Versagung der Aussetzung zur Bewährung, § 56 StGB

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der reuige A wird wegen eines Raubes, der acht Jahre zurückliegt, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Laut Urteil komme eine Strafaussetzung wegen As einziger Vorstrafe (40 Tagessätze wegen Beleidigung, § 185 StGB) nicht in Frage. A führt mit seiner Ehefrau ein erfolgreiches Restaurant.

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Einordnung des Falls

Versagung der Aussetzung zur Bewährung, § 56 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Urteil ist rechtsfehlerhaft, wenn das Tatgericht sich mit einer naheliegende Möglichkeit der Strafaussetzung (§ 56 StGB) im Urteil nicht auseinandersetzt.

Ja, in der Tat!

§ 56 StGB eröffnet die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung. Die Urteilsgründe müssen ergeben, warum die Strafe ausgesetzt oder einem Antrag auf Strafaussetzung nicht gefolgt wurde (§ 267 Abs. 3 S. 4 HS 1 StPO). Über diese verfahrensrechtliche Begründungspflicht hinaus besteht eine weitergehende sachlichrechtliche Begründungspflicht. Eine mögliche Strafaussetzung muss im Urteil erörtert werden, wenn die Feststellungen dazu drängen, etwa wenn der Angeklagte über berufliche und familiäre Bindungen verfügt, Vorstrafen niedrig sind oder die Tat länger zurückliegt. Fehlen hinreichende Erörterungen, liegt ein Darstellungsfehler vor.
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2. Das Tatgericht musste hier die Strafaussetzung aber nicht näher erörtern, da diese bei einer Freiheitsstrafe ab einem Jahr ohnehin nicht in Betracht kommt (§ 56 Abs. 1 StGB).

Nein!

Eine Strafaussetzung kommt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren in Betracht (vgl. § 56 Abs. 2 StGB). Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr verhängt das Gericht eine Bewährungsstrafe, wenn: (1) zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (positive Sozialprognose, § 56 Abs. 1 StGB) und (2) wenn die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB).

3. Eine Strafaussetzung kommt also grundsätzlich in Betracht (§ 56 Abs. 1 StGB). Enthält das Urteil hier einen Darstellungsfehler?

Genau, so ist das!

Eine Strafaussetzung muss im Urteil erörtert werden, wenn die festgestellten Umstände dazu drängen. Maßgeblich sind etwa die Persönlichkeit des A, sein Vorleben, die Umstände der Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind (§ 56 Abs. 1 S. 2 StGB). Das Tatgericht hat die Bewährung unter Verweis auf die Vorstrafe des A verneint. Jedoch war die Vorstrafe sehr niedrig. Auch liegt die Tat lange zurück, A hat enge familiäre (Ehefrau) und berufliche Bindungen und bereut sein Verhalten. Insgesamt legen die Umstände eine Strafaussetzung nahe. All dies wurde vom Tatgericht nicht erörtert. Die Ausführungen genügen den sachlichrechtlichen Begründungsanforderungen nicht. Dieser Maßstab gilt auch für die „besonderen Umstände”, die Aussetzung einer Strafe von bis zu zwei Jahren rechtfertigen (§ 56 Abs. 2 StGB).
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