1. K erhebt am 10.07.2023 Klage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarten. Ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart?
Ja!
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Sofern der Kläger die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsakts begehrt, ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde zur (3) Regelung eines (4) Einzelfalls auf dem (4) Gebiet des öffentlichen Rechts mit (5) unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (§ 35 S. 1 VwVfG). Bei dem Widerruf der Waffenbesitzkarten handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG. Dieser ist für K belastend und er begehrt dessen Aufhebung. Dass der Widerruf ein Verwaltungsakt ist, folgt auch aus dem actus-contrarius-Gedanken: Danach teilt ein Aufhebungsakt stets die Rechtsnatur des Ursprungsakts (sog. actus primus). Da die Erteilung der Waffenbesitzkarte ein Verwaltungsakt ist, ist auch ihre Aufhebung ein Verwaltungsakt.
Beachte: Gemäß § 45 Abs. 5 WaffG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Rücknahme und Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse keine aufschiebende Wirkung. Neben der Anfechtungsklage ist daher auch ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. Im Originalfall entschieden das VG und OVG daher auch im Antragsverfahren im einstweiligen Rechtsschutz.
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2. Ziffer III. der Ordnungsverfügung lautet „Die Erlaubnisdokumente sind gemäß § 46 Abs. 1 WaffG binnen drei Monate zurückzugeben“. Erfüllt auch dieser Zusatz unproblematisch alle Voraussetzungen aus § 35 S. 1 VwVfG?
Nein, das ist nicht der Fall!
Diese Frage ist relevant für die Entscheidung, ob gegen Ziffer III. der Verfügung ebenfalls die Anfechtungsklage statthaft ist.
Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde zur (3) Regelung eines (4) Einzelfalls auf dem (5) Gebiet des öffentlichen Rechts mit (6) unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (§ 35 S. 1 VwVfG).
Infrage steht das Merkmal der Regelung, d.h. dem einseitigen Setzen von Rechtsfolgen. Die Pflicht zur Rückgabe von Erlaubnisdokumenten und den erfassten Waffen ergibt sich bereits aus § 46 Abs. 1 WaffG, es könnte sich also um einen bloßen Hinweis auf die Rechtslage ohne Regelungswirkung handeln. OVG NRW: Allerdings hat die Behörde ersichtlich individuell für den Kläger eine konkretisierende Regelung getroffen, indem sie eine präzise Frist bestimmt hat. Damit war erkennbar bezweckt, einen Verwaltungsakt zu erlassen, der erforderlichenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung zwangsweise durchgesetzt werden kann (RdNr. 40).
Dass die Behörde einen Verwaltungsakt erlassen wollte, der notfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzbar ist, zeigt sich daran, dass sie unter Nr. IV des Bescheides die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht hat (RdNr. 40).
Das erstinstanzlich zuständige VG Düsseldorf entschied noch, dass die Behörde nur auf die gesetzliche Rückgabepflicht nach § 46 Abs. 1 WaffG hinweist und es daher an der Regelungswirkung i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG fehlt (VG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2024, Az. 22 K 4836/23 und 22 K 4909/23, RdNr. 31 – nachfolgend: „VG Düsseldorf“). Diese Ansicht des VG Düsseldorf ist ebenfalls gut vertretbar. Wie immer ist nicht das Ergebnis, sondern Deine Argumentation in der Klausur entscheidend.
3. Die Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarten sowie die Herausgabepflicht ist begründet, soweit diese Verwaltungsakte rechtswidrig sind und K dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Ja, in der Tat!
Die Begründetheit der Anfechtungsklage setzt voraus, dass (1) der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und (2) der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts prüfst Du in drei Schritten:
(1) Ermächtigungsgrundlage,
(2) Formelle Rechtmäßigkeit,
(3) Materielle Rechtmäßigkeit. Enthält der Bescheid – wie hier – mehrere verschiedene Regelungen, kannst Du sie zunächst in dem Obersatz der Begründetheit gemeinsam erwähnen. Nachfolgend solltest Du jedoch die Rechtmäßigkeit jeder Regelung einzeln prüfen, vor allem dann, wenn sie auf verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen beruhen.
4. Als B die Waffenbesitzerlaubnis erteilte, war die AfD noch nicht als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft und die Erlaubsniserteilung durch B rechtmäßig. Ist damit § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG die richtige Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf vom 26.06.2023?
Nein!
