1. Könnte T sich hier wegen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Karton mit Papier anzündete. Ist der Karton ein taugliches Tatobjekt?
Nein, das ist nicht der Fall!
§ 306 Abs. 1 StGB kannst Du wie folgt prüfen:
(I) Tatbestand
(2) Objektiver Tatbestand
(a) Täterfremdes Tatobjekt i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1-6 StGB
(b) Inbrandsetzen oder Zerstören durch Brandlegung
(2) Subjektiver Tatbestand
(II) Rechtswidrigkeit
(III) Schuld
(IV) ggf. Tätige Reue (§ 306e StGB)
Der Karton steht nicht im Alleineigentum des T und ist damit fremd. Allerdings ist der Karton kein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1-6 StGB. Damit hat T sich nicht wegen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er den Karton anzündete.
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2. T könnte sich jedoch nach § 306 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Papierkarton anzündete, wodurch auch Teile des Gemüseladens vom Feuer erfasst wurden.
Ja, in der Tat!
Eine Strafbarkeit nach § 306 Abs. 1 StGB kannst Du so prüfen:
(I) Tatbestand
(1) Objektiver Tatbestand
(a) Täterfremdes Tatobjekt i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1-6 StGB
(b) Inbrandsetzen oder (teilweises) Zerstören durch Brandlegung (Tathandlung)
(2) Subjektiver Tatbestand
(II) Rechtswidrigkeit
(III) Schuld
(IV) ggf. Tätige Reue (§ 306e StGB).
3. Bei dem leerstehenden Gemüseladen müsste es sich um ein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1-6 handeln. Sind bezüglich des Gemüseladens sowohl § 306 Abs. 1 Nr. 1 als auch Nr. 2 StGB erfüllt?
Nein!
Ein Gebäude i.S.v. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt vor, wenn es sich um einen (zumindest teilweise) umschlossenen, mit Grund und Boden verbundenen Raum handelt, der von Menschen betreten werden kann. Nicht entscheidend ist, ob das Bauwerk bewohnt werden kann. Betriebsstätten (§ 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB) sind räumlich-gegenständliche Sachgesamtheiten von baulichen Anlagen und Inventar, die einem gewerblichen Betrieb dienen und auf längere Zeit angelegt sind.
Der Gemüseladen ist ein umschlossener, mit Grund und Boden verbundener Raum und kann von Menschen betreten werden (= Gebäude). Der Gemüseladen ist zwar ein räumlich-gegenständliche Sachgesamtheit von baulichen Anlagen und Inventar, allerdings steht er leer und wird nicht mehr betrieben. Damit ist hier nur § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB einschlägig.
4. Da der Gemüseladen für T fremd ist, liegt ein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor.
Genau, so ist das!
Eine Sache ist für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Der Gemüseladen stand nicht im Alleineigentum des T und war für ihn fremd.
Innerhalb der Brandstiftungsdelikte ist die Fremdheit des Tatobjekts nur bei § 306 StGB (und wenn eines der nachfolgenden Delikte auf § 306 StGB verweist) Tatbestandsvoraussetzung. Hier zeigt sich die unterschiedliche Deliktsart der Strafnormen: Bei § 306a Abs. 1 und 2 StGB handelt es sich um (reine) Gefährdungsdelikte, bei § 306b Abs. 1 StGB sowie § 306c StGB um Erfolgsqualifikationen, und bei § 306 StGB um ein „besonderes“ Sachbeschädigungsdelikt. Daher ist § 306 StGB auch - anders als die systematische Stellung suggeriert - nicht Grundtatbestand der anderen Brandstiftungsdelikte.
Setze hier auf ein systematisches Verständnis der Brandstiftungsdelikte und lese in der Klausur sorgfältig die einzelnen Normen!
5. Die Markise des Ladens hat gebrannt. Ist es für das Inbrandsetzen i.S.v. § 306 Abs. 1 StGB irrelevant, welcher konkrete Teil des Ladens Feuer fing?
Nein, das trifft nicht zu!
Hast Du festgestellt, dass ein taugliches Tatobjekt vorliegt, musst Du i.R.d. Tathandlung prüfen, ob der Täter auch dieses konkrete Tatobjekt in Brand gesetzt hat.
