Enteignung - Höhe der Ausgleichspflicht

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Infolge einer Flutkatastrophe erlässt Hamburg ein Deichordnungsgesetz, durch welches bestimmte Grundstücke („Deichgrund“) öffentliches Eigentum werden, um sofort mit der Errichtung eines neuen Deichs beginnen zu können und dadurch weitere Katastrophen zu verhindern. Das Gesetz sieht einen festen Quadratmeterwert als Entschädigung vor. ‌

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Einordnung des Falls

Enteignung - Höhe der Ausgleichspflicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Enteignungen sollen vorrangig direkt durch ein Gesetz erfolgen (Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG).

Nein!

Nach Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG ist eine Enteignung durch Gesetz (Legalenteignung) oder auf Grund eines Gesetzes (Administrativenteignung) möglich. Während für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Administrativenteignung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, steht dem Enteigneten gegen ein enteignendes Gesetz kein ordentlicher Rechtsweg zu. Hier bleibt nur die Verfassungsbeschwerde. Aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) folgt deshalb, dass eine Legalenteignung nur aus triftigem Grund möglich ist. Ein solcher liegt vor, wenn die Durchführung einer Administrativenteignung mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden ist. ‌
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2. Liegt ein Grund dafür vor, dass hier ausnahmsweise eine Legalenteignung in Betracht kommt?

Genau, so ist das!

Während eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Administrativenteignung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, steht dem Enteigneten gegen das Gesetz kein ordentlicher Rechtsweg zu. Er wird auf die Verfassungsbeschwerde verwiesen. Aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) folgt deshalb, dass eine Legalenteignung nur aus triftigem Grund möglich ist.  Die Durchführung einer Administrativenteignung muss mit erheblichen Nachteilen für das Gemeinwohl verbunden sein. Die Flutkatastrophe hat eine außergewöhnliche Situation geschaffen. Ein sicheres und wirksames Deichsystem musste schnell aufgebaut werden. Einzelenteignungen hätten nicht in angemessener Zeit durchgeführt werden können, ohne dass die gebotenen Maßnahmen sich nicht erheblich verzögern würden. In einer solchen Situation kommt eine Legalenteignung grundsätzlich in Betracht.

3. Eine Enteignung ist nur zulässig, wenn sie dem Allgemeinwohl dient und verhältnismäßig ist.

Ja, in der Tat!

Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig. Darüber hinaus gebietet aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass gerade das Mittel der Enteignung erforderlich sein muss, um das dem Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben durchführen zu können.Kann der Zweck in gleicher Weise z.B. durch den Ankauf des zu enteignenden Eigentums erreicht werden, wäre die Enteignung unverhältnismäßig.

4. Ist eine Entschädigung automatisch verfassungswidrig, wenn sie nicht den kompletten Wert des enteigneten Eigentums ersetzt?

Nein!

BVerfG: Nach Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG ist die Entschädigung „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen“. Die Höhe der Enteignungsentschädigung soll das Ergebnis dieses Interessenausgleichs sein und nicht die einseitige Anerkennung der Interessen der Betroffenen. Die Höhe des Ausgleichs wird also auch von situationsbedingten Besonderheiten des Sachverhalts und andere Umstände bestimmt. Eine starre, allein am Marktwert orientierte Entschädigung wird nicht gewährt. Der Enteignete muss also nicht immer das volle Äquivalent für das Enteignete bekommen. Der Gesetzgeber kann auch niedrigen Ersatz bestimmen.
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