Examensrelevante Rechtsprechung

Rechtsprechung Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub, u.a.

Einbruch in die Wohnung eines Verstorbenen - Konkurrenz zwischen versuchtem schweren Wohnungseinbruchsdiebstahl und Wohnungseinbruchsdiebstahl

Einbruch in die Wohnung eines Verstorbenen - Konkurrenz zwischen versuchtem schweren Wohnungseinbruchsdiebstahl und Wohnungseinbruchsdiebstahl

4. Juli 2025

22 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T dringt durch das verschlossene Fenster in Rs Einfamilienhaus ein. Sie geht davon aus, dass es bewohnt ist. Sie nimmt ein wertvolles Gemälde mit. Tatsächlich ist der alleinige Bewohner R wenige Tage zuvor gestorben. Alleinerbin E hatte das Haus bislang nur gesichtet, nicht aber ausgeräumt.

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Einordnung des Falls

Einbruch in die Wohnung eines Verstorbenen - Konkurrenz zwischen versuchtem schweren Wohnungseinbruchsdiebstahl und Wohnungseinbruchsdiebstahl

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer Berlin/Brandenburg 2024

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T könnte sich des Wohnungseinbruchsdiebstahls strafbar gemacht haben (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB).

Genau, so ist das!

Wer zur Ausführung des Diebstahls, also der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, in eine Wohnung einbricht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Bei Qualifikationen steht es Dir frei, diese gemeinsam mit dem Grunddelikt zu prüfen. Gerade, wenn es auf Ebene der Rechtswidrigkeit und Schuld keine Probleme gibt, kann sich dies anbieten.
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2. Ist Rs Gemälde durch seinen Tod herrenlos geworden, sodass ein Diebstahl ausscheidet (§ 242 Abs. 1 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Diebstahl ist nur an fremden Sachen möglich.Eine Sache ist für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Die Fremdheit der Sache bestimmt sich ausschließlich nach den Regeln des BGB (=Zivilrechtsakzessorietät).Ursprünglicher Eigentümer des Gemäldes war R. Durch seinen Tod geht sein gesamtes Eigentum, also auch das Gemälde, auf seine Alleinerbin im Wege der Universalsukzession über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Das Gemälde ist somit nicht herrenlos und für T fremd.

3. Auch die Frage, ob ein Erbe Gewahrsamsinhaber ist, bestimmt sich nach den zivilrechtlichen Regelungen.

Nein!

Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob und wessen Gewahrsam besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalles und den Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beurteilen. Der strafrechtliche Gewahrsam darf dabei nicht mit dem zivilrechtlichen Besitzbegriff gleichgesetzt werden, auch wenn häufig ein Gleichlauf besteht.So kann z. B. der zivilrechtliche Nichtbesitzer strafrechtlichen Gewahrsam innehaben (z. B. Besitzdiener, § 855 BGB). Gleichzeitig kann zivilrechtlich Besitz vorliegen, während es am strafrechtlichen Gewahrsam fehlt (z. B. Erbenbesitz, § 857 BGB).

4. Hat T das Bild durch die Mitnahme „weggenommen“ (§ 242 Abs. 1 StGB)?

Genau, so ist das!

Wegnahme bedeutet den Bruch fremden Gewahrsams und die Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams. Fremder Gewahrsam wird gebrochen, wenn die Gewahrsamsverschiebung gegen oder ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers erfolgte. Mit Rs Tod hat E zunächst lediglich Besitz, nicht aber Gewahrsam an dem Gemälde erhalten (§ 857 BGB). E dokumentierte durch den Hausbesuch aber, dass sie neue Sachherrschaft ausübte. Sie war damit Gewahrsamsinhaberin des Gemäldes geworden. Durch die Mitnahme des Bildes hat T sie ohne ihre Zustimmung aus dieser Sachherrschaftsposition verdrängt. T hat damit Es Gewahrsam gebrochen und eigenen Gewahrsam begründet. Somit hat T das Bild weggenommen.

5. Ist die Wohnungseigenschaft des Hauses iSv § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB nach der Rechtsprechung des BGH entfallen, weil R zum Zeitpunkt der Tat schon verstorben war?

