+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Rosalie (R) hat eine Baugenehmigung für Errichtung einer Gärtnerei erhalten. Nachbar N hasst den Geruch von Rosen und will das Vorhaben verhindern. N fragt sich, was er tun kann.
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Einordnung des Falls
Vorläufiger Rechtsschutz nach §§ 80, 80a bei Drittanfechtung (Einführungsfall)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. N könnte bei der zuständigen Behörde Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegen. Entfaltet der Widerspruch grundsätzlich auch dann aufschiebende Wirkung, wenn eine andere Person als der Adressat des Verwaltungsakts den Widerspruch einlegt?
Ja!
Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten grundsätzlich aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO). Dies gilt auch bei sog. Verwaltungsakten mit Doppelwirkung i.S.v. § 80a VwGO (§ 80 Abs. 1 S. 2 VwGO). Ein Verwaltungsakt mit „Doppelwirkung“ (besser: Drittwirkung) liegt immer dann vor, wenn ein Verwaltungsakt nicht nur den Adressaten in seinen Rechten betrifft, sondern auch einen Dritten. N ist nicht Adressat der Baugenehmigung, sondern R. Trotzdem möchte (und kann) N als Dritter grundsätzlich gegen die Baugenehmigung (= Verwaltungsakt) mit Widerspruch und Anfechtungsklage vorgehen.
Diese Konstellation der „Drittanfechtung” ist vor allem im Baurecht häufig gegeben, da bauliche Maßnahmen und die damit zusammenhängenden Verwaltungsakte i.d.R. auch die Nachbarn betreffen.
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2. Ns Widerspruch würde wegen § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Genau, so ist das!
§ 212a BauGB ist ein absoluter Klassiker einer Ausnahmeregelung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO. Geht es um baurechtliche Maßnahmen, solltest Du Dich immer kurz fragen, ob die Norm einschlägig ist. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO unter anderem dann, wenn ein Bundes- oder Landesgesetz dies vorsieht. Die bundesgesetzliche Norm des § 212a BauGB regelt, dass Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung entfalten. Ns Widerspruch gegen Rs Baugenehmigung (= bauaufsichtliche Zulassung i.S.v. § 212a BauGB) würde keine aufschiebende Wirkung entfalten.
3. N fragt sich, ob er erreichen kann, dass die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs angeordnet wird. Ist ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Dritte generell ausgeschlossen?
Nein, das trifft nicht zu!
Wenn ein Rechtsbehelf ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung entfaltet, gibt es die Möglichkeit eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht zu stellen (§ 80 Abs. 5 VwGO). Über § 80a Abs. 3 S. 2 VwGO ist auch in der Konstellation einer Drittanfechtung ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO möglich. Der Betroffene kann nach § 80a Abs. 1 bzw. Abs. 2 VwGO auch Anträge bei der Behörde stellen. Gegenstand der Klausur wird aber i.d.R. ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bei Gericht sein. 4. N will erreichen, dass sein Widerspruch aufschiebende Wirkung entfaltet. Kommt ein Antrag nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO in Betracht?
Ja!
Entfaltet der Rechtsbehelf eines Dritten ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung, so kann dieser über § 80a Abs. 3 VwGO einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen. Ns Widerspruch würde von vornherein wegen der gesetzlichen Ausnahmeregelung des § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung entfalten. Der richtige Antrag ist daher der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO). Es geht uns hier vor allem darum, Dir einen ersten Überblick über §§ 80, 80a VwGO zu verschaffen. Details schauen wir uns später an!
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