Allgemeinbildung Recht
Strafrecht
Mord und Totschlag
Strafrecht AT | Vorsatz | Das Wissen um die Tatbestandsverwirklichung, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB (Vermeintliches Wildschwein)
Strafrecht AT | Vorsatz | Das Wissen um die Tatbestandsverwirklichung, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB (Vermeintliches Wildschwein)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S, der nicht gut sehen kann, geht auf die Jagd. Als es im Gebüsch raschelt und sich etwas bewegt, nimmt er an, ein Wildschwein vor sich zu haben und drückt ab. In Wirklichkeit handelt es sich aber um seinen Jägerkollegen J. S trifft ihn tödlich.
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Einordnung des Falls
Strafrecht AT | Vorsatz | Das Wissen um die Tatbestandsverwirklichung, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB (Vermeintliches Wildschwein)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, ist strafbar wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. S hat sich strafbar gemacht wegen Totschlags, indem er J vorsätzlich getötet hat (§ 212 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. S hat sich strafbar gemacht wegen fahrlässiger Tötung, indem er J erschossen hat (§ 222 StGB).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jeilla
26.8.2020, 13:36:24
Muss man den Tatbestandsirrtum vom error in objecto abgrenzen?
L. H.
1.12.2020, 16:27:40
Hallo Jeilla, ja, das muss man. Beim
error in persona vel objectowill der Täter den Tatbestand (hier: das Töten eines [!] anderen Menschen) verwirklichen und tut dies auch. Dass er dabei über die Identität des angegriffenen Menschen bzw. Objektes irrt, ändert nichts an der Tatbestandsmäßigkeit. Der Vorsatz entfällt dort nämlich nicht.
Edward Hopper
31.5.2022, 22:23:06
Bin der Meinung, der SV gibt nicht genug Anhaltspunkte für einen 222, oder?
Lukas_Mengestu
2.6.2022, 19:17:36
Hallo besserwisser, vielen Dank für Deinen Kommentar :-) Welche Angaben haben Dir hier denn gefehlt? Grundsätzlich muss man beim Umgang mit Schusswaffen besonders große Vorsicht an den Tag legen. Aus unserer Sicht genügen deshalb die vorliegenden Angaben, um eine fahrlässige Tötung hier zu bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Edward Hopper
20.6.2022, 17:34:26
Zum Beispiel, dass die Route oft von anderen Jägern benutzt wird oder dass gerade Jagdsaison eröffnet ist o. Ä. Aber kann auch die andere ansicht nachvollziehen
Lorenz
21.10.2024, 16:55:45
Finde den SV auch etwas dünn. Demnach wäre ja jede Tötung fahrlässig, wenn sich der Täter nicht exkulpieren könnte. Aber es muss ja genau andersherum sein. Es müsst Anhaltspunkte geben, dass der Erfolg objektiv und subjektiv vermeidbar war,...
ehemalige:r Nutzer:in
21.10.2022, 20:53:12
Könnte man die Tatsache, dass der S, trotz seines eingeschränkten Sehvermögens, den Jagdschein besitzt und trotz diesen Umstandes eine scharfe Waffe bedient hat, anfechten? Im Grunde wurde auch dort die Sorgfaltspflicht verletzt, was schlussendlich dazu geführt hat, dass ein Mensch gestorben ist.
Lukas_Mengestu
26.10.2022, 11:02:56
Hallo M_, vielen Dank für Deine Nachfrage. So ganz konnte ich ihr allerdings noch nicht folgen. Dass sich jedenfalls S der fahrlässigen Tötung strafbar gemacht hat, ist hier eindeutig. Denn zumindest für ihn war klar, dass er nicht gut sehen konnte. Geht es Dir nun um die strafrechtlicheh Verantwortlichkeit der Mitarbeiter:in, die den Jagdschein ausgestellt hat? Daran könnte man in der Tat denken. Denn bei fehlender körperlicher EIgnung ist der Jagdschein zu versagen (vgl. zB § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG). Allerdings fehlen hierfür Sachverhaltsangaben. Insbesondere ist nicht klar, ob die Sehschwäche bereits bei Ausstellung des Jagdscheins vorlag. Natürlich kann man den Jagdschein auch nachträglich einziehen, dazu müsste die
Behördeaber zunächst einmal Kenntnis davon erlangen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des Jagdscheins nachträglich weggefallen sind. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team