Überblick - Anwendungsbereich von § 811 ZPO

27. Mai 2025

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Jurafuchs

Gerichtsvollzieher G ist neu in seinem Beruf. Zur Vollstreckung einer Geldforderung begibt er sich zur Wohnung von Referendarin R zur Sachpfändung. G ist nervös. Denn er weiß nicht genau, ob bei diesem Vollstreckungsauftrag die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO greifen.

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Einordnung des Falls

Überblick - Anwendungsbereich von § 811 ZPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da G vorliegend eine Sachpfändung (§ 808 ZPO) durchführen soll, finden die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO grundsätzlich Anwendung.

Ja, in der Tat!

Die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO gelten bei Sachpfändungen nach § 808 ZPO, das heißt bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in körperliche Sachen (§§ 808 ff. ZPO). Auf die Herausgabevollstreckung (§§ 883 ff. ZPO) sind die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO dagegen nicht anwendbar. G soll eine Geldforderung gegen R durch eine Sachpfändung vollstrecken. Die Pfändungsverbote des § 811 ZPO finden daher grundsätzlich Anwendung. Dass die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO nicht für die Herausgabevollstreckung gelten, leuchtet ein. Hat der Gläubiger z.B. einen Anspruch auf Herausgabe eines Tieres, kann dieser nicht durch die Vorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO „umgangen“ werden. Würde man § 811 ZPO auf Herausgabeansprüche anwenden, so käme man also zu dem unsachgemäßen Ergebnis, dass die Vollstreckung der Herausgabe bestimmter Gegenstände generell unmöglich ist.
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2. § 811 ZPO regelt, dass G die Pfändungsverbote nur dann berücksichtigen muss, wenn R entsprechende Einwände erhebt.

Nein!

Der Gerichtsvollzieher muss die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO von Amts wegen berücksichtigen. G muss die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO von Amts wegen berücksichtigen, das heißt auch dann, wenn R keine entsprechenden Einwände erhebt.

3. Um auf „der sicheren Seite zu sein“, lässt G sich von R ein Papier unterschreiben, wonach R auf den Schutz durch die Pfändungsverbote verzichtet. Dient § 811 ZPO zunächst überhaupt dem Schutz des Vollstreckungsschuldners?

Genau, so ist das!

Die Pfändungsverbote nach § 811 ZPO sollen verhindern, dass dem Vollstreckungsschuldner jegliche Lebensgrundlage entzogen wird. Sie dienen damit dem Schutz des Vollstreckungsschuldners. Einzelne Pfändungsverbote nach § 811 ZPO können auch drittschützende Wirkung entfalten. Beispielsweise können sich auch Personen, die im gleichen Haushalt wie der Vollstreckungsschuldner leben, auf einen Verstoß gegen § 811 Abs. 1 Nr. 1a ZPO berufen (vgl. Wortlaut von § 811 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Hierzu gleich mehr!

4. R hat gegenüber G auf den Schutz durch die Pfändungsverbote verzichtet. Ist ein solcher Verzicht im Hinblick auf des Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) möglich?

Nein, das trifft nicht zu!

§ 811 ZPO dient nicht nur dem Individualinteresse des Schuldners, sondern erfüllt auch eine allgemeine sozialstaatliche Schutzfunktion. Er soll gewährleisten, dass der Schuldner ein menschenwürdiges Existenzminimum wahren kann. Er dient damit auch dem Allgemeininteresse, indem Sozialhilfeansprüche vermieden werden. Dazu kommt noch, dass der Vollstreckungsschuldner sich während der Pfändung in einer Drucksituation befindet. § 811 ZPO steht nicht zu Disposition des Schuldners. Auch wenn er es möchte, kann R auf den Schutz der Pfändungsverbote (§ 811 ZPO) nicht verzichten. Teilweise wird danach differenziert, ob der Schuldner vor oder während der Pfändung auf den Schutz verzichtet. Teilweise wird vertreten, dass der Verzicht bei oder während der Pfändung zulässig sei. Richtigerweise gilt die o.g. Argumentation aber unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Schuldner verzichtet.
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Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
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