Grundfall

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Regierungspräsident R hat über drei Ecken davon gehört, dass Gemeinde G ohne jegliche Rücksprache ein rosa Einhorn als ihr Ortswappen eingeführt hat. R möchte gegen dieses, seiner Ansicht nach traditionsvergessene Treiben der G im Wege der Kommunalaufsicht vorgehen.

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Einordnung des Falls

Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Welche Maßnahmen R im Rahmen der Kommunalaufsicht zur Verfügung stehen, richtet sich nach der jeweiligen Art der Kommunalaufsicht.

Ja, in der Tat!

Die kommunale Aufgabenerledigung unterliegt stets der staatlichen Aufsicht. Welche Maßnahmen der jeweiligen Aufsichtsbehörde dabei zur Verfügung stehen, richtet sich nach der Art der auszuübenden Kommunalaufsicht. Zu unterscheiden ist somit zunächst zwischen einer bloßen Kontrolle der Rechtmäßigkeit (Rechtsaufsicht) einerseits, sowie der hinzutretenden Kontrolle der Zweckmäßigkeit des kommunalen Handelns andererseits (Fachaufsicht). Maßnahmen der Rechtsaufsicht finden sich vor allem gebündelt in den jeweiligen Gemeindeordnungen der Länder (z.B. Art. 108ff. BayGO, §§ 118ff. GemO BW, §§ 119ff. GO NRW). Welche Maßnahmen im Rahmen der Fachaufsicht verfügbar sind, ergibt sich vornehmlich aus den jeweiligen Fachgesetzen, z.B. § 47 Abs. 5 S. 1 LBO BW, § 110 Abs. 1 S. 1 PolG BW.
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2. Die Art der Kommunalaufsicht richtet sich nach der zu beaufsichtigenden Aufgabenart.

Ja!

Aufgaben im eigenen Wirkungskreis bzw. freiwillige und pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben unterliegen lediglich der Rechtsaufsicht. Auftragsangelegenheiten bzw. Pflichtaufgaben nach Weisung unterliegen hingegen der Fachaufsicht.

3. Bei der Umgestaltung des Ortswappen handelt es sich um eine Auftragsangelegenheit bzw. Pflichtaufgabe nach Weisung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Aufgaben im eigenen Wirkungskreis bzw. freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinde sind Aufgaben, die eine Gemeinde kraft ihres in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Aufgabenfindungsrechts freiwillig, d.h. ohne gesetzliche Pflicht, wahrnimmt (z.B. Betrieb von Schwimmbädern u.ä.). Gegenstück der Aufgaben im eigenen Wirkungskreis bzw. der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben sind diejenigen Aufgaben, zu deren Erfüllung die Gemeinde hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ der Erfüllung gesetzlich verpflichtet ist (Auftragsangelegenheiten bzw. Pflichtaufgaben nach Weisung). Die meisten Gemeindeordnungen gewähren den den Gemeinden ein Recht, ihre bisherigen Wappen und Flaggen zu führen. Je nach kommunalrechtlicher Ausgestaltung sind Änderungen der Wappen und Flaggen zulässig, müssen bei der Rechtsaufsichtsbehörde angezeigt bzw. dort beantragt und genehmigt werden (vgl. Art. 4 Abs. 1 S. 2 GO BY, § 6 Abs. 1 S. 2 GemO BW, § 14 Abs. 3 GO NRW, § 9 Abs. 1 KV M-V). Eine Pflicht zur Änderung des Ortswappens besteht hingegen nicht. Es handelt sich somit um eine Aufgabe im eigenen Wirkungskreis bzw. freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinde. Die Terminologie der Aufgaben, zu deren Durchführung die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, unterscheidet sich abhängig davon, ob in Deinem Bundesland ein monistisches oder dualistisches Aufgabenverständnis vorliegt: (1)Bei einem dualistischen Aufgabenverständnis bezeichnet man Aufgaben, die die Gemeinde nicht freiwillig wahrnimmt, als Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis bzw. als Auftragsangelegenheiten. Die Wahrnehmung und Ausführungsweise („ob” und „wie”) dieser Aufgaben durch die Gemeinde ist gesetzlich vorgeschrieben. (2)Bei einem monistischen Aufgabenverständnis bezeichnet man einen großen Teil der Aufgaben, die die Gemeinde nicht freiwillig wahrnimmt, als Pflichtaufgaben nach Weisung. Die Wahrnehmung und Ausführungsweise („ob” und „wie”) dieser Aufgaben durch die Gemeinde ist gesetzlich vorgeschrieben. Daneben kennt das monistische Aufgabenverständnis auch noch pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben: Das sind Aufgaben, zu deren Wahrnehmung („ob”) die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist; die Art und Weise der Aufgabenerfüllung („wie”) jedoch wird der Gemeinde zur freien Ausgestaltung überlassen.

