Kausalität der Beihilfehandlung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A will Diamanten aus einem Museum stehlen. Dafür leiht er sich von B deren professionelles Einbruchswerkzeug. Am Tag der Tat entscheidet sich A spontan doch dafür, nur seinen eigenen Hammer mitzunehmen. Mit diesem schlägt er die Vitrine ein und entnimmt die Diamanten.

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Einordnung des Falls

Kausalität der Beihilfehandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat sich wegen Diebstahls strafbar gemacht, indem er die Diamanten aus dem Museum entwendet hat (§ 242 Abs. 1 StGB).

Ja!

Die Diamanten sind eine fremde, bewegliche Sache, die A weggenommen hat. Dies geschah vorsätzlich und mit der Absicht rechtswidriger Zueignung.
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2. B könnte sich wegen Beihilfe zum Diebstahl strafbar gemacht haben, indem sie A ihr Einbruchswerkzeug für die Tat lieh (§§ 242 Abs. 1, 27 StGB).

Genau, so ist das!

Dafür müsste B durch das Ausleihen des Einbruchswerkzeugs A zu seiner vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat Hilfe geleistet haben. Zudem müsste sie mit doppeltem Gehilfenvorsatz gehandelt haben.

3. War die Hilfe durch B kausal für den Diebstahl des A?

Nein, das trifft nicht zu!

Kausalität im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel ist jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.A hat statt des geliehenen EInbruchswerkzeugs seinen eigenen Hammer genutzt. Hätte B dem A ihr Einbruchswerkzeug nicht ausgeliehen, wäre der Erfolg trotzdem in derselben Gestalt eingetreten. Die Handlung der B war damit nicht kausal für den Taterfolg.

4. Der Tatbeitrag des Gehilfen muss unstrittig kausal für die Haupttat sein, damit ein Hilfeleisten iSd § 27 StGB vorliegt.

Nein!

Nach der Rechtsprechung des BGH ist für ein „Hilfeleisten” nicht nötig, dass der Beitrag kausal für die Haupttat ist, solange die Haupttat auf irgendeine Weise gefördert wird (sog. Förderungstheorie). Die herrschende Lehre verlangt hingegen, dass der Tatbeitrag ursächlich geworden ist (Kausalitätstheorie). Dafür reiche aber bereits eine Erleichterung, Intensivierung oder Absicherung der Haupttat. Nach der Risikoerhöhungslehre ist zwar keine Kausalität erforderlich, der Tatbeitrag muss jedoch das Risiko für das angegriffene Rechtsgut erhöhen.

5. Nach der Kausalitätstheorie der herrschenden Lehre hat B Hilfe geleistet (§ 27 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Vertreter der Kausalitätstheorie verlangen hingegen, dass der Tatbeitrag ursächlich geworden ist. Dafür reiche aber bereits eine Erleichterung, Intensivierung oder Absicherung der Haupttat. Das Ausleihen des Werkzeugs ist in keiner Weise kausal für den Taterfolg geworden und hat die durchgeführte Tat in keiner Weise erleichtert, intensiviert oder abgesichert. Eine Beihilfestrafbarkeit ist nach der Kausalitätstheorie abzulehnen.

6. Nach der Risikoerhöhungslehre hat B Hilfe geleistet (§ 27 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Nach der Risikoerhöhungslehre ist zwar keine Kausalität erforderlich, der Tatbeitrag muss jedoch das Risiko für das angegriffene Rechtsgut erhöhen.A hat das Werkzeug nicht mit zum Tatort genommen. Dementsprechend wurde das Risiko für die Diamanten gestohlen zu werden, hierdurch nicht erhöht (Risikoerhöhungslehre).

7. Nach der Förderungstheorie des BGH hat B Hilfe geleistet (§ 27 StGB).

Ja!

Nach dem BGH ist für ein „Hilfeleisten” nicht nötig, dass der Beitrag kausal für die Haupttat ist, solange die Haupttat auf irgendeine Weise gefördert wird (sog. Förderungstheorie).A hat die Tat zunächst mit dem Einbruchswerkzeug geplant. Zumindest im Vorbereitungsstadium der Tat war Bs Handlung damit förderlich, was für eine Beihilfestrafbarkeit nach der Förderungstheorie genügt.

8. Weil die Theorien im vorliegenden Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist ein Streitentscheid nötig.

Genau, so ist das!

Für die Förderungstheorie spricht, dass § 27 StGB bereits das „Hilfeleisten” und damit die bewusste Komplizenschaft unter Strafe stellen will. Der Taterfolg muss dem Gehilfen dafür nicht als „sein” Werk zugerechnet werden. Jedoch weitet diese Theorie die Beihilfestrafbarkeit erheblich aus. Es besteht das Risiko, dass aus einer straffreien versuchten Beihilfe eine strafbare vollendete Beihilfe wird. Gleiches gilt für die Risikoerhöhungslehre, die zudem kein trennscharfes Abgrenzungskriterium anbietet. Gegen die Kausalitätstheorie spricht hingegen, dass sich Kausalität bei psychischer Beihilfe wohl häufig nicht nachweisen lasse. Damit entstünden Strafbarkeitslücken bei strafwürdigem Unrecht.Beachte: Lehnst Du eine Strafbarkeit mangels effizienter Förderung der Erfolgsherbeiführung ab, kommt mitunter eine psychische Beihilfe in Betracht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Philipp M.

Philipp M.

21.1.2024, 21:00:42

was spricht dafür, die Kausalität in der Förderungstheorie des BGH als nicht zwingend notwendig anzusehen? m.a.W.: was wären Argumente im Streitentscheid für diese Theorie?

Philipp M.

Philipp M.

21.1.2024, 21:02:09

PS: ja, hab selber gemerk das es bei der letzten Frage in der Erklärung steht 😂


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