Eine Sache ist in Brand gesetzt (§ 306 Abs. 1 Alt. 1 StGB), wenn sie in einer Weise vom Feuer erfasst ist, dass ein Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich ist. Erforderlich ist das Brennen eines für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Objekts wesentlichen Teils. Für die Beurteilung der Wesentlichkeit kommt es dabei auf die Verkehrsanschauung an.
Wesentliche Teile von Gebäuden sind etwa die Wohnungstür, Fensterrahmen, Wände, Böden und Treppen. Nicht wesentlich sind dagegen Einrichtungsgegenstände wie loses Mobiliar, Gardinen, Tapeten, Regale und Fußbodensockelleisten.
Es brannte nur die Markise des Gemüseladens. Der Laden kann auch ohne die Markise gebraucht werden. Damit fehlt es daran, dass ein wesentlicher Teil des Gebäudes brannte. T hat den Laden nicht dadurch in Brand gesetzt, dass die Markise Feuer fing. Hier kommt es allein darauf an, ob T den Gemüseladen in Brand gesetzt hat. Denn der Karton ist kein taugliches Tatobjekt i.S.v. § 306 Abs. 1 StGB!
6. T hat den Gemüseladen aber dadurch in Brand gesetzt, dass das Schaufenster des Ladens explodierte und auch das Ladeninnere zerstört wurde.
Nein!
Eine Sache ist in Brand gesetzt, wenn sie in einer Weise vom Feuer erfasst ist, dass ein Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich ist.
Der Laden ist nicht in der Weise erfasst, dass das Feuer dort aus eigener Kraft weiterbrennt. Vielmehr wurde Laden nur durch die Explosion sowie den in den Laden eindringenden Rauch und Ruß zerstört. Damit liegt ein Inbrandsetzen des Ladens nicht vor. Neben dem Inbrandsetzen (§ 306 Abs. 1 Alt. 1 StGB) enthält § 306 Abs. 1 noch eine weitere Tathandlung: Bestraft wird auch, wer durch eine Brandlegung ein Tatobjekt aus § 306 Abs. 1 StGB ganz oder teilweise zerstört. Dazu gleich mehr!
7. T könnte den Gemüseladen allerdings ganz oder teilweise zerstört haben, indem er den Papierkarton anzündete, wodurch auch der Gemüseladen beschädigt wurde (§ 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 StGB).
Genau, so ist das!
Ist die Tatvariante des „Inbrandsetzens“ nicht erfüllt, solltest Du Deine Prüfung nicht zu voreilig abbrechen!
Das Tatobjekt ist zerstört, wenn es vernichtet wird oder seine bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verliert. Von einem teilweisen Zerstören spricht man, wenn Teile des Tatobjekts, die für seinen bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich sind, unbrauchbar geworden sind.
Die Tathandlung des § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB wurde eingeführt, da die heutigen Baumaterialien meist feuerresistent sind und nicht von allein weiterbrennen. Ein Inbrandsetzen scheidet dann aus. Trotzdem sind die Gebäude häufig wegen Rauch, Ruß oder Gas unbenutzbar.
Durch die Hitze explodierte das Schaufenster. Danach drangen Rauch und Ruß ein und zerstörten das Mobiliar. Das Schaufenster und das Mobiliar war für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Ladens wesentlich. Durch deren Zerstörung wurde der Laden unbrauchbar. Damit ist der Laden zwar nicht völlig, aber teilweise zerstört.
8. Nach § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB muss der Täter eines der Tatobjekte der Nr. 1-6 „durch eine Brandlegung ganz oder teilweise“ zerstörten. Könnte es hier problematisch sein, dass T nur die Papierkiste anzündete?
Ja, in der Tat!
Unter einer Brandlegung ist jede auf die Verursachung eines Brandes gerichtete Handlung zu verstehen (RdNr. 7).