4. G unterliegt bei der Änderung des Ortswappen der Rechtsaufsicht.

Ja, in der Tat!

Aufgaben im eigenen Wirkungskreis bzw. freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wie die Änderung des Ortswappen unterliegen lediglich der Rechtsaufsicht. R kann die Änderung des Ortswappens auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen.

5. G hat das Ortswappen ohne die gesetzlich erforderliche Beteiligung der Rechtsaufsichtsbehörde geändert. Kann R im Wege der Rechtsaufsicht Informationen über die Änderung des Ortswappens einholen und seine fehlende Beteiligung beanstanden?

Ja!

Die Gemeindeordnungen der Länder stellen der Rechtsaufsicht insbesondere folgende Maßnahmen zur Verfügung: (1) Informationsrechte zur Aufklärung des Sachverhalts; (2) Beanstandungsrechte, mit denen die Behörde rechtswidrig gefasste Beschlüsse und Anordnungen rügen sowie verlangen kann, dass hierauf beruhende Maßnahmen rückgängig gemacht werden; (3) Anordnungsrechte, mit denen die Behörde die Gemeinde zur Vornahme einer bestimmten Maßnahme innerhalb einer angemessenen Frist verpflichten kann; (4) Ersatzvornahmen bzw. Selbsteintrittsrechte, mit denen die Behörde bereits angeordnete Maßnahmen eigenständig durchführen oder zur Durchführung auf einen Dritten übertragen kann; (5) Bestellung eines Beauftragten zur Wahrnehmung kommunaler Aufgaben bei erheblichen Mängeln im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit der Ausübung der Verwaltungsaufgaben durch die Gemeinde; (6) Vorzeitige Beendigung der Amtszeit eines Bürgermeisters bei erheblichen Missständen in der Verwaltung und unvertretbarer Weiterführung des Amtes. R kann sich aufgrund seines Informationsrechts zur näheren Sachverhaltsaufklärung zunächst über den Änderungsvorgang informieren. Auch kann R sein Beanstandungsrecht ausüben und die fehlende Beteiligung des Rechtsaufsichtsbehörde rügen sowie von G verlangen, dass die Änderung des Wappen rückgängig gemacht wird. Neben den genannten repressiven Maßnahmen, die nach Vollendung des jeweiligen Rechtsakts ansetzen, wird die Effektivität der Rechtsaufsicht auch über präventive Maßnahmen sichergestellt, wie z.B. Anzeigepflichten, Beratungspflichten und Genehmigungsvorbehalte, nach Maßgabe der Gemeindeordnungen der Länder. In kommunalaufsichtsrechtlichen Klausuren werden immer repressive Maßnahmen der Aufsicht im Zentrum stehen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IS

IsiRider

1.12.2023, 15:38:30

Wo sind die Maßnahmen der Rechtsaufsicht gesetzlich verankert? In der jeweiligen Gemeindeordnung? Oder muss man das auswendig lernen? Die Unterscheidung monistisch/dualistisch finde ich immer noch verwirrend. Ein anderer Aufgabentyp fände ich da hilfreich.

JCF

JCF

4.12.2023, 19:30:39

Also in Bayern sind die Informationsrechte in Art. 111 GO, die Beanstandungs- und Anordnungsrechte in Art. 112 GO, die Ersatzvornahme in Art. 113 GO und die Bestellung eines Beauftragten in Art. 114 GO geregelt. Ich nehme an, dass es in den anderen Bundesländern ähnlich ist.

LARA

Lara

15.1.2024, 13:37:49

In RLP sind es die §§ 120 ff. GemO :)

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

29.2.2024, 11:43:39

Hallo @[IsiRider](24300), danke für Deine Frage, und danke für Eure Anmerkungen @[JCF](53331) und @[Lara](23827). Die Maßnahmen der Rechtsaufsicht sind in der jeweiligen Gemeindeordnung verankert, wie in den Beispielen in der Aufgabe benannt oder auch von JCF und Lara erwähnt. Hoffe das hilft! Zur Unterscheidung monistisch/dualistisch fügen wir zeitnah noch Aufgaben weiter vorne bei den Grundlagen des Kommunalrechts hinzu. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team


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