Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung, u.a.
Gemeinschaftlich begangene Körperverletzung bei wechselseitiger Abwesenheit der Täter? (BGH, Beschl. v. 15.11.2023, 1 StR 369/23)
Gemeinschaftlich begangene Körperverletzung bei wechselseitiger Abwesenheit der Täter? (BGH, Beschl. v. 15.11.2023, 1 StR 369/23)
15. April 2025
6 Kommentare
4,8 ★ (8.566 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A schlägt in seiner Wohnung auf seinen verhassten Nachbarn N ein. As Mitbewohner M kommt dazu und entschließt sich, N ebenfalls spüren zu lassen, dass M nichts von ihm hält. A findet das gut. A verlässt den Raum, woraufhin M auf N einschlägt. Später geht M. A kehrt zurück, um weiter auf N einzuprügeln.
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Einordnung des Falls
Gemeinschaftlich begangene Körperverletzung bei wechselseitiger Abwesenheit der Täter? (BGH, Beschl. v. 15.11.2023, 1 StR 369/23)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat sich wegen Körperverletzung strafbar gemacht, indem er auf N einschlug (§ 223 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine Strafbarkeit des M nach § 223 Abs. 1 StGB scheidet aus.
Nein, das trifft nicht zu!
3. A und M könnten sich zudem wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem sie beide auf N einschlugen (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB).
Ja!
4. A und M müsste die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen haben (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB).
Genau, so ist das!
5. Für die gemeinschaftliche Begehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) reicht aus, dass die Beteiligten die Handlungen des anderen jeweils befürworten.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Für eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB genügt, dass die Beteiligten abwechselnd Körperverletzungshandlungen ausführen.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
versuchterfahrlässigermord
11.1.2025, 10:35:42
Wäre hier nicht auch grds. eine Mittäterschaft zu thematisieren?

Pilea
11.1.2025, 11:14:33
Die Mittäterschaft ist eine Zurechnungsnorm. Deshalb braucht man sie meiner Meinung nach nicht in Fällen, in denen beide Täter jeweils den Tatbestand vollständig erfüllen. In diesem Fall würde ich deshalb über Mittäterschaft erst nachdenken, wenn zB nur einer der Täter ein gefährliches Werkzeug benutzt, der andere aber nicht, und wir uns dann fragen, ob wir dem zweiten Täter die Handlung des ersten zurechnen.
Marco
12.3.2025, 09:35:00
Die letzte Frage spricht von „abwechselnden Körper
verletzungshandlungen“. Diese sind ausreichend bzgl. § 224 I Nr. 4 StGB. Konkreter wäre hier wohl, von einer räumlichen Zäsur oÄ zu sprechen.

Linne_Karlotta_
21.3.2025, 17:52:03
Hallo @[Marco](252559), danke für Deine Anmerkung. Das Strafhöchstmaß des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist gegenüber der einfachen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verdoppelt. Um dies zu rechtfertigen, ist nach Ansicht des BGH eine Art der Beteiligung nötig, die im konkreten Fall zu einer erhöhten abstrakten Gefährlichkeit der Körperverletzung für das Opfer führt (RdNr. 15 des hier aufgegriffenen Urteils). Abwechselnde Körper
verletzungshandlungen reichen allein deshalb gerade nicht aus, um dieses Erfordernis zu erfüllen. Es muss darüber hinaus irgendeine Form von gemeinschaftlichem Handeln geben, die die abstrakte Gefährlichkeit der Körperverletzung erhöht. Wir haben in der letzten Antwort jetzt noch einmal hervorgehoben, dass die abwechselnden
Verletzungshandlungen allein noch nicht genügen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team