Examensrelevante Rechtsprechung
Rechtsprechung Strafrecht
BT 4: Brandstiftungsdelikte
§ 306 StGB, wenn Täter das Schutzgut nicht direkt anzündet? (BGH, Beschl. v. 07.05.2024 – 4 StR 85/24)
§ 306 StGB, wenn Täter das Schutzgut nicht direkt anzündet? (BGH, Beschl. v. 07.05.2024 – 4 StR 85/24)
3. Juli 2025
17 Kommentare
4,7 ★ (38.620 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T zündet nachts eine Papierkiste an, die neben einem dauerhaft geschlossenen Gemüseladen steht. In der Nähe deponiert T eine CO₂-Patrone. Das Feuer greift auf die Ladenmarkise über und durch die Hitze explodiert die CO₂-Patrone. Rauch und Ruß dringen in den Laden und zerstören die Wände. Der Laden ist unbenutzbar.
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Einordnung des Falls
§ 306 StGB, wenn Täter das Schutzgut nicht direkt anzündet? (BGH, Beschl. v. 07.05.2024 – 4 StR 85/24)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 18 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Könnte T sich hier wegen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Karton mit Papier anzündete. Ist der Karton ein taugliches Tatobjekt?
Nein, das ist nicht der Fall!
2. T könnte sich jedoch nach § 306 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Papierkarton anzündete, wodurch auch Teile des Gemüseladens vom Feuer erfasst wurden.
Ja, in der Tat!
3. Bei dem leer stehenden Gemüseladen müsste es sich um ein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1-6 StGB handeln. Sind bezüglich des Gemüseladens sowohl § 306 Abs. 1 Nr. 1 als auch Nr. 2 StGB erfüllt?
Nein!
4. Da der Gemüseladen für T fremd ist, liegt ein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor.
Genau, so ist das!
5. Die Markise des Ladens hat gebrannt. Ist es für das Inbrandsetzen i.S.v. § 306 Abs. 1 StGB irrelevant, welcher konkrete Teil des Ladens Feuer fing?
Nein, das trifft nicht zu!
6. T hat den Gemüseladen aber dadurch in Brand gesetzt, dass das Schaufenster des Ladens explodierte und auch das Ladeninnere zerstört wurde.
Nein!
7. T könnte den Gemüseladen allerdings ganz oder teilweise zerstört haben, indem er den Papierkarton anzündete, wodurch auch der Gemüseladen beschädigt wurde (§ 306 Abs. 1 Nr. 1, Alt. 2 StGB).
Genau, so ist das!
8. Nach § 306 Abs. 1 Alt. 2 StGB muss der Täter eines der Tatobjekte der Nr. 1-6 „durch eine Brandlegung ganz oder teilweise“ zerstörten. Könnte es hier problematisch sein, dass T nur die Papierkiste anzündete?
Ja, in der Tat!
9. Die Schäden im Inneren des Gemüseladens sind nicht nur durch den Brand, sondern auch durch die Explosion entstanden. Regelt § 306 Abs. 1 StGB ausdrücklich, dass eine brandbedingte Explosion ebenfalls strafbar ist?
Nein!
10. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich. Kam es T ausdrücklich darauf an, dass der Laden abbrennt, als er die Papierkiste anzündete und die CO₂-Patrone deponierte?
Nein, das ist nicht der Fall!
11. Sofern Vorsatz vorläge, müsste T rechtswidrig gehandelt haben. Musst Du bei den Brandstiftungsdelikten immer die Einwilligung als besonderen Rechtfertigungsgrund prüfen?
Nein, das trifft nicht zu!
12. Nach Rechtswidrigkeit und Schuld musst Du bei den Brandstiftungsdelikten in jedem Fall prüfen, ob eine Strafmilderung- oder -aufhebung wegen tätiger Reue nach § 306e StGB in Betracht kommt.
Nein!
13. Sofern eine Strafbarkeit von T nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB wegen mangelnden Vorsatzes abgelehnt würde, scheidet eine Strafbarkeit von T damit insgesamt aus?
Nein, das ist nicht der Fall!
14. Voraussetzung ist zunächst, dass T § 306 Abs. 1 StGB objektiv verwirklicht hat und Ts Handlungen kausal für den Erfolg waren. Liegt beides hier vor?
Ja, in der Tat!
15. Hat T eine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er die CO₂-Patrone vor dem Gemüseladen deponierte und anschließend die Papierkiste mit einem Feuerzeug anzündete?
Ja!
16. Weitere Voraussetzung ist die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts. War hier objektiv vorhersehbar, dass durch das Feuer der Gemüseladen zerstört werden könnte?
Genau, so ist das!
17. Scheidet eine Strafbarkeit hier mangels objektiver Zurechenbarkeit des Erfolgs aus?
Nein, das trifft nicht zu!
18. T hat – mangels Rechtfertigungsgründen – auch rechtswidrig gehandelt. Handelte er zudem auch schuldhaft?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Alex
11.1.2025, 08:51:13
Danke für den Fall. Bezüglich der Vorsatzfrage finde ich jedoch, dass der Sachverhalt dazu etwas zweideutig ist. Von direktem Vorsatz (Absicht) ist natürlich nichts zu lesen. Der SV liest sich für mich aber so, als wenn der Täter die CO2-Patrone dort zumindest nicht nur aus „praktischen“ Ablagegründen abgelegt hat, um seine Hände „frei“ zu bekommen und die Kiste anzuzünden.
Leo Lee
12.1.2025, 07:50:43
Hallo Alex, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man den SV auch dahingehend interpretieren, wie du ihn interpretiert hast. Dann käme man allerdings ebenfalls zu dem Ergebnis, dass er ebenfalls keinen
Eventualvorsatzhatte, weil er es eben nicht billigte/kommen sah (also wie bei "unserer" Lösung)! Falls du was anderes gemeint haben solltest, freuen wir uns über eine kurze Rückmeldung :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