Problematisch ist hier, dass T nicht den Laden selbst anzündete, sondern die Papierkiste. Nach h.M. gibt der Wortlaut des § 306 Abs. 1 StGB jedoch keinen Anlass für eine einschränkende Auslegung. Vielmehr genüge ein (teilweises) Zerstören allein durch „eine“ Brandlegung (RdNr. 9). Lediglich der Zerstörungserfolg an einem der Schutzobjekte müsse auf eine Brandlegung zurückzuführen sein (RdNr. 7).
Nach a.A. spricht die Entstehungsgeschichte für eine einschränkende Auslegung. Das (teilweise) Zerstören wurde eingefügt, um Fälle zu erfassen, in denen wegen feuerbeständigen Baumaterialen ein Inbrandsetzen der Schutzobjekte ausbleibt. Der Täter müsse den Brand daher nach wie vor an einem Tatobjekt des § 306 Abs. 1 Nr. 1-6 StGB legen (RdNr. 9).
T hat den Gemüseladen nach h.M. teilweise zerstört. Da auch die Rspr. dieser Meinung folgt, musst Du im zweiten Examen hier keine Argumente abwägen, sondern folgst einfach der h.M.
9. Die Schäden im Inneren des Gemüseladens sind nicht nur durch den Brand, sondern auch durch die Explosion entstanden. Regelt § 306 Abs. 1 StGB ausdrücklich, dass eine brandbedingte Explosion ebenfalls strafbar ist?
Nein!
Der Wortlaut des § 306 Abs. 1 StGB ist wenig hilfreich, wenn es darum geht, die Reichweite der Brandlegung festzulegen. Hier kann es helfen, die einschlägige Rspr. zu kennen. Versuche im Zweifel, eine eigene Argumentation zu entwickeln. Im zweiten Examen hilft der Blick in den Kommentar!
Nach dem BGH ist es nicht hinderlich, dass der Zerstörungserfolg nicht ausschließlich durch den Brand, sondern auch durch die brandbedingte Explosion herbeigeführt worden ist (RdNr. 10). In einem anderen Fall entschied der BGH, dass es ausreicht, wenn beim plangemäßen Entzünden des vom Täter benutzten Brandbeschleunigers nicht nur der Brand selbst gelegt wird, sondern sich zudem das Gasgemisch entzündet und explodiert und (unter anderem) dadurch der (teilweise) Zerstörungserfolg eintritt (BGH, Urt. v. 05.09.2017 – 5 StR 222/17). Auch die Zerstörung, die durch die Explosion entstanden sind, können eine Strafbarkeit des Ts nach § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB begründen.
10. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Kam es T ausdrücklich darauf an, dass der Laden abbrennt, als er die Papierkiste anzündete und die CO2-Patrone deponierte?
Nein, das ist nicht der Fall!
Liegt offensichtlich kein Vorsatz im Sinne eines dolus directus vor, kannst Du direkt den Eventualvorsatz prüfen.
Subjektiv muss der Täter es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben, dass durch die Brandlegung das Tatobjekt infolge der Brandwirkungen ganz oder teilweise zerstört wird (Billigungstheorie der Rspr.).
Es ist nicht ersichtlich, dass T den Taterfolg für möglich hielt und billigend in Kauf nahm. Damit hat er sich nicht gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
Nach dem BGH bedarf die subjektive Tatseite in Fällen, in denen der eingetretene Zerstörungserfolg nicht auf eine Brandlegung an dem Schutzobjekt selbst, sondern an einem anderen Gegenstand zurückzuführen ist, sorgfältiger Prüfung (RdNr. 11). Weil diese nicht vorgenommen wurde, verwies der BGH den Fall zur Prüfung zurück an das LG.
Die subjektive Seite ist regelmäßig beweiswürdigend zu belegen. Schweigt der Angeklagte können innere Tatsachen wie seine Vorstellungen über die möglichen Folgen seines Handelns und deren Billigung regelmäßig durch Rückschlüsse aus dem äußeren Tatgeschehen festgestellt werden (RdNr. 12).
11. Sofern Vorsatz vorläge, müsste T rechtswidrig gehandelt haben. Musst Du bei den Brandstiftungsdelikten immer die Einwilligung als besonderen Rechtfertigungsgrund prüfen?
Nein, das trifft nicht zu!