Das Waffengesetz kennt in § 45 WaffG spezielle Ermächtigungsgrundlagen für Rücknahme und Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse. Diese gehen den allgemeinen, subsidiären Regelungen in §§ 48, 49 VwVfG vor. Für den Widerruf der Waffenbesitzkarte ist hier § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG als lex specialis zu § 49 Abs. 2 S, 1 Nr. 3 VwVfG die zutreffende Ermächtigungsgrundlage. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
Dass hier nachträgliche Tatsachen vorliegen und damit der Widerruf – und nicht die Rücknahme – einschlägig ist, liegt daran, dass die möglicherweise die Unzuverlässigkeit begründende Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall erst nach der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse erfolgt ist. Anhaltspunkte, dass die Erlaubnis aus anderen Gründen bereits bei Erteilung rechtswidrig war, bestehen nicht. Damit handelt es sich um einen Widerruf.
Wie immer beim Umgang mit speziellen Gesetzen gilt: Keine Panik! Diese Klausuren sind eine besondere Chance, Dein juristisches Handwerkszeug unter Beweis zu stellen. Wichtig ist aber auch hier die saubere Unterscheidung zwischen Rücknahme und Widerruf.
Eine bekannte Eselsbrücke zur Unterscheidung von Rücknahme und Widerruf ist der „WM-Tausch“: rechtsWidrig = RücknahMe; rechtMäßig = Widerruf. Die Unterscheidung ergibt sich aber auch unmittelbar aus Überschriften der §§ 48, 49 VwVfG.
5. § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG setzt tatbestandlich voraus, dass nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ist die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ein solcher Versagungsgrund (§ 4 WaffG)?
Genau, so ist das!
§ 4 WaffG benennt die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist insbesondere erforderlich, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (vgl. dazu § 5 WaffG) besitzt. Wenn die waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt, liegt ein Versagungsgrund vor. Der unbestimmte Rechtsbegriff der (Un)Zuverlässigkeit wird im Waffenrecht im Katalog des § 5 WaffG konkretisiert. § 5 Abs. 1 WaffG benennt sog. absolute Unzuverlässigkeitsgründe. Liegt ein solcher vor, gilt die Person absolut und unwiderlegbar als unzuverlässig. § 5 Abs. 2 WaffG benennt Regelbeispiele für eine Unzuverlässigkeit. Liegt ein solches vor, indiziert es die Unzuverlässigkeit. Die Unzuverlässigkeit kann dort aber im Einzelfall widerlegt werden (dazu VG Düsseldorf, RdNr. 171).Wer die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG widerlegen will, den trifft die Darlegungspflicht (VG Düsseldorf, RdNr. 171). Siehe dazu diesen Fall . Lass Dich von § 5 WaffG in der Klausur nicht „erschlagen“, sondern schaue Dir die einzelnen Regelungen einmal in Ruhe von Anfang bis Ende an. Notiere Dir, welche Gründe in Deinem Fall einschlägig sein könnten. Im zweiten Schritt prüfst Du diese Gründe dann genauer. 6. B hat Ks waffenrechtliche Unzuverlässigkeit an der AfD-Parteimitgliedschaft festgemacht. Kommt damit von vornherein nur § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG als einschlägiges Regelbeispiel in Betracht?
Nein, das trifft nicht zu!
Zur Erinnerung: Um festzustellen, ob der Tatbestand des § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG erfüllt ist, prüfst Du inzident, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 4 WaffG (noch) vorliegen. Fehlt z.B. die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, erfüllt das den Tatbestand von § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG.
§ 5 Abs. 2 WaffG hat verschiedene Anknüpfungspunkte, wenn es um die Mitgliedschaft in einer Partei geht:
(1) Mitgliedschaft in einer verbotenen Vereinigung (§ 5 Abs. 2 Nr. 2a WaffG)
(2) Mitgliedschaft in einer für verfassungswidrig erklärten Partei (§ 5 Abs. 2 Nr. 2b WaffG)
(3) Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen Vereinigung, die bestimmte verfassungsfeindliche Bestreibungen verfolgt (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a WaffG). Dem Wortlaut nach sind alle Varianten nebeneinander anwendbar. Dies folgt auch aus Sinn und Zweck des § 5 WaffG und dem Waffenrecht insgesamt, die Allgemeinheit so effektiv wie möglich vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu schützen. § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG entfaltet keine Sperrwirkung für Fälle, in denen die Unzuverlässigkeit an die Mitgliedschaft in einer Vereinigung oder politischen Partei anknüpft. Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit kann sich auch in diesen Fällen aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ergeben (VG Düsseldorf, RdNr. 45).Absolute Unzuverlässigkeitsgründe nach § 5 Abs. 1 WaffG waren vorliegend nicht einschlägig.
7. Die AfD wurde bisher nicht durch das BVerfG verboten oder für verfassungswidrig erklärt. Liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG vor?
Nein!
