Fällt ein Grabstein unter § 811 Abs. 1 Nr. 1d ZPO?

16. Juli 2025

5,0(53 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Steinmetz S hat für die E einen Grabstein angefertigt (Wert: €1000) und unter Eigentumsvorbehalt am Grab von Es Oma aufgestellt. Als E hierfür nicht bezahlt, erstreitet S einen Zahlungstitel und beantragt die Pfändung des Grabsteins. Gerichtsvollzieher G fragt sich, ob er das darf. ‌

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Fällt ein Grabstein unter § 811 Abs. 1 Nr. 1d ZPO?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da S vorliegend einen Zahlungstitel durch Sachpfändung vollstrecken möchte, gelten die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO.

Ja, in der Tat!

Die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO gelten bei Sachpfändungen nach § 808 ZPO, das heißt bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in körperliche Sachen (§§ 808ff. ZPO). G soll eine Geldforderung gegen E durch eine Sachpfändung vollstrecken. Die Pfändungsverbote des § 811 ZPO finden daher grundsätzlich Anwendung. Anders läge es, wenn S vom Vertrag mit E nach § 323 BGB zurücktreten (Rücktrittsgrund: ausbleibende Zahlung als Nichterfüllung der vertraglichen Pflicht) und für seinen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Grabsteins (vgl. § 449 Abs. 2 BGB) einen Titel erwirken und vollstrecken lassen würde. Denn bei der Herausgabevollstreckung (§§ 883ff. ZPO) finden die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO keine Anwendung.
Die ZVR-Klausur-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Die ZVR-Klausur-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Fällt der Grabstein, den S für E angefertigt hat, unter das Pfändungsverbot nach § 811 Abs. 1 Nr. 1d ZPO?

Nein!

Nach § 811 Abs. 1 Nr. 1d ZPO sind Sachen, die zur Ausübung von Religion oder Weltanschauung oder als Gegenstand religiöser oder weltanschaulicher Verehrung benötigt werden und deren Wert €500 nicht übersteigt nicht pfändbar. Ein Grabstein hat zwar einen religiösen Bezug. Er dient jedoch eher dem Andenken an einen Verstorbenen als der Religionsausübung. Ferner übersteigt vorliegend der Wert des Grabsteins (€1.000) die Wertgrenze von €500. Der BGH hat bereits über einen ähnlichen Fall entschieden. Da es damals § 811 Abs. 1 Nr. 1d ZPO noch nicht gab, war die zentrale Frage, ob ein Grabstein unter § 811 Abs. 1 Nr. 13 ZPO a.F. fällt bzw. „zur unmittelbaren Verwendung für die Bestattung bestimmt“ ist. Dies verneinte der BGH, da ein Grabstein „nicht unmittelbar der Bestattung, sondern dem Andenken an Verstorbene diene“.

3. Die Rspr. stellt teilweise auf „übergesetzliche Pfändungsverbote“ ab. Könnte sich ein solches in Bezug auf Grabsteine grundsätzlich aus Pietätsgründen ergeben?

Genau, so ist das!

Die Pfändungsverbote sind in § 811 ZPO geregelt. Es ist fraglich, ob es daneben auch ungeschriebene bzw. übergesetzliche Pfändungsverbote gibt. Bei einem Grabstein wäre beispielsweise ein „übergesetzliches Pfändungsverbot aus Pietätsgründen“ denkbar. Mit Wegfall des § 811 Abs. 1 Nr. 13 ZPO a.F. gibt es keinen Anknüpfungspunkt im Gesetz mehr, um ein Pfändungsverbot von Grabsteinen zu diskutieren. Das einzige, was Du hier noch diskutieren kannst, ist ein „übergesetzliches“ (ungeschriebenes) Pfändungsverbot. Das Thema das übergesetzlichen Pfändungsverbot taucht in den von uns gesichteten Quellen nur in diesem ganz speziellen Kontext der Grabsteine auf. Neben diesem „Klassiker“, musst Du zu dem Thema keine Details kennen.

4. Laut BGH unterliegt ein unter Eigentumsvorbehalt gelieferter Grabstein auch keinem „übergesetzliches Pfändungsverbot“. Unterliegt die Pfändung des Grabsteins bei E damit einem Pfändungsverbot?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Pfändungsverbote sind in § 811 ZPO geregelt. Es ist fraglich, ob es daneben auch ungeschriebene bzw. übergesetzliche Pfändungsverbote gibt. Bei einem Grabstein wäre beispielsweise ein „übergesetzliches Pfändungsverbot aus Pietätsgründen“ denkbar. Laut BGH gelte ein solches jedoch aber „jedenfalls dann nicht, wenn der Steinmetz den Grabstein unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat und wegen des Zahlungsanspruchs vollstreckt.“ Denn dann könnte der Steinmetz auch vom Vertrag zurücktreten (vgl. §§ 323, 449 Abs. 2 BGB), seinen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB titulieren und diesen anschließend uneingeschränkt nach § 883 ZPO vollstrecken. Er solle nicht schlechter stehen, wenn er nicht den Herausgabe-, sondern den Zahlungsanspruch verfolgt. S hat den Grabstein unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Daher kommt ein „übergesetzliches Pfändungsverbot aus Pietätsgründen“ hier von vornherein nicht in Betracht. Die Pfändung des Grabsteins unterliegt damit keinem Pfändungsverbot nach § 811 ZPO. In diesem Fall besteht die weitere Besonderheit, dass sich der Grabstein im Gewahrsam der Friedhofsverwaltung auf einem Grundstück befindet. Welche Vorschriften und Grundsätze Du hier beachten musst, schauen wir uns in der nächsten Aufgabe an!
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!

Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen