Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Mord, § 211 StGB
Niedrige Beweggründe - Eifersucht 2
Niedrige Beweggründe - Eifersucht 2
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T und O sind verheiratet. O führt mit P schon länger heimlich eine intime Beziehung und will sich nun von T trennen. T tötet die O mit einem Messer, da er die Trennung nicht hinnehmen möchte und über ihre Untreue zutiefst enttäuscht und verzweifelt ist.
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Einordnung des Falls
Niedrige Beweggründe - Eifersucht 2
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat O aus "niedrigen Beweggründe" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB).
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
26.4.2020, 22:51:55
Ob wirklich mit gutem Gewissen behauptet werden kann, die Beurteilung erfolge nicht anhand moralischer Maßstäbe wenn gleichzeitig zugestanden wird, dass angesichts der ehebrecherischen Verhaltensweise (des Opfers) die Tötung noch begreiflich sei....
Eigentum verpflichtet 🏔️
9.2.2021, 23:08:34
Hallo Lexderogans, da würde ich dir zustimmen. Rechtssoziologisch und rechtsphilosophisch ist eine Trennung von Moral und Recht, wie sie der BGH hier proklamiert, bei einem so schwammigen Merkmal wie die "niedrigen Beweggründe" in § 211 StGB praktisch unmöglich. Aber als höchstes Strafgericht kann der BGH solche Thesen natürlich trotzdem in seine Urteile schreiben...
Henry Vetter
14.4.2021, 14:57:59
Diese These kann doch gut vertretbar auf rechtlichen Maßstäben beruhen, wenn man bedenkt, dass die Ehegatten einander nach § 1353 I BGB u.a. zur Geschlechtsgemeinschaft und Treue verpflichtet sind, oder nicht?
lucylawless
5.2.2021, 09:22:58
Aus meiner Sicht liegt ein Fall von Objektifizierung einer Person und krassem Besitzdenken vor: "O gehört mir, sie hat weder fremdzugehen, noch hat sie das Recht, sich von mir trennen, dann soll sie eben sterben." Irgendwie nachvollziehbar finde ich sowas nicht.
Real Thomas Fischer Fake 🐳
5.2.2021, 13:31:23
Die Antwort auf deine Frage steht in der Falllösung: Es sind rechtliche Maßstäbe anzulegen, keine moralischen. Die Reaktion des T mag unmoralisch sein, entspricht jedoch einem absolut nachvollziehbarem menschlichen Handlungsdrang. Was "Objektifizierung" oder "Besitzdenken" mit dem Fall zu tun haben sollen weiß ich nicht. Wenn eine Tötung wie hier aus Gründen von nicht erwiederter Liebe vorkommt, dann ist darin sicher keine Objektifizierung zu sehen, da man bloße Sachen ("Objekte") schlecht lieben kann. Die Nutzung des Begriffs "lieben" im Alltagsgebrauch im Zusammenhang mit Sachen ("Ich liebe Vanilleeis") bedeutet, so meine ich jedenfalls, anderes als von Liebe zu einer Person zu sprechen.
Eigentum verpflichtet 🏔️
9.2.2021, 23:05:27
Hallo ihr beiden. Ich muss ehrlich sagen, beide eurer Ansichten lassen sich hören, auch wenn die von dir, Real Thomas Fischer Fake, die (noch) hM darstellt. Solche Aussagen wie "es sind rechtliche, nicht moralische Maßstäbe anzulegen" kann der BGH als oberstes Strafgericht natürlich aufstellen, ob sie rechtssoziologisch und rechtsphilosophisch zutreffen, dahinter würde ich, wie du lucylawless ein ? setzen. Denn in einer anderen Gesellschaft mag das, was bei uns als Vorstellung von "verständliche Gründe" gilt, anders bewertet werden. Letztlich kann man auch aus diesem Grund nur hoffen, dass der Gesetzgeber sich hoffentlich irgendwann zu einer (gelungenen) Reform des, noch aus der Zeit des Nationalsozialismus stammenden, § 211 StGB durchringen kann. LG ;)
ri
8.8.2021, 19:58:50
Ich verstehe die Definition nicht. Einerseits soll es nach allgemeiner moralischer Vorstellung auf niedrigster Stufe stehen, andererseits soll Maßstab nicht die Moral sein? Was bringe ich durcheinander?
Lukas_Mengestu
1.12.2021, 10:17:53
Hallo ri, keine Sorge, die Fragezeichen in deinem Kopf sind durchaus nachvollziehbar. Die Begrenzung des Mordmerkmals "niedrige Beweggründe" ist seit langem ein Thema in der Strafrechtswissenschaft und die hier vorgestellte "Definition" des BGH wurde in der Literatur wiederholt als rein phrasenhaft und ohne eigene Aussagekraft kritisiert (vgl. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 51. Ed. 1.11.2021, § 211 RdNr. 29). Hintergrund der Problematik ist nicht zuletzt, dass der § 211 StGB noch zu Zeiten des Nationalsozialismus eingeführt worden ist, wo "Rechtsstaatlichkeit" ohnehin keine große Rolle spielte und der Wortlaut keinerle Hilfestellung zur Eingrenzung bietet. Teilweise wird deshalb zur Konkretisierung auch auf das Kriterium der "Missachtung des personalen Einzelwertes" (BGH NStZ 2015, 690) oder des krassen Missverhältnisses zwischen Anlass und Tötungshandlung (BGH NStZ 2019, 206) abgestellt. Aufgrund der hier bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten müssten hier in einer Klausur sehr eindeutige Hinweise erfolgen, die über die bloße Tötung einer anderen Person hinausgehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team