Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Einführung in das allgemeine Verwaltungsrecht

Materielle Privatisierung der Verwaltung (Gewährleistungsverwaltung)

Materielle Privatisierung der Verwaltung (Gewährleistungsverwaltung)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nachdem Lawra erfolgreich einen Stromvertrag mit der Stadtwerke GmbH abgeschlossen hat, überlegt sie, den Internetvertrag mit der Telekom AG abzuschließen. L liest, dass der Bund 30 % der Aktien an der AG hält.

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Einordnung des Falls

Materielle Privatisierung der Verwaltung (Gewährleistungsverwaltung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Erfüllt der Staat öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge in Privatrechtsform, liegt lediglich eine sog. formelle Privatisierung vor.

Ja, in der Tat!

Beherrscht der Staat die juristische Person des Privatrechts, verbleibt die von ihr wahrgenommene Aufgabe in öffentlicher Verantwortung. Der Staat bedient sich lediglich einer privatrechtlichen Organisationsform (sog. Verwaltungsprivatrecht bzw. formelle Privatisierung). Das Handeln der juristischen Person ist weiterhin als Staatshandeln und somit als Teil der öffentlichen Verwaltung einzustufen.
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2. Gibt der Staat einen Aufgabenbereich vollständig an Private ab, spricht man von der materiellen Privatisierung.

Ja!

Erfüllt der Staat Aufgaben der Verwaltung lediglich in Privatrechtsform, spricht man von Verwaltungsprivatrecht bzw. formeller Privatisierung. Findet dagegen eine echte Aufgabenverlagerung statt, liegt eine sog. materielle Privatisierung vor. Der Staat zieht sich hierbei komplett zurück und überlässt die bisher öffentlich wahrgenommene Aufgaben der Daseinsvorsorge der privaten Marktwirtschaft. Eine solche Privatisierung liegt vor, wenn der Staat das private Unternehmen nicht mehr beherrscht, also nicht mehr die überwiegenden Anteile an ihm hält. Die Telekom AG wurde schrittweise immer weiter privatisiert. Der Bund hält aktuell nur noch 30 % der Aktien und hat daher keine beherrschende Stellung.

3. Der Staat kann sich durch die materielle Privatisierung komplett aus der Verantwortung gegenüber der Bevölkerung stehlen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine materielle Privatisierung liegt vor, wenn der Staat bestimmte, bisher öffentlich wahrgenommene, Aufgaben der Daseinsvorsorge komplett der privaten Marktwirtschaft überlässt. Zwar ist der Staat nicht direkt für das Handeln der Privaten verantwortlich, weil er das Unternehmen - anders als bei der formellen Privatisierung - nicht beherrscht. Weil die privatisierten Aufgaben der Daseinsvorsorge aber im Interesse der Bevölkerung notwendig sind, muss der Staat durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass sie von den Privaten in ausreichendem Maße und in angemessener Weise wahrgenommen werden. Der Staat muss dementsprechend regulierend in das Marktgeschehen eingreifen (sog. Regulierungs- und Gewährleistungsverwaltungsrecht). Die Grenzen der materiellen Privatisierung sind umstritten. Es gibt Bereiche der öffentlichen Verwaltung, die der Staat nicht vollständig privaten Dritten überlassen darf. Dazu später mehr!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

J. Schulz

J. Schulz

28.8.2024, 14:17:11

Liebes Jura-Fuchs-Team, zu der vorliegenden Aufgabe könnte noch erwähnt werden, dass im Falle von AGs eine Dreiviertel-Mehrheit (75%) des gesamten vertretenen Kapitals notwendig ist, um Beschlüsse festzusetzen. Hierfür sind 25,1% der Gesamtaktienanzahl nötig. Da der Staat in diesem Fall sogar 30% des Gesamtkapitals besitzt, zieht er sich ganz und gar nicht aus den Angelegenheiten heraus, sondern ist immer noch ein durchaus wichtiger Entscheidungsträger der AG. Nur als eventuelle Ergänzung dazu. Ansonsten vielen Dank für die toll visualisierten Fälle und Aufgaben. Als Verwaltungsinformatiker fällt mir der Einstieg in die Rechtslehre so viel leichter! Viele Grüße


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