Strafrecht

Strafprozessrecht

Verfahrensgrundsätze (Prozessmaximen)

Das Gebot des fairen Strafverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK)

Das Gebot des fairen Strafverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK)

27. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Gericht hat A wegen Drogenhandels verurteilt. Verdeckte Ermittler drängten sie zuvor monatelang intensiv, Drogen zu besorgen. Nach anhaltender Weigerung gab A schließlich widerwillig nach. As Verteidigerin argumentiert, As Recht auf ein faires Verfahren sei verletzt worden.

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Einordnung des Falls

Das Gebot des fairen Strafverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hier könnte das sogenannte fair-trial-Prinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK) verletzt sein. Enthält das fair-trial-Prinzip ausdrücklich konkretisierte Ge- und Verbote?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) hergeleitete fair-trial-Prinzip enthält nach dem BVerfG keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote. Vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Fachgerichte ergibt, dass die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens im Ganzen nicht gegeben ist.Klare Konturen hat dieser Grundsatz nicht und so bleibt in der Klausur nur der Rückgriff auf die umfangreiche Rechtsprechung. Einen guten Überblick findest du bei Meyer-Goßner/Schmitt, 67.A. 2024, Einl. RdNr. 19 und Art. 6 EMRK RdNr. 4ff..
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2. Das fair-trial-Prinzip könnte verletzt sein, wenn der Angeklagte durch staatliche Akteure zur Tat verleitet wird.

Ja, in der Tat!

„Agent provocateur“ ist eine Person, die einen Verdächtigen zu einer Straftat veranlasst, um ihn dann wegen dieser Tat überführen zu können. Werden dabei die Grenzen des fair-trial-Prinzips überschritten, liegt eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vor. Die unzulässige Tatverleitung unterscheidet sich von legitimen polizeilichen Strategien dadurch, dass die staatlichen Akteure emotionalen oder sonstigen Druck ausüben, die Initiative ergreifen oder ein Angebot zur Tatbegehung trotz Ablehnung erneuern oder insistieren. Unzulässig ist es bereits, wenn die Polizei sich nicht auf eine passive Rolle beschränkt, sondern aktiv zur Tat verleitet.Eine umfassende Darstellung findest du bei Meyer-Goßner/Schmitt, 67.A. 2024, Art. 6 EMRK RdNr. 4a.

3. Vorliegend ist die Grenze zulässiger Tatprovokation überschritten und es liegt ein Verstoß gegen das fair-trial-Prinzip vor.

Ja!

Ein Konflikt mit dem fair-trial-Prinzip besteht, wenn die staatlichen Akteure Druck ausüben, die Initiative ergreifen oder ein Angebot zur Tatbegehung trotz Ablehnung erneuern oder insistieren. Unzulässig ist es, wenn die Polizei sich nicht auf eine passive Rolle beschränkt, sondern aktiv zur Tat verleitet.Da die Beamten hier A monatelang bearbeiten, um ihren Widerstand zu brechen, liegt eine intensive Einflussnahme vor. A war nicht tatgeneigt und handelte bei der Verschaffung der Drogen nur unter dem Druck der Beamten. Damit ist die Grenze zulässiger Tatprovokation überschritten und es liegt ein Verstoß gegen das fair-trial-Prinzip vor.

4. Der BGH tendierte in seiner bisherigen Rechtsprechung dazu, die rechtsstaatswidrige Tatprovokation in der Strafzumessung zu kompensieren (Strafzumessungslösung).

Nein, das ist nicht der Fall!

Zu den Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation, gibt es verschiedene Ansätze. Der BGH nahm lange Zeit nur in besonders schweren Fällen ein Verfahrenshindernis an. Regelmäßig sollte aber eine Kompensation durch Anrechnung auf die Strafhöhe (Strafzumessungslösung) ausreichen. Hier muss die Kompensation in der Strafzumessung genau beziffert werden.Dieses Vorgehen erachtete das BVerfG für verfassungsgemäß.

5. In neuerer Rechtsprechung zeigt der BGH aber die Tendenz, generell ein Verfahrenshindernis anzunehmen.

Ja, in der Tat!

Der EGMR entschied, dass das Verfahren nur fair im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK sei, wenn die durch die Provokation erlangten Beweismittel nicht verwertet werden oder das Gericht eine ähnliche Konsequenz zieht, welche genau so wirkt, wie ein Beweisverwertungsverbot (z.B. die Annahme eines Verfahrenshindernisses). In der Folge zeigt nun auch der BGH zusehends die Tendenz, die Strafzumessungslösung nicht mehr anzuwenden und stattdessen generell ein Verfahrenshindernis anzunehmen.Dies folgt daraus, dass deutsche Gerichte in der Auslegung der Gesetze an die Entscheidungen des EGMR grundsätzlich gebunden sind und eine Abweichung hiervon besonders begründen müssen (mehr dazu hier).So wird es sich auch in der Klausur anbieten, letztlich unter Verweis auf die EGMR-Rechtsprechung ein Verfahrenshindernis anzunehmen
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