Wenn Du § 5 WaffG prüfst, bietet es sich an, in Deiner Lösungsskizze zu jedem Regelbeispiel kurz festzuhalten, ob dieses einschlägig ist. So stellst Du sicher, dass Du nichts übersiehst. In Deiner gutachterlichen Prüfung solltest Du allerdings Schwerpunkte setzen und Regelbeispiele, die nicht einschlägig sind, allenfalls kurz prüfen und ablehnen. § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG knüpft daran an, dass die Vereinigung verboten bzw. die Partei für verfassungswidrig erklärt wurde. Dies ist i.R.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG gerade nicht erforderlich. Da die AfD keine durch das Bundesverfassungsgericht verbotene oder für verfassungswidrig erklärte Partei ist, kommt im Folgenden allein § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG als Anknüpfungspunkt für eine mögliche waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des K in Betracht. Da keine Anhaltspunkte dafür dargetan noch sonst ersichtlich sind, dass K als Einzelperson Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a WaffG verfolgt hat, steht seine Unzuverlässigkeit ernsthaft nur gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b und c WaffG im Raum (RdNr. 46).
Im Folgenden prüfst Du in der Klausur daher die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG:
(1) Mitglied/Unterstützer einer Vereinigung
(2) Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch die Vereinigung Dass K Mitglied und Unterstützer der AfD ist, kann man in diesem Fall unproblematisch bejahen (RdNr. 47).
8. K ist Mitglied und Unterstützer der AfD i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG. Diese könnte verfassungsfeindliche Bestrebungen betreiben. Darf das Gericht bei der Bewertung grundsätzlich auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes zurückgreifen?
Genau, so ist das!
Bei dem Tatbestandsmerkmal der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. aa WaffG), handelt es sich um einen unbestimmten (auslegungsbedürftigen) Rechtsbegriff. Die verfassungsmäßige Ordnung umfasst die freiheitlich-demokratische Grundordnung (Art. 21 Abs. 1 GG) und damit die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip (VG Düsseldorf, RdNr. 69). Eine Vereinigung richtet sich dagegen, wenn sie als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Verfassungsgrundsätzen einnimmt. Sie muss die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben wollen.Zur Bewertung der Frage, ob eine Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG verfolgt, kann das Gericht auf die Einschätzung der Verfassungsschutzämter zurückgreifen (vgl. auch § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 WaffG). Danach ist die AfD (zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung) ein rechtsextremistischer Verdachtsfall. Diese Einschätzung hat das zuständige OVG NRW 2024 bestätigt. Die spätere Einstufung als gesichert rechtsextremistisch spielt in dieser Entscheidung keine Rolle. In einer Klausur könnte das aber anders sein. Achte genau auf die Sachverhaltsangaben und Bearbeitungsvermerke.Zum Zeitpunkt der Entscheidung des OVG (30.04.2025) war die AfD durch den Verfassungsschutz noch lediglich als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ erfolgte erst am 02.05.2025. Zu der Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz siehe diesen Fall . 9. Die AfD ist als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Ist mit dieser Einstufung unproblematisch der nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG gesetzte Bewertungsmaßstab erreicht?
Nein, das trifft nicht zu!
Der „Knackpunkt“ des Falles besteht in der Frage, ob die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfalls bereits ausreicht, um den Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG anzunehmen. Dafür muss man den Maßstab von § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG sauber herausarbeiten. Die Frage ist: Wie gesichert müssen Tatsachen sein, damit man sie (rechtmäßig) als Grundlage für die Bewertung, ob eine Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen tätigt, heranziehen kann? Genau in diesem Punkt unterscheidet sich die Entscheidung des OVG NRW von der erstinstanzlichen Entscheidung des VG Düsseldorf. Das schauen wir uns im Folgenden Schritt für Schritt an!
10. Es bestehen nur Anhaltspunkte dafür, dass die AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Geht aus § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG eindeutig hervor, dass bereits Anhaltspunkte für die Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung genügen?
Nein!
§ 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG bestimmt, dass solche Personen in der Regel unzuverlässig sind, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Mitglieder bzw. Unterstützer einer Vereinigung sind, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Es ist nicht eindeutig und umstritten, ob der einleitende Halbsatz „bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren (…)“ und somit das erforderliche Maß an Überzeugung sich auch auf das Tatbestandsmerkmal der verfassungsfeindlichen Bestrebungen bezieht (hierzu RdNr. 52ff.).
Das OVG NRW beantwortet im Folgenden durch eine saubere Auslegung der Vorschrift nach Wortlaut, Historie, Systematik und Telos, ob auch hinsichtlich der Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebungen der Vereinigung ein tatsachenbegründeter Verdacht genügt oder ob diese bereits positiv feststehen muss (RdNrn. 52-102). So solltest Du in der Klausur auch vorgehen!
