Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Politische Parteien

Ausschluss parteinaher Stiftungen von staatlichen Zuwendungen

Ausschluss parteinaher Stiftungen von staatlichen Zuwendungen

9. März 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Bundesregierung fördert politische Stiftungen, schließt aber die der A-Partei nahestehende Stiftung E aus. A klagt vor dem BVerfG und beruft sich auf Chancengleichheit. Die Regierung verweist auf das Haushaltsgesetz und historische Strukturen. Eine gesetzliche Grundlage fehlt.

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Einordnung des Falls

Ausschluss parteinaher Stiftungen von staatlichen Zuwendungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A steht als Partei ein Recht auf chancengleiche Teilhabe am politischen Wettbewerb zu (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG).

Ja!

Die Parteien haben ein Recht auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG). Art. 21 Abs. 1 GG garantiert dabei den politischen Parteien nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt. >Obwohl es sich bei der Chancengleichheit der Parteien nicht um ein Grundrecht handelt, prüfst Du eine Verletzung nach demselben Schema: (1)Das Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG müsste betroffen sein. (Schutzbereich eröffnet) (2)Es müsste ein Eingriff  in das Recht vorliegen (3)Der Eingriff müsste verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. So auch das BVerfG in dem Organstreitverfahren, der diesem Fall zugrunde liegt („Desiderius Erasmus Stiftung“ – BVerfG, Urt. v. 22.02.2023 - 2 BvE 3/19).
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2. Hier ist nicht die A selbst, sondern lediglich eine ihr nahestehende Stiftung von der Förderung ausgeschlossen. Scheidet eine Verletzung von As Recht aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG damit von Anfang an aus?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zunächst musst Du prüfen, ob im konkreten Fall überhaupt der Anwendungsbereich (Schutzbereich) von Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG eröffnet ist. Das Recht auf Chancengleichheit sichert die gleichberechtigte Teilnahme  am politischen Wettbewerb und ist eng mit dem Demokratieprinzip  verbunden. Durch die faktische oder mittelbare Förderung von anderen Parteien, kann das Recht, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen eröffnet sein, wenn sich die Förderung erheblich auswirkt (und damit einem unmittelbaren Eingriff gleichkommt). Der Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG ist daher grundsätzlich eröffnet. Die Grenzen zwischen der Prüfung des Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG und dem Eingriff sind nicht „trennscharf“.

3. Finanzielle Förderungen von parteinahen Stiftungen berühren den politischen Wettbewerb und sind damit vom Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG erfasst.

Ja, in der Tat!

Stiftungen wirken sich durch die Veranstaltung von Seminaren und Diskussionsforen auf den politischen Wettbewerb aus, da diese zur Verbreitung des politischen Gedankenguts der ihr nahestehenden Partei beitragen. Die politische Bildungsarbeit von Stiftungen stellt demnach einen wichtigen „Resonanzkörper“ für die Verbreitung politischer Vorstellungen dar. Die Förderung von parteinahen Stiftungen beeinflusst damit den politischen Wettbewerb. Der Ausschluss der E von der finanziellen Förderung berührt den Schutzbereich von As Recht aus Art. 21 Abs. 1 GG.

4. Bei Zuwendungen an Dritte ist bei der Eingriffsprüfung eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Könnte es ein wichtiges Kriterium sein, wie nahe die A-Partei der Stiftung steht?

Ja!

