Anforderungen an die Vollendung der Wegnahme beim Raub


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T und M wollen O überfallen. Als O die Tür seiner Wohnung öffnet, schlägt T ihm - wie geplant - mit einem mit Quarzsand verstärkten Handschuh ins Gesicht. M hält O fest, während T sich Bargeld schnappt. Als die Nachbarn zu Hilfe eilen, fliehen sie durchs Treppenhaus. Da die Hauseingangstür zwischenzeitlich verschlossen wurde, werden sie geschnappt.

Einordnung des Falls

Anforderungen an die Vollendung der Wegnahme beim Raub

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T und M könnten sich des mittäterschaftlichen Raubs strafbar gemacht haben (§§ 249 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB).

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Genau, so ist das!

Der Raub ist ein zweiaktiges Delikt, das alle Elemente der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) und des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) enthält. Objektiv setzt der Raub daher (1) die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache sowie (2) den Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels voraus. Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des (3) raubspezifischen Zusammenhangs verknüpft diese Elemente miteinander und charakterisiert den Unrechtsgehalt des Raubs.

2. Haben T und B Gewalt gegen eine Person eingesetzt (§ 249 Abs. 1 StGB)?

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Ja, in der Tat!

Gewalt iSd § 249 StGB ist jede körperliche Tätigkeit, durch die körperlich wirkender Zwang ausgeübt wird, um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Gewalt gegen eine Person bedeutet, dass die Gewaltanwendung unmittelbar oder mittelbar auf den Körper des Opfers bezogen sein muss.T hat O direkt ins Gesicht geschlagen und M ihn so festgehalten, dass er sich nicht mehr regen konnte. Beide haben somit Gewalt angewendet. Der Einsatz der Gewalt diente auch dazu, die geplante Wegnahme des Geldes zu ermöglichen (Finalität).

3. Neben dem Einsatz von Gewalt bedarf es zur Vollendung des objektiven Tatbestandes des Raubs auch einer vollendeten Wegnahme (§ 249 Abs. 1 StGB).

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Ja!

Wie der Diebstahl auch, bedarf es zur Vollendung des Raubs der Wegnahme. Eine vollendete Wegnahme liegt vor, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Das ist der Fall, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen.

4. Da T und M noch im Treppenhaus des Mehrparteienhauses geschnappt wurden, liegt lediglich ein versuchter und kein vollendeter Raub vor.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Wegnahme ist vollendet, wenn fremder Gewahrsam gebrochen und neuer Gewahrsam begründet ist. Maßgeblich hierfür sind die Anschauungen des täglichen Lebens. Bei leicht beweglichen Sachen genügt regelmäßig schon ein Ergreifen und Festhalten bzw. das offene Wegtragen als Wegnahmehandlung. Spätestens aber, wenn der Täter den umschlossenen Herschaftsbereich des bisherigen Gewahrsamsinhaber verlassen hat, hat er in diesen Fällen ausschließliche Sachherrschaft.Spätestens als T die Wohnung verließ, hat er Os Herrschaftsbereich verlassen. Unschädlich ist insofern, dass er es nicht mehr aus dem Haus geschafft hat.

5. Da M selbst nichts mitgenommen hat, scheidet eine Strafbarkeit wegen Raubs für ihn aus (§ 25 Abs. 2 StGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Handeln mehrere Personen als Mittäter, so werden den Mittätern diejenigen Tatbeiträge der anderen wechselseitig zugerechnet, die im Rahmen des bewussten und gewollten Zusammenwirkens erbracht werden. Mittäterschaft liegt bei gemeinschaftlicher Tatbegehung aufgrund eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens vor. Erforderlich ist also (1) ein gemeinsamer Tatentschluss und (2) die gemeinsame Tatausführung. T und M haben den Überfall gemeinsam geplant. M übernahm bei der Ausführung auch einen wesentlichen Tatbeitrag, sodass er ebenfalls Tatherrschaft hatte. T und M haben als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) gehandelt. Die Wegnahme des Geldes durch T wird M somit als eigene Tat zugerechnet.

6. Haben T und M auch den subjektiven Tatbestand erfüllt (§ 249 Abs. 1 StGB)?

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Ja!

Im subjektiven Tatbestand verlangt der Raub Vorsatz sowie die Absicht rechtswidriger Zueignung. Erforderlich ist dafür der Enteignungsvorsatz als der Vorsatz (mindestens dolus eventualis) dauerhafter Enteignung sowie die Aneignungsabsicht als die Absicht der (zumindest) vorübergehenden Aneignung. Die Zueignung muss zudem rechtswidrig sein. T und M handelten vorsätzlich und mit der Absicht, sich das Geld rechtswidrig zuzueignen. Es sind weder Rechtfertigungs- noch Entschuldigungsgründe erkennbar. Sie haben sich des Raubs nach § 249 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

7. Durch den Schlag mit dem Quarzhandschuh haben T und M zudem ein gefährleiches Werkzeug verwendet (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB).

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Genau, so ist das!

Anders als beim Beisichführen nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB setzt § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Verwendung voraus. Die Rechtsprechung legt das gefährliche Werkzeug in diesem Fall wie bei der gefährlichen Körperverletzung aus (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB). Ein gefährliches Werkzeug ist danach ein Gegenstand, der nach seiner konkreten Verwendungsart im Einzelfall dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Ein „Verwenden“umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Der Quarzhandschuh hat die Wucht des Schlages deutlich verstärkt. Der Einsatz erleichterte die Wegnahme. M und T handelten auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.Deutlich umstrittener ist die Auslegung dagegen, wenn der Täter das Werkzeug nur beisichführt. Denn der Gesetzgeber hatte hier nicht bedacht, dass ein Rückgriff auf die Verwendungsart hier ausscheidet.

8. T und M haben sich weiterhin wegen gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 und 4 StGB strafbar gemacht haben.

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Ja, in der Tat!

T und M haben O mittäterschaftlich körperlich misshandelt, indem T - mit Wissen und Billigung des M - O mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat. Dabei haben T und M ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend ein gefährliches Werkzeug (Quarzahandschuhe) eingesetzt.(Gefährliche) Körperverletzung und Raub stehen zueinander in Idealkonkurrenz (§ 52 StGB).

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