Öffentliches Recht
Staatsorganisations-Recht
Politische Parteien
Paritätsgesetz Brandenburg verfassungswidrig
Paritätsgesetz Brandenburg verfassungswidrig
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
In Brandenburg sind die Kandidatenlisten bei Landtagswahlen durch die politischen Parteien abwechselnd mit Frauen und Männern zu besetzen (sog. Paritätsgesetz), sonst werden sie zurückgewiesen. Die A-Partei, die nur 13% weibliche Mitglieder hat, hält dies für verfassungswidrig.
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Einordnung des Falls
Paritätsgesetz Brandenburg verfassungswidrig
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg (VerfGBbg) überprüft die Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem gesamten Grundgesetz.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Freiheit der Wahl (Art. 22 Abs. 3 S. 1 LV) sichert die Ausübung des Wahlrechts gegen Zwang oder sonstige unzulässige Beeinflussungen von außen ab.
Ja!
3. Die Freiheit der Wahl beinhaltet auch ein freies Wahlvorschlagsrecht aller Wahlberechtigten und der politischen Parteien.
Genau, so ist das!
4. Politische Parteien haben eine umfassende Betätigungs-, Organisations- und Programmfreiheit (Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 20 Abs. 1 LV).
Ja, in der Tat!
5. Das Paritätsgesetz ist ein Eingriff in die Wahlvorschlagsfreiheit sowie in die Parteienfreiheit der A-Partei.
Ja!
6. Art. 22 Abs. 5 S. 1 LV enthält einen Gesetzgebungsauftrag, der den Landesgesetzgeber ermächtigt, die Wahlrechtsgrundsätze auf Landesebene zu konkretisieren.
Genau, so ist das!
7. Die Beeinträchtigung der Wahlvorschlagsfreiheit kann durch den Vorbehalt in Art. 22 Abs. 5 S. 1 LV gerechtfertigt werden.
Nein, das trifft nicht zu!
8. Das Paritätsgesetz ist gerechtfertigt, weil dadurch der Charakter von Wahlen als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung gesichert wird.
Nein!
9. Die Beeinträchtigung der Wahlvorschlagsfreiheit und Parteienfreiheit kann jedoch durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden.
Genau, so ist das!
10. Art. 12 Abs. 3 LV beinhaltet die staatliche Verpflichtung, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern und zu sichern.
Ja, in der Tat!
11. Die staatliche Gleichstellungsverpflichtung (Art. 12 Abs. 3 LV) rechtfertigt die Eingriffe, die mit dem Paritätsgesetz verbunden sind.
Nein!
12. Das Paritätsgesetz beeinträchtigt die A-Partei auch in ihrem Recht auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG). Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist nicht ersichtlich.
Genau, so ist das!
13. Die Entscheidung des VerfGBbg steht im Einklang mit der Entscheidung des ThürVerfGH, der das Thüringer Paritätsgesetz im Juli 2020 für nichtig erklärt hat.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mr_Monsense
3.1.2021, 15:55:09
Bei der erwähnten Möglichkeit, das Parteien, die satzungsmäßig nur ein Geschlecht aufnehmen, kann man sich schon die Frage stellen, wie eine solche Partei unter dem GG ent-/bestehen sollte. Denn die Parteienfreiheit gem. Art. 21 GG ist durch die Grundrechte begrenzt. D.h. eine Partei, die nur Männer aufnimmt, verstößt gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG. Und hinsichtlich Parteien wie der A-Partei (o. vlt. auch C-Partei?) verweise ich auf Mayer, NVwZ 2019, 1245: gelegentlich erfordert die Erfüllung 1/2
Mr_Monsense
3.1.2021, 15:56:31
2/2 eines Verfassungsauftrages (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist schon seit 1994 im GG enthalten!) ein wenig Aufwand von den Beteiligten.
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.1.2021, 21:55:10
Hey Mr Monsense, deine Erwägungen lesen sich gut, sind auf jedenfall vertretbar.