11. Der Wortlaut erlaubt eine Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG dahingehend, dass die Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebungen feststehen muss.
Genau, so ist das!
OVG NRW: § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG bestimmt, dass solche Personen in der Regel unzuverlässig sind, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Mitglieder bzw. Unterstützer einer Vereinigung sind, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. Dem Wortlaut nach ist der unmittelbare Bezugspunkt des einleitenden Halbsatzes „bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren (…)“ ist nach dem Wortlaut nur die Mitgliedschaft bzw. Unterstützungshandlung. Die Absenkung des Überzeugungsmaßstabs auf die tatsachenbegründete Annahme beziehe sich also gerade nicht auf die Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung (RdNr. 55). Diese muss dem Wortlaut nach also positiv feststehen.Das erstinstanzlich zuständige VG Düsseldorf entschied anders: Der einleitende Halbsatz, der vor die Klammer gezogen ist, gelte (grammatikalisch) für alle Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Erforderlich sei daher auch bezüglich der Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebungen nur ein tatsachenbegründeter Verdacht (VG Dus, RdNr. 93ff).
Der Wortlaut einer Norm ist stets Dein Ausgangspunkt und zugleich äußerste Grenze der Auslegung. Hier kann der Wortlaut – wie gesehen – in beide Richtungen ausgelegt werden. Entscheidend ist im ersten Examen vor allem Deine Argumentation!
12. Der Sinn und Zweck des Waffenrechts (= Gefahrenabwehr) sprechen eher dafür, dass die Verfassungsfeindlichkeit der Bestrebungen schon positiv feststehen muss.
Nein, das trifft nicht zu!
Sinn und Zweck (telos) des Waffenrechts als besonderes Gefahrenabwehrrecht ist es, die Allgemeinheit so effektiv und weitreichend wie möglich vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu schützen. Um dem Zweck des Waffenrechts, Gefahren durch potentiell unzuverlässige Waffenbesitzer möglichst weitreichend begegnen und vorbeugen zu können, wäre es förderlicher, bereits den tatsachenbegründeten Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit ausreichen zu lassen. Das OVG NRW vertritt die Auffassung, dass dem Sinn und Zweck des weitreichenden Schutzes vor waffenbezogenen Gefahren bereits ausreichend begegnet werde und keine derart weite Auslegung erfordere (vgl. RdNr. 100). VG Düsseldorf stützte seine Entscheidung in der Vorinstanz dagegen maßgeblich auf den Sinn und Zweck des Waffenrechts: Die effektive Gefahrenabwehr gebiete es, dass bereits der Verdacht ausreichend sein müsse (VG Düsseldorf, 22 K 4836/23 und 22 K 4909/23, RdNr. 114ff.)
13. Die Gesetzgebungsmaterialien zeigen nicht auf, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht für die Verfassungsfeindlichkeit genügt. Spricht das dafür, dass i.R.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG ein solcher Verdacht bereits genügt?
Nein!
Zur Erinnerung: Wir befinden uns noch immer in der Auslegung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG hinsichtlich der Frage, ob die verfassungsfeindlichen Bestrebungen positiv festgestellt sein müssen oder der Verdacht bereits genügt.
Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht hervor, dass nicht gewollt war, dass hinsichtlich der verfassungsfeindlichen Bestrebungen i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG ein tatsachenbegründeter Verdacht genügen soll (RdNr. 70ff.). Dies spricht dafür, dass diese positiv feststehen müssen.
In der Klausur wirst Du in aller Regel nicht die Entstehungsgeschichte der Norm kennen oder auf Gesetzgebungsmaterialien zugreifen können. Die Historie ist als Auslegungsmethode daher von geringer Relevanz in der Klausur.
14. Zum Zeitpunkt der Entscheidung hat das BfV die AfD gerade (noch) nicht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Steht damit positiv fest, dass die AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG verfolgt?
Nein, das ist nicht der Fall!
Nachdem Du den Maßstab des i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG herausgearbeitet hast, musst Du noch feststellen, ob die Einordnung des BfV den Maßstab erfüllt. Dazu musst man wissen, was die Einordnung als rechtsextremistischer Verdachtsfall bedeutet.
Der Verfassungsschutz kann eine Vereinigung als Verdachtsfall einstufen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorliegen. Dies setzt konkrete und hinreichend verdichtete Umstände voraus, die den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen begründen (RdNr. 106ff.). Ob solche Bestrebungen tatsächlich verfolgt werden, wird erst im zweiten Schritt durch die Beobachtung der Vereinigung geklärt.
