen des Verletzten.

3. In einer Ausnahme vom Offizialprinzip kann der Verletzte in den Fällen des § 374 Abs. 1 StPO auch als Privater Klage erheben.

Genau, so ist das!

Das Offizialprinzip besagt, dass die Strafverfolgung Aufgabe des Staates ist und nicht dem Einzelnen obliegt (§ 152 Abs. 1 StPO). Eine Ausnahme bilden die §§ 374ff StPO. Im Wege der Privatklage können die in § 374 Abs. 1 StPO genannten Delikte vom Verletzten angeklagt werden, ohne dass es einer vorherigen Anrufung der Staatsanwaltschaft bedarf. Der Privatkläger übernimmt dabei die Rolle der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft klagt nur selbst an, wenn die Strafverfolgung im öffentlichen Interesse liegt (§ 376 StPO).Achtung: Das öffentliche Interesse an der Klageerhebung (§ 376 StPO) ist vom besonderen öffentlichen Interesse bei den relativen Antragsdelikten zu unterscheiden (zB § 230 StPO). Beides kann dir begegnen, wenn du dich fragst, ob du Anklage erheben musst.

4. B hat sich einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht. Handelt es sich hierbei um ein Privatklagedelikt (§ 374 Abs. 1 StPO)?

Ja, in der Tat!

Ja, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist Privatklagedelikt gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 2a StPO.

5. Ist V hier auch Verletzter der von B begangenen Straftat (§ 373b StPO)?

Ja!

Der Verletzte eines Privatklagedelikts kann die Klage erheben (§ 373b StPO). Verletzte im Sinne der StPO sind diejenigen, die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben (§ 373b Abs. 1 StPO).Geschütztes Rechtsgut des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist der höchstpersönliche Lebensbereich. Da B bei der Tatbegehung in diesen höchstpersönlichen Lebensbereich des V unmittelbar eingriff, indem B ihn auf der Toilette sitzend, also in einer sehr intimen Situation, fotografierte, ist V durch die Tat in seinem Rechtsgut unmittelbar beeinträchtigt und damit Verletzter. Die Klage kann V zu Protokoll der Geschäftsstelle oder durch Einreichung einer Anklageschrift erheben. Sie muss den in § 200 Abs. 1 StPO bezeichneten Erfordernissen entsprechen (§ 381 S. 1, 2 StPO).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lawlawland

lawlawland

31.3.2025, 12:09:29

Bei der ersten Frage bzw. dazugehörigen Antwort, wo die Unterscheidung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Klageerhebung und dem besonderen öffentlichen Interesse bei den relativen Antragsdelikten erwähnt wird, wurde als Beispiel fälschlicherweise § 230 StPO verlinkt statt § 230 StGB.


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