Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Zweck-Mittel-Relation bei Drohung mit Strafanzeige (Beispiel 1)

Zweck-Mittel-Relation bei Drohung mit Strafanzeige (Beispiel 1)

11. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

L hat J dabei beobachtet, wie dieser letzte Nacht ein Fahrradschloss geknackt und das Fahrrad gestohlen hat. Er sagt J, er werde ihn für den Diebstahl anzeigen, wenn J diesen Sommer nicht wöchentlich den Rasen in Ls Garten mäht.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Zweck-Mittel-Relation bei Drohung mit Strafanzeige (Beispiel 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L hat den Tatbestand der Nötigung erfüllt, indem er J ankündigte, ihn anzuzeigen, woraufhin dieser den ganzen Sommer über wöchentlich Ls Rasen mähte (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 sind: (1) Nötigungshandlung: Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel (2) Nötigungserfolg: Handeln, Dulden oder Unterlassen (3) Nötigungsspezifischer Zusammenhang K müsste zudem vorsätzlich gehandelt haben.L hat J angekündigt, ihn anzuzeigen, worin die Ankündigung eines empfindlichen Übels liegt (= Drohung). J hat deswegen wöchentlich Ls Rasen gemäht (= Nötigungserfolg und nötigungsspezifischer Zusammenhang). Die Strafbarkeit nach § 240 StGB setzt weiterhin voraus, dass L die Tat auch in rechtswidriger Weise (insbesondere verwerflich) und schuldhaft begangen hat.
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2. L hat den Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB erfüllt. Prüfst Du als nächstes, ob L auch schuldhaft gehandelt hat?

Nein!

Gehe immer (zumindest gedanklich) den Dreischritt durch: Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld. Bei der Nötigung besteht die Besonderheit, dass Du die Rechtswidrigkeit positiv feststellen musst (§ 240 Abs. 2 StGB). Mit anderen Worten: Du musst immer etwas zur Rechtswidrigkeit schreiben. Hier liegt ein wichtiger Unterschied zu anderen Delikten, bei denen die Erfüllung des Tatbestands die Rechtswidrigkeit indiziert und Du nur genauer auf die Rechtswidrigkeit eingehst, wenn Anhaltspunkte für eine Rechtfertigung bestehen. Verwerflich ist eine Verhaltensweise dann, wenn die Gewaltanwendung oder die Drohung zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis stehen (sog. Zweck-Mittel-Relation). Dabei muss das Missverhältnis derart auffällig sein, dass die Verhaltensweise als sozialethisch missbilligenswert anzusehen ist. Ist bereits das Mittel oder der Zweck für sich genommen sozialethisch besonders missbilligenswert, indiziert dies die Verwerflichkeit insgesamt.

3. Bereits die Ankündigung einer Anzeige (= Nötigungsmittel) indiziert hier die Verwerflichkeit der Tat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist das Nötigungsmittel für sich genommen bereits verwerflich, indiziert das die Verwerflichkeit der Tat insgesamt.L hat gesehen, wie J einen Diebstahl begangen hat. Es ist nicht sozialethisch missbilligenswert, eine begangene Straftat anzuzeigen. Das Nötigungsmittel für sich genommen ist hier nicht verwerflich.Auch der Nötigungserfolg - das wöchentliche Rasenmähen über einen Sommer hinweg - ist wohl nicht als sozial unerträglich anzusehen. Auch der Nötigungserfolg für sich genommen ist also noch nicht verwerflich.

4. Jemanden zum Rasenmähen aufzufordern, ist für sich genommen noch nicht verwerflich. Aber: Ist es aus sozialethischen Gesichtspunkten völlig angemessen, dass L das Mittel der Anzeige dazu nutzen will, J zum Rasenmähen zu bewegen?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Nötigung ist verwerflich, wenn das Mittel zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis steht.Mittel und Zweck sind hier für sich genommen noch nicht verwerflich. Hier besteht aber keinerlei innerer Zusammenhang zwischen dem abgenötigten Verhalten (Rasen mähen) und der ursprünglichen Straftat, mit deren Anzeige L droht. L setzt seine Möglichkeit, J rechtmäßig anzuzeigen, dafür ein, einen davon gänzlich unabhängigen persönlichen Vorteil zu erlangen. Es liegt deshalb eine verwerfliche Zweck-Mittel-Relation vor. Zur Frage der Verwerflichkeit sind eine Menge verschiedene Einzelfälle denkbar. Du musst nicht jeden Fall gesehen haben. Wichtig ist, dass Du die Maßstäbe verstanden hast und damit argumentieren kannst.
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