Bei einem (rechtsextremistischen) Verdachtsfall, wie die AfD es zum Zeitpunkt der Entscheidung des OVG war, bestehen „nur“ tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. § 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b, c WaffG erfordert aber, dass die Vereinigung erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen muss.
Anders läge es, wenn die AfD – wie zwei Tage nach dieser Entscheidung geschehen – als gesichert rechtsextremistisch eingestuft gewesen wäre: Erforderlich ist dafür, dass die Verdachtsmomente sich zur Gewissheit verdichtet haben. Diese Wertung lässt sich i.R.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG heranziehen und ohne Weiteres auf die Verfassungsfeindlichkeit schließen (RdNr. 112).
Merke Dir: Allein die Einstufung einer Vereinigung als Verdachtsfall genügt also nicht, um verfassungsfeindliche Bestrebungen i.R.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG erwiesenermaßen festzustellen. Im Einzelfall können aber weitere Umstände aber dazu führen, dass man die Verfassungsfeindlichkeit dennoch bejahen kann. Werte die Angaben im Sachverhalt hierzu sorgfältig aus!
15. Es sind keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen Ks waffenrechtliche Zuverlässigkeit sprechen. Ist Ks Anfechtungsklage gegen den Erlaubniswiderruf begründet?
Ja, in der Tat!
Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit (1) der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und (2) der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Es ist kein Versagungsgrund nach § 4 WaffG ersichtlich. Insbesondere ist K nicht allein wegen seiner Mitgliedschaft in der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall als unzuverlässig i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG einzustufen. Der Erlaubniswiderruf nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG war rechtswidrig und verletzt den K zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Somit ist Ks Anfechtungsklage begründet.
Beachte: Das OVG entschied hier noch vor der Hochstufung der AfD zur gesichert rechtsextremistischen Vereinigung. Bezieht man diese Hochstufung in die Wertung ein, käme man nun zu dem abweichenden Ergebnis, dass die AfD erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt und K deshalb unzuverlässig nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG wäre. Allerdings ist die Hochstufung durch eine Stillhaltezusage des BfV bis zu einer gerichtlichen Entscheidung rechtlich (noch) suspendiert. Aktuell muss man sich rechtlich für eine Beurteilung der waffenrechtlichen (Un)Zuverlässigkeit von AfD-Mitgliedern wohl vor allem an der hier dargestellten Entscheidung orientieren. Sofern Du (vertretbar) wie das VG Düsseldorf eine Unzuverlässigkeit bejahst, müsstest Du im Folgenden thematisieren, ob die Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 WaffG ggf. im Einzelfall widerlegt ist (dazu VG Düsseldorf, RdNr. 117ff.) und dann auf die Rechtsfolgenseite eingehen, die einen gebundenen Widerruf vorsieht.
16. Ks Anfechtungsklage hat sich auch gegen die Herausgabepflicht der Waffenbesitzkarten nach § 46 Abs. 1 WaffG gerichtet. Ist die Klage insoweit unbegründet?
Nein!
Zur Erinnerung: Ks Klage richtete sich (nach Ansicht des OVG NRW) gegen zwei Verwaltungsakte: Zum einen den Erlaubniswiderruf und zum anderen gegen die angeordnete Herausgabepflicht: „Die Erlaubnisdokumente sind gemäß § 46 Abs. 1 WaffG binnen drei Monate zurückzugeben.“ (Verwaltungsaktsqualität str., das OVG hat diese bejaht) § 46 WaffG regelt „weitere Maßnahmen“ nach einem Widerruf. Wenn bereits die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vorlagen und dieser dementsprechend rechtswidrig ist, so fehlt die Grundlage für die Herausgabepflicht nach § 46 Abs. 1 WaffG. Sofern man – mit der Ansicht des OVG NRW – die angeordnete Herausgabepflicht als eigenständigen Verwaltungsakt einordnet, so ist dieser rechtswidrig und verletzt K zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Somit ist Ks Anfechtungsklage vollumfänglich begründet.
Merke Dir abschließend:
(1) Allein eine Einstufung der Vereinigung als Verdachtsfall genügt nicht, um von erwiesenermaßen verfassungsfeindlichen Bestrebungen auszugehen, die § 5 Abs. 2 Nr.3 lit. b, c WaffG voraussetzt. Im Einzelfall können weitere Umstände dann aber zum Gesamtbild der Unzuverlässigkeit führen.
(2) Eine Einstufung der Vereinigung als gesichert rechtsextremistisch erfüllt die Anforderungen von § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b, c WaffG ohne Weiteres.