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Eine als Wohnstätte voll funktionsfähige Unterkunft behalte ihre Eigenschaft als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch nach dem Tod des Bewohners, sofern sie nicht entwidmet wird (RdNr. 13). Dem stehe weder der Wortlaut, die Systematik noch der Sinn und Zweck der Norm entgegen. Insbesondere könnten die von der Vorschrift geschützten Rechtsgüter (Eigentum an höchstpersönlichen Gegenständen und häusliche Integrität) verletzt sein, wenn die Diebstahlobjekte neben den aktuellen Bewohnern auch anderen Personen zuzuordnen sind.Auch nach Rs Tod handelt es sich somit um eine Wohnung. In diese ist T eingebrochen. T handelte vorsätzlich. Zudem hatte T Zueignungsabsicht und handelte rechtswidrig und schuldhaft. Mehr zu den einzelnen Argumenten findest Du in der Besprechung von BGH, Beschl. v. 22.01.2020 - 3 StR 526/19.

6. Hat sich T damit auch des Einbruchs in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung strafbar gemacht (§ 244 Abs. 4 StGB)?

Nein!

Ein unbewohntes, dauerhaft verlassenes, Wohnhaus ist nach der Rechtsprechung des BGH keine dauerhaft genutzte Privatwohnung, sondern nur eine Wohnung (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB). Dafür sprächen Wortlaut und auch Sinn und Zweck: Beide Qualifikationstatbestände fänden ihre Rechtfertigung darin, dass ein Wohnungseinbruchdiebstahl einen schweren Eingriff in die Privatsphäre darstellt, der eine massive Schädigung des Sicherheitsgefühls der Opfer zur Folge haben kann. Die höhere Strafe von § 244 Abs. 4 StGB – für den auch kein minder schwerer Fall vorgesehen ist – sei nur gerechtfertigt, weil der Eingriff noch intensiver ist, wenn die Wohnung tatsächlich bewohnt ist.Da die Wohnung nicht mehr bewohnt war, scheidet ein vollendeter Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung aus.

7. T hat sich allerdings des versuchten Einbruchs in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung strafbar gemacht (§§ 244 Abs. 4, 22, 23 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Der Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung stellt aufgrund der Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe ein Verbrechen dar (§ 12 Abs. 1 StGB), dessen Versuch strafbar (§ 23 Abs. 1 StGB). Bei dem (fehlgeschlagenen) Versuch ist zu beachten, dass es nicht auf die objektiven Umstände, sondern auf die Vorstellung des Täters beim unmittelbaren Ansetzen ankommt (§ 22 StGB).T wusste nichts von Rs Tod. Auch war das Haus noch möbliert. Insofern war sie entschlossen, in eine dauerhaft genutzte Wohnung einzubrechen. Hierzu hat sie unmittelbar angesetzt, indem sie sich Zutritt verschaffte und das Gemälde mitnahm. T hat auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

8. Verdrängt der versuchte Einbruch in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung den vollendeten Wohnungseinbruchsdiebstahl im Wege der Gesetzeskonkurrenz?

Nein, das trifft nicht zu!

Gesetzeskonkurrenz ist gegeben, wenn der Unrechtsgehalt der Verletzung eines Straftatbestands über einen ebenfalls verletzten weiteren Straftatbestand zwangsläufig miterfasst wird. Werden durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt, ist grundsätzlich von Tateinheit auszugehen (§ 52 StGB). Die Ausnahme von diesem Grundsatz bilden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit. Diese ist gegeben, wenn zur Erfassung des Unrechtsgehalts der Tat die Anwendung bereits eines Tatbestands ausreicht, hinter dem die übrigen Tatbestände zurücktreten.Der schwere Wohnungseinbruchsdiebstahl ist gegenüber dem einfachen Wohnungseinbruchsdiebstahl spezieller, sodass er diesen grundsätzlich verdrängt. Hier wurde er allerdings lediglich versucht. Deshalb tritt der Wohnungseinbruchsdiebstahl aus Klarstellungsgründen daneben. Sonst würde aus dem Schuldspruch nicht klar, dass zumindest das „Grunddelikt“ vollendet wurde. T hat sich also nach §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3; 244 Abs. 4, 22, 23 Abs. 1; 52 StGB strafbar gemacht.
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