Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)
Ausschluss einzelner zur Wahrung der Ordnung, §§ 176 GVG
Ausschluss einzelner zur Wahrung der Ordnung, §§ 176 GVG
19. Februar 2025
3 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird vor dem Landgericht angeklagt. Durch Beschluss schließt die Kammer As Bruder B während der Vernehmung der Zeugin Z aus (§ 176 Abs. 1 GVG), da B Z im Vorfeld des Prozesses mehrfach bedroht hatte, um Zs Aussage zu verhindern. B verlässt den Saal. As Verteidiger rügt dies erfolglos.
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Einordnung des Falls
Ausschluss einzelner zur Wahrung der Ordnung, §§ 176 GVG
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 Abs. 1 S. 1 StPO) ist verletzt, wenn B zu Unrecht von der Verhandlung ausgeschlossen wurde.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Durch sitzungspolizeiliche Maßnahmen (§§ 176ff. GVG) ist der Ausschluss einzelner Zuschauer möglich, ohne den Öffentlichkeitsgrundsatz zu verletzen.
Genau, so ist das!
3. Die Verweisung des A war hier schon rechtswidrig, da statt des Vorsitzenden das ganze Gericht durch Beschluss entschieden hat (§ 176 Abs. 1 GVG).
Nein, das trifft nicht zu!
4. Der Ausschluss des B war rechtmäßig und der Öffentlichkeitsgrundsatz damit nicht verletzt (§ 169 Abs. 1 S. 1 GVG).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Hilfloser Melancholiker
4.4.2024, 23:35:00
Mir ist noch ein bisschen unklar, wieso der Sachverhalt unter § 176 GVG fällt. Diese Norm beschäftigt sich ja mit der "Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung", und nicht der Wahrheit der Zeugen
aussageoder dem Schutz des Zeugen selbst. Dass Z vor der Verhandlung bedroht wurde, führt ja nicht dazu, dass der Sitzungsablauf gestört wird... oder lese ich da den Wortlaut zu eng? Danke fürs Antworten (:
Timurso
5.4.2024, 10:51:18
Ich denke, dass der Ausschluss des B hier so oder so rechtmäßig ist, da aufgrund des Vorverhaltens eine Störung der Sitzung und der Zeugenvernahme zu befürchten ist und es insofern schon um die Ordnung in der Sitzung selbst geht. Ob man Zuschauer mit dieser Norm auch aus darüber hinausgehenden Zeugenschutz- oder Wahrheitsfindungsgründen ausschließen kann, ist jedoch eine spannende Frage.
PhilippRhein
2.12.2024, 10:51:09
Die Ordnung iSd 176 GVG wird tatsächlich sehr weit verstanden; unter ihre Aufrechterhaltung fällt auch die Abwehr von Einflussnahmen auf den Gang der - der Wahrheitsfindung dienenden - Verhandlung. Die Ordnung wird daher schon dann gestört, wenn ein Zuschauer auf einen Zeugen einwirkt (M/G, GVG 176 RN. 8 unter Verweis auf Kern JZ 1962, 564). Darüber hinaus hat sich iÜ bereits das Reichsgericht (RGSt 64, 385) mit deiner Frage nach dem richtigen dognatischen Anknüpfungspunkt beschäftigt. Denn es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass weder das GVG noch die StPO für Zuschauer eine ausdrückliche Regelung kenntw, welche dem 247 Abs. 1 S. 1 StPO entspräche. Nachdem allerdings der BGH (BGHSt 3, 386) entschieden hat, dass die Öffentlichkeit nicht nur aus den im GVG vorgesehenen Fällen (sondern auch weiteren, ungeschriebenen) ausgeschlossen werden kann, ist die Frage nach einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt aber wohl praktisch weniger relevant geworden.