In der Klausur würdest Du Deine Prüfung abbrechen, wenn Du den Vorsatz abgelehnt hast. Wir haben hier nur aus didaktischen Gründen weitergeprüft!
Voraussetzung für die rechtfertigende Einwilligung ist die Disponibilität des geschützten Rechtsguts. Grundsätzlich verfügbar sind nur höchstpersönliche Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum. Rechtsgüter der Allgemeinheit und Tatbestände, die solche schützen, sind nicht einwilligungsfähig.
Entsprechend den unterschiedlichen Schutzrichtungen der §§ 306ff. kommt die rechtfertigende Einwilligung nicht bei allen Brandstiftungsdelikten in Betracht, sondern nur bei denen, deren Schutzgut disponibel ist. Das ist bei den Brandstiftungsdelikten nur § 306 StGB als besonderes Sachbeschädigungsdelikt. Bei den übrigen Delikten scheidet eine rechtfertigende Einwilligung mangels Disponibilität des Rechtsgutes aus.
Auch hier merkst du, dass ein systematisches Verständnis der §§ 306ff. unerlässlich ist.
Eine Einwilligung lag hier nicht vor. T handelte damit rechtswidrig.
12. Nach Rechtswidrigkeit und Schuld musst Du bei den Brandstiftungsdelikten in jedem Fall prüfen, ob eine Strafmilderung- oder -aufhebung wegen tätiger Reue nach § 306e StGB in Betracht kommt.
Nein!
In Anbetracht der verhältnismäßig frühen Vollendung der Brandstiftungsdelikte wurde mit § 306e StGB die Möglichkeit der Strafmilderung oder Strafaufhebung bei tätiger Reue geschaffen. § 306e StGB kommt indes nur in Betracht, wenn die Brandstiftung vollendet ist. Liegt hingegen nur eine versuchte Brandstiftung vor, so ist ausschließlich § 24 StGB anwendbar (etwa, wenn der Täter einen Vorhang in einer Wohnung anzündet, den Brand aber schon löscht, bevor das Feuer auf irgendwelche anderen Teile der Wohnung übergegriffen hat. Die tätige Reue nach § 306e StGB kannst Du Dir hier in unserem Kurs zu den Brandstiftungsdelikten genauer anschauen. Für diesen Fall ist sie nicht weiter relevant. 13. Sofern eine Strafbarkeit von T nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen mangelnden Vorsatzes abgelehnt würde, scheidet eine Strafbarkeit von T damit insgesamt aus?
Nein, das ist nicht der Fall!
Wenn Du eine vorsätzliche Begehung der Brandstiftungsdelikte abgelehnt hast, denke stets an die Möglichkeit der fahrlässigen Begehung. Wie Du die Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts prüfst, kannst Du mit diesem Schema wiederholen.
§ 306d Abs. 1 StGB stellt die fahrlässige Brandstiftung unter Strafe. T könnte sich hier wegen fahrlässiger Begehung nach §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2, 306d Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Auch bei § 306d gilt: Verweisungen in den Absätzen genau lesen und zitieren! Weil der BGH den Fall an das LG zurück verwiesen hat, finden sich in dem Beschluss keine Ausführungen zur Fahrlässigkeit. Da Du diese aber in der Klausur prüfen müsstest, haben wir sie hier aufgenommen. 14. Voraussetzung ist zunächst, dass T § 306 Abs. 1 StGB objektiv verwirklicht hat und Ts Handlungen kausal für den Erfolg waren. Liegt beides hier vor?
Ja, in der Tat!
Kausalität liegt nach der conditio-sine-qua-non-Formel vor, wenn die Handlung des Täters nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Hier drangen Hitze, Rauch und Ruß in den Laden ein und zerstörten das Mobiliar, wodurch der Laden unbenutzbar wurde. T hat objektiv § 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 StGB erfüllt. Hätte T die Papierkiste nicht in Brand gesetzt, wäre das Schaufenster des Gemüseladens nicht durch die Explosion sowie durch den eindringenden Rauch und Ruß zerstört worden. Ts Handlungen können damit nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Damit waren Ts Handlungen kausal für die teilweise Zerstörung des Gemüseladens.