kithorx
18.1.2025, 13:10:01
Ich denke, Alex meint etwas anderes. Nämlich, dass der Täter die Patrone ablegt schon mit dem Gedanken im Kopf, sie zum Explodieren bringen zu können.
AcademicWeapon
22.1.2025, 20:49:55
So würde ich den Sachverhalt auch interpretieren. Ich verstehe nicht, wieso man lediglich einen dolus eventualis und keinen
dolus directus 2. Gradesannimmt.
Jojo23
12.2.2025, 00:16:17
Erik_1995
20.5.2025, 14:09:33
Ich schließe mich den anderen an. Manchmal soll man bei solchen Darstellungen den Vorsatz des Täters herauslesen, manchmal wiederum nicht. Sehr verwirrend und unnötig, da ein Halbsatz im Sachverhalt genügen würde und jede Diskussion darüber, was nun die "richtige Lesart" sei länger dauert als kurz diesen Satz zu ergänzen.
Nils01
3.2.2025, 11:38:17
Bei Frage 7 wird subsumiert: "Durch die Hitze explodierte das Schaufenster. Danach drangen Rauch und Ruß ein und zerstörten das Mobiliar. Das Schaufenster und das Mobiliar war für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Ladens wesentlich. Durch deren Zerstörung wurde der Laden unbrauchbar. Damit ist der Laden zwar nicht völlig, aber teilweise zerstört." Ich verstehe nicht, warum das Mobiliar für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Tatobjekts "Gebäude" wesentlich ist. Denn der Laden als solcher ist doch kein taugliches Tatobjekt iSd. § 306 I und Mobiliar ist ja gerade kein
wesentlicher Bestandteileines Gebäudes. Zwar ist das Schaufenster zerstört und damit ein
wesentlicher Bestandteildes Gebäudes, sodass das Ergebnis überzeugt, aber nicht weil das Mobiliar brennt.

Linne Hempel
10.2.2025, 10:16:30
Hallo @[Nils01](282341), danke für deinen Hinweis, die Subsumtion war in der Tat etwas ungenau. Wir haben das jetzt angepasst. Richtig ist, dass es für die Frage des teilweisen Zerstörens nicht ausreicht, dass allein das Mobiliar beschädigt wurde. Nach dem BGH reicht es jedoch ebenso nicht aus, dass nur ein Fenster zerbrochen ist (NJW 1999, 3570). Ein teilweises Zerstören liegt hier vor, weil der Laden für eine nicht unbeträchtliche Zeit wegen der Rußentwicklung und den verrußten Wänden im Inneren des Ladens nicht mehr benutzbar war, ohne ihn zu renovieren (BGHSt 48, 14-23, Rn. 27). Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
C
21.2.2025, 15:08:46
Examenstreffer RLP Frühjahr 25 ☺️

CR7
21.2.2025, 15:10:46
Examenstreffer auch für Sachsen 2025/I, kann ich von Freunden bestätigen.

Linne Hempel
25.2.2025, 17:03:46
Hallo C, vielen Dank für Deinen Hinweis! Es ist großartig zu hören, dass einer unserer Fälle tatsächlich im Examen dran kam. Wir haben diese Information notiert und werden sie in unserer App entsprechend kennzeichnen, um die Examensrelevanz für die Community sichtbar zu machen. Deine Rückmeldung hilft uns, die Vorbereitung für alle Nutzer zielgerichteter zu gestalten und die Qualität unserer Inhalte stetig zu verbessern. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald die Kennzeichnung in der App sichtbar ist. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

Shams
21.2.2025, 19:49:37
Examenstreffer RLP 2025

Linne Hempel
24.2.2025, 16:52:14
Hallo Shams, vielen Dank für Deinen Hinweis! Es ist großartig zu hören, dass einer unserer Fälle tatsächlich im Examen dran kam. Wir haben diese Information notiert und werden sie in unserer App entsprechend kennzeichnen, um die Examensrelevanz für die Community sichtbar zu machen. Deine Rückmeldung hilft uns, die Vorbereitung für alle Nutzer zielgerichteter zu gestalten und die Qualität unserer Inhalte stetig zu verbessern. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald die Kennzeichnung in der App sichtbar ist. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team