Ein unmittelbarer Eingriff in As Rechte scheidet hier aus, da nicht der Partei selbst eine Finanzierung versagt wird. Es kommt daher darauf an, ob sich die Untersagung von Es Finanzierung zumindest mittelbar nachteilig auf As Recht aus Art. 21 Abs. 1 GG auswirkt. Ob ein Eingriff in Betracht kommt, bedarf der Einzelfallbetrachtung , wobei die Nähebeziehung der Partei ein maßgebliches Kriterium darstellt. Ein Indiz für ein besonderes Näheverhältnis zwischen der politischen Partei und dem Leistungsempfänger ist der formale Akt der Anerkennung durch die Partei. Dies erfolgt etwa durch eine öffentliche Positionierung hinsichtlich der Übereinstimmung der Stiftung und ihrer eigenen politischen Werte und Überzeugungen. Ein weiteres Indiz kann die personelle Verflechtung zwischen Partei und Stiftung darstellen. Auch wenn die politischen Stiftungen von den Parteien rechtlich und organisatorisch verselbstständigt sind, besteht ein besonderes Näheverhältnis zwischen den einzelnen Parteien und den von ihnen jeweils anerkannten politischen Stiftungen. Aus der Arbeit der politischen Stiftungen ergeben sich für die jeweilige nahestehende Partei somit erhebliche Vorteile im politischen Wettbewerb. Im vorliegenden Fall hat die Partei die Nähebeziehung zur Stiftung anerkannt.

5. Der Ausschluss der Finanzierung müsste in As Recht aus Art. 21 Abs. 1 GG eingreifen. Wird E hier anders behandelt als andere parteinahe Stiftungen?

Genau, so ist das!

Ein unmittelbarer Eingriff liegt mangels direkter Zuweisung öffentlicher Mittel an die Parteien nicht vor. Die Chancengleichheit des Art. 21 Abs. 1 GG kann aber auch durch faktische oder mittelbare Beeinträchtigungen betroffen sein, sofern die Zielrichtung und Wirkung der Beeinträchtigung einem unmittelbaren, zielgerichteten Eingriff gleichkommt. Soweit staatliche Mittel mit einer Zweckbestimmung verbunden werden, kann das zu einem Vor- oder Nachteil im politischen Wettbewerb führen, wodurch der mittelbare Eingriff als Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien zu qualifizieren ist. Indem die parteinahe Stiftung gegenüber den anderen Stiftungen ungleich behandelt wird, wird der politische Wettbewerb der Parteien beeinträchtigt. Es liegt ein (mittelbarer) Eingriff in Art. 21 Abs. 1 GG vor. Das BVerfG betont den erheblichen Einfluss der Fördermittel auf die Chancengleichheit der Parteien. Im Jahre 2019 lag das Volumen der Zuwendungen bei rund 660 Mio. Euro. Damit hat sich die Höhe der Zuwendungen im Vergleich zu einer früheren Entscheidung (1986) mehr als verdreifacht (BVerfGE 73, 1 ff.). Damals hatte das BVerfG die Beeinträchtigung des Wettbewerbs verneint.

6. Der Eingriff in die Chancengleichheit bedarf für seine verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.

Ja, in der Tat!

Eingriffe in das Recht auf Chancengleichheit bedürfen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, sofern sich ihre Legitimation zum staatlichen Handeln nicht schon unmittelbar aus der Verfassung ergibt. Diese Notwendigkeit folgt aus dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt des Art. 20 Abs. 3 GG, indem die grundlegenden Entscheidungen von dem vom Volk gewählten Parlament getroffen werden sollen. Das BVerfG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (sog. Wesentlichkeitstheorie). Diese Notwendigkeit folgt schon aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 GG).

7. Durch die Regelung der Vergabe von Fördermitteln im Haushaltsgesetz wird die Wesentlichkeitstheorie gewahrt.

Nein!

Das Haushaltsgesetz ist ein formelles Gesetz, es wirkt nur zwischen dem Parlament und der Regierung. Es beschränkt sich darauf, die Exekutive zu Ausgaben zu ermächtigen (§ 3 Abs. 1 BHO). Daher fehlt es dem Haushaltsgesetz an der erforderlichen Außenwirkung. Weiterhin begründet das Haushaltsgesetz keine Ansprüche Dritter (§ 3 Abs. 2 BHO). Indem sich die Verteilung der Förderungsmittel erheblich auf die Chancengleichheit der Parteien auswirkt, stellt das Haushaltsgesetz keine ausreichende gesetzliche Grundlage dar. Der Eingriff ist damit nicht gerechtfertigt und A in seinem Recht aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt. Die Originalentscheidung des BVerfG haben wir auch in unserem Kurs zur Rechtsprechung aufbereitet.
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