15. Hat T eine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er die CO2-Patrone vor dem Gemüseladen deponierte und anschließend die Papierkiste mit einem Feuerzeug anzündete?
Ja!
Objektiv sorgfaltswidrig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Wann eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, ergibt sich dabei nicht aus der verletzten Strafnorm selbst, sondern muss aus externen Quellen bestimmt werden. Als Quellen in Betracht kommen sog. Sondernormen, Standards und Gepflogenheiten bestimmter Verkehrskreise sowie der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des Durchschnittsbürgers.
Es entspricht der allgemeinen Sorgfalt, dass man keine im öffentlichen Raum stehenden Papierkisten anzündet, deren Feuer auf umliegende Gebäude oder Gegenstände übergreifen könnte. Dies gilt umso mehr, wenn man eine explosive CO2-Patrone in der Nähe abgelegt hat. T hat eine Sorgfaltspflicht verletzt.
16. Weitere Voraussetzung ist die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts. War hier objektiv vorhersehbar, dass durch das Feuer der Gemüseladen zerstört werden könnte?
Genau, so ist das!
Nach h.M. setzt eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit voraus, dass die Tatbestandsverwirklichung objektiv vorhersehbar gewesen sein muss. Danach müssen der Erfolgseintritt sowie der Kausalverlauf für einen Durchschnittsmenschen des jeweiligen Verkehrskreises absehbar gewesen sein. Dabei ist eine konkrete Wahrscheinlichkeitsbeurteilung vorzunehmen. Die generelle Möglichkeit theoretischer Entwicklungen reicht nicht aus.
Es ist für jeden Durchschnittsmenschen erkennbar, dass das Feuer eines angezündeten Objekts auf naheliegende Gegenstände übergreifen kann. Ferner ist es erkennbar, dass CO2-Patronen aufgrund von übermäßiger Hitze explodieren können. Damit ist für Durchschnittsmenschen der Erfolgseintritt sowie der Kausalverlauf erkennbar gewesen und objektive Vorhersehbarkeit gegeben.
17. Scheidet eine Strafbarkeit hier mangels objektiver Zurechenbarkeit des Erfolgs aus?
Nein, das trifft nicht zu!
Bei Fahrlässigkeitsdelikten sind für die objektive Zurechnung der Pflichtwidrigkeits- und Schutzzweckzusammenhangs bedeutsam. Objektiv zurechenbar ist der Taterfolg nur dann, wenn sich im Erfolgseintritt gerade die durch die Pflichtwidrigkeit gesetzte Gefahr auswirkt (Pflichtwidrigkeitszusammenhang). Eine objektive Zurechenbarkeit scheidet aus, wenn der Erfolg auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre oder wenn der Erfolg dem Verantwortungsbereich Dritter zuzurechnen ist. Ferner scheidet die objektive Zurechenbarkeit aus, wenn die verletzte Verhaltensnorm nicht dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dienen soll (Schutzzweckzusammenhang).
Vorliegend ist nichts ersichtlich, was die objektive Zurechenbarkeit ausschließen könnte. Damit ist der Erfolg dem T auch objektiv zurechenbar.
18. T hat – mangels Rechtfertigungsgründen – auch rechtswidrig gehandelt. Handelte er zudem auch schuldhaft?
Ja!
Bei den Fahrlässigkeitsdelikten musst Du in der Schuld neben den allgemeinen Entschuldigungsgründen die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung bei subjektiver Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts prüfen.
Die subjektive Sorgfaltspflichtverletzung setzt voraus, dass der Täter nach seinen persönlichen Fähigkeiten in der Lage war, die objektive Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Die subjektive Vorhersehbarkeit setzt voraus, dass der Täter in seiner konkreten Lage und nach seinen individuellen Erkenntnisfähigkeiten den Erfolgseintritt sowie den Kausalverlauf in den wesentlichen Grundzügen hätte voraussehen können.
T war nach seinen persönlichen Fähigkeiten in der Lage, die Sorgfaltspflicht zu erfüllen. Ferner war der Erfolgseintritt und der Kausalverlauf für ihn in den wesentlichen Grundzügen vorhersehbar. Damit hat sich T nach §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 306d Abs. 1 StGB strafbar gemacht.