Klausurklassiker Vertragsschluss: „eBay-Fälle“

21. Mai 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Lawra hat gehört, dass die Prüfungsämter im Assessorexamen die sog. „eBay-Fälle“ lieben. L will sich einen Überblick darüber verschaffen, welche Punkte sie hier besonders auf dem Schirm haben muss.

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Einordnung des Falls

Klausurklassiker Vertragsschluss: „eBay-Fälle“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Besonderheiten der „eBay-Fälle“ muss man regelmäßig beim Thema Vertragsschluss beachten. Enthält das BGB spezielle Normen dazu, wie ein Vertrag im Internet zustande kommt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das beliebteste „Problem“ zum Thema Vertragsschluss sind die „eBay-Fälle“, also das Zustandekommen eines Kaufvertrags im Internet bzw. i.R.e. Onlineauktion. Du findest das Thema im Grüneberg, BGB, 83.A. 2024, § 156 RdNr. 3. Auch im Internet richtet sich der Vertragsschluss nach den allgemeinen Regeln der §§ 145ff. BGB. Wichtig: Bei einer Onlineauktion handelt es sich nicht um einen Fall der echten Versteigerung nach § 156 S. 1 BGB. Wenn sich der Klausursachverhalt im Internet abspielt, solltest Du immer (zumindest kurz) darauf eingehen, ob und wie ein Vertrag zustande gekommen ist. Wie genau der Vertrag zustande kommt, richtet sich nach der Art der Onlineplattform. Bei Onlineshops ist das Freischalten der Angebotsseite i.d.R. nur eine invitatio ad offerendum. Damit kommt das Angebot regelmäßig vom Käufer, der auf „Bestellen“ klickt. Die Annahme erfolgt durch den Verkäufer. Anders auf Auktionsplattformen (wie eBay), wo i.d.R. durch Auslegung unter Beachtung der AGB der Plattformen der Rechtsbindungswille des einstellenden Verkäufers angenommen wird. Der Vertrag kommt durch Annahme des Höchstbietende mit Abschluss der Auktion zustande.
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2. Problematisch sind sog. Scheingebote eines Dritten. Könnten diese nach § 117 Abs. 1 BGB unwirksam sein?

Ja, in der Tat!

Wenn ein Dritter ein Gebot in Absprache mit dem Verkäufer nur abgibt, um den Auktionspreis in die Höhe zu treiben, handelt es sich um ein Scheingeschäft. Dieses ist nach § 117 Abs. 1 BGB unwirksam. Zudem sind auch Eigengebote des Verkäufers (sog. Shill Bidding) – ähnlich wie bei In-Sich-Geschäften (§ 181 BGB) – unwirksam. Die Rspr. begründet dies damit, dass sich die Willenserklärung des Verkäufers nicht an einen „anderen“ (§ 145 BGB) richtet.

3. Die von eBay veröffentlichten AGB beinhalten Grundsätze zum Verkauf auf der Plattform. Gelten die AGB unmittelbar zwischen dem Käufer und dem Verkäufer?

Nein!

Wer sich ein Konto auf einer Auktionsplattform wie eBay erstellt, muss i.d.R. den AGB der Plattform zustimmen. Dies führt aber nur dazu, dass die AGB zwischen eBay und den Parteien gelten. Weil die AGB von eBay und nicht vom Verkäufer oder Käufer gestellt werden, gelten die AGB und die §§ 305ff. BGB nicht für den Kaufvertrag. Allerdings kann man die AGB als Auslegungsgrundlage bezüglich der Willenserklärungen der Parteien heranziehen. Du musst die AGB also mittelbar berücksichtigen. Hier solltest Du unbedingt deutlich machen, dass Du weißt, dass diese nicht Vertragsbestandteil des Kaufvertrags geworden sind. Lasse hier am besten auch das Stichwort „Auslegungsgrundlage“ fallen. Dass Du auf die AGB eingehen musst, erkennst Du bereits daran, dass sie in Deiner Klausur mit abgedruckt werden.

4. Benutzt ein Dritter das Benutzerkonto eines anderen, muss man sich damit beschäftigen, ob er „unter“ oder „im“ fremden Namen handelt.

Genau, so ist das!

Die Abgrenzung ist relevant für die Frage, wer Vertragspartei geworden ist. Das Handeln „im fremden Namen“ i.S.v. § 164 BGB setzt voraus, dass der Handelnde nach außen erkennbar deutlich macht, dass er für einen anderen tätig wird. Ist dies nicht der Fall, liegt nur ein Handeln „unter fremden Namen“ vor. Handelt jemand unter fremden Namen, so muss man unterscheiden, ob eine Identitätstäuschung beim Vertragspartner vorliegt oder nicht. Eine solche ist gegeben, wenn es dem Vertragspartner gerade auf die konkrete Identität des anderen ankommt, er also nur mit dieser Person den Vertrag schließen will. Ist dies der Fall, kommt der Vertrag nach §§ 164ff. BGB analog (nur) mit dem echten Namensträger zustande. Ist der Namensträger nicht wichtig, handelt es sich dagegen um ein Eigengeschäft des Dritten.

5. Oft brechen Verkäufer die Auktionen ab, wenn sie merken, dass sie nicht den gewünschten Verkaufspreis erreichen können. Kommt in diesen Fällen nie ein Kaufvertrag zustande?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein weiterer Klassiker ist die Konstellation, in der bereits Gebote abgegeben wurden, sich der Verkäufer aber vor Ende der Auktion entscheidet, diese abzubrechen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und mit wem ein Vertrag zustande gekommen ist. Bei einem vorzeitigen Abbruch der Auktion kommt zunächst der Kaufvertrag mit demjenigen zustande, der zum Zeitpunkt des Abbruchs das höchste Gebot abgegeben hatte. Denn das Einstellen der Auktion ist bereits die Abgabe des Angebots durch den Verkäufer, gerichtet auf die Annahme durch den Höchstbietenden. Dieses Angebot besteht unabhängig davon, wann und wie die Auktion endet. Ob die Vertragsparteien an ihre abgegebenen Willenserklärungen gebunden sind oder diese nachträglich aus der Welt schaffen können, richtet sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 116ff., 119ff., 130, 138, 242, 313 BGB). Zudem ergibt die Auslegung der Willenserklärungen i.V.m. den eBay AGB, dass die Willenserklärungen zurückgenommen werden dürfen, wenn ein „berechtigter Rücknahmegrund“ aus den AGB gegeben ist. Arbeite hier sauber die in Betracht kommenden Loslösungsrechte ab. Bei sog. „Abbruchjägern“, deren Ziel nicht der Kauf der Ware, sondern der Abbruch der Auktion und ein daraus entstehender Schadensersatz ist, wird regelmäßig die Einrede des § 242 BGB greifen.
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Eine Besprechung von:
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