Elias Von der Brelie
3.8.2023, 00:02:01
Ich habe das Gefühlt hier wurde etwas übersehen. Die A Partei Nimmt nicht generell nur Männer auf. Das ist erstens schon nicht akkurat da sie 13% Frauenanteil hat, aber sogar zu sagen, dass die Partei Männer bevorzugt aufnimmt ist ohne genauere Umstände zur Partei zu kennen eine bloße Unterstellung. Es könnte doch auch schlicht sein, dass Männer die Partei aus dem einen oder anderen Grund einfach bevorzugen. Es ist ja auch so, dass Männer sich häufiger dazu entscheiden in die Politik zu gehen als Frauen, weshalb viele Parteien ein Missverhältnis von Männern und Frauen haben ohne ein Geschlecht aktiv dem anderen zu Bevorzugen. Mal ganz davon abgesehen steht es einer Partei sowieso frei bevorzugt ein Geschlecht auf zu nehmen. Schließlich wurden gerade in der letzten Aufgabe noch von Parteien gesprochen welche aus Agenda Gründen nur ein Geschlecht aufnehmen, und es wurde sogar erwähnt, dass diese Möglichkeit für die Parteien aktiv beschützt wird. Ich kann deine Argumentation hier nicht nachvollziehen.
Blotgrim
31.7.2022, 12:18:56
Ich finde die Aufgabe hier etwas schwierig, da sie mit Regelungen einer Landesverfassung zu lösen ist. Das hilft Leuten die in Brandenburg studieren, aber anderen (aus meiner Sicht) eher weniger. Zudem werden sehr spezifische Infos vorausgesetzt zum Beispiel die Geschlechterquote der A Partei die nicht aus dem Sachverhalt hervorgeht oder die Entscheidung zum Paritätsgesetz in Thüringen. Wenn man zumindest einen vergleichbaren Fall auf Bundesebene machen könnte wäre das super:)
Lukas_Mengestu
2.8.2022, 17:10:15
Vielen Dank für Deine Hinweise, Blotgrim. Da es bislang lediglich in Thüringen und Brandenburg entsprechende Versuche gab, quotierte Listen einzuführen, haben wir die Fälle auf diese beiden Länder beschränkt. Auch wenn es insofern teilweise um spezifische Landesnormen (Staatszielbestimmung Gleichheit von Mann u. Frau) geht, so ist der überwiegende Teil der Entscheidungen verallgemeinerbar (zB finden sich in allen LV die Regelungen zu Wahlrechtsgrundsätzen bzw. der Auftrag, das Wahlverfahren näher auszugestalten). Insofern bietet diese Aufgabe aus unserer Sicht durchaus auch außerhalb Brandenburgs einen Mehrwert. Die fehlende SV-Info haben wir nun ergänzt :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
28.12.2023, 20:37:35
Inwiefern könnte der vom BVerfG anerkannte Rechtfertigungsgrund „Sicherung der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung“ bei der Rechtfertigung der Pflicht zur Aufstellung paritätischer Wahllisten helfen? Das BVerfG hat sich damit nicht weiter auseinandergesetzt. Aus welcher Überlegung?
Leo Lee
30.12.2023, 23:06:23
Hallo Mark, vielen Dank für diese sehr wichtige und gute Frage! Hiermit hat sich in der Tat das thüringische Verfassungsgericht bei seiner Entscheidung (im Grunde fast inhaltsgleich mit dieser Entscheidung aus Brandenburg) auseinandergesetzt. Allerdings sei die Integrationsfunktion auf die Integration POLITISCHER Kräfte gerichtet, nicht hingegen auf eine Integration eines bestimmten GESCHLECHTS (sprich, Männer/Frauen sind keine politischen Strömungen oder Kräfte, die integriert werden müssen). Hierzu kann ich die Lektüre der Entscheidung, dort seite 34 ab lit. c) sehr empfehlen (die Entscheidung findest du hier: https://www.doev.de/wp-content/uploads/2020/Leitsaetze/20/E_0
656.pdf) :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!