Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Vertraglicher Gewährleistungsausschluss („Jawlensky-Fall“)
Vertraglicher Gewährleistungsausschluss („Jawlensky-Fall“)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K ersteigert bei einer Auktion ein Gemälde des Künstlers Alexej von Jawlensky. Die Auktionsbedingungen enthalten einen Ausschluss der Haftung für Mängel und die Information, dass Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs nicht anwendbar sind. Als K herausfindet, dass es sich um eine Fälschung handelt und das Original nicht mehr existiert, verlangt er den Kaufpreis zurück.
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Einordnung des Falls
Vertraglicher Gewährleistungsausschluss („Jawlensky-Fall“)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei einer Versteigerung kommt der Vertrag durch den Zuschlag zustande.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Gemälde ist mangelhaft, weil es nicht von Jawlensky stammt (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).
Genau, so ist das!
3. Da K Verbraucher ist, können durch den Gewährleistungsausschluss seine Mängelrechte nicht ausgeschlossen werden (§ 476 Abs. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
4. K unterlag beim Kauf des Gemäldes einem Eigenschaftsirrtum, weil er sich über den Urheber des Gemäldes irrte (§ 119 Abs. 2 BGB).
Ja!
5. K kann seine Willenserklärung gerichtet auf Abschluss des Kaufvertrages anfechten (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Der allgemeine Gewährleistungsausschluss gilt auch für die (konkludent) vereinbarte Beschaffenheit "Gemälde des Künstlers Alexej von Jawlensky".
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Eigentum verpflichtet 🏔️
31.5.2020, 10:38:26
Ich würde sagen, es handelt sich hier um einen Fall des Zusammentreffens von Haftungsausschluss und
Beschaffenheitsvereinbarung(Gemälde des Künstlers J). Damit gilt die Auslegungsregel, nach der sich ein zwischen den Parteien vereinbarter allgemeiner Ausschluss der Haftung für Sachmängel nicht auf eine von den Parteien nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vertraglich
vereinbarte Beschaffenheiterstreckt (auch bei
konkludenter Vereinbarung). Vgl. dazu: BGH, Urteil vom 6. November 2015 - V ZR 78/14, Rn. 9.
Eigentum verpflichtet 🏔️
31.5.2020, 10:39:32
Mithin bestehen Ansprüche aus 437 BGB eben doch.
Eigentum verpflichtet 🏔️
28.6.2020, 13:50:50
*push*
Mona
15.8.2020, 10:50:24
Stimmt, danke für deinen Kommentar! Das sollte am besten auch in der Lösung aufgenommen werden, da der BGH solche Fälle regelmäßig so löst, wie du beschrieben hast.
Eigentum verpflichtet 🏔️
24.9.2020, 12:39:14
Habe den Fall jetzt entsprechend ergänzt, der BGH hat wohl unter dem alten Kaufrecht und wegen der Feststellungen des OLG 1975 noch anders entschieden. Seit 2007 (BGHZ 170, 86) ist es aber ständige Rechtsprechung, dass ein Haftungsauschluss nicht für die nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB
vereinbarte Beschaffenheitgilt. Durch BGHZ 207, 349 wurde auch nochmal festgelegt, dass das auch für eine
konkludentvereinbarte Beschaffenheit
(wie hier im Fall) gilt.
Isabell
13.1.2021, 19:50:13
Das ist schon spannend, was die Tatsache, dass der BGH eben eine Revisionsinstanz ist, für Auswirkungen haben kann. Da wird so manches Urteil nachvollziehbarer
Alfa_Fox
8.7.2021, 15:08:43
Wann gilt ein Kunstwerk (hier: Gemälde von Jawlensky; die letzte Schaffensperiode des Künstlers endete mWn 1938) im rechtlichen Sinne als „gebrauchte Sache“? Kunstwerke unterliegen idR keinem gewöhnlichen Verschleiß einer normalen Gebrauchssache, daher meine Frage: wann ist Kunst im rechtlichen Sinne „neu“? Nur iFd der Erstellung durch den Künstler bei Ersterwerb eines Kunstliebhabers? Was ist mit Kunstwerken die Jahre oder Jahrzehnte unverkauft bleiben und erst viel später einen Abnehmer finden? Sind diese dann bei Ersterwerb dann ebenso als „neuwertig“ einzustufen? Die Frage erscheint mir hinsichtlich des hier anwendbaren Haftungsausschlusses ziemlich wichtig zu sein.
Marilena
9.7.2021, 13:15:39
Hallo Alfa_Fox, vielen Dank für die gute und wichtige Frage! Nach Stephan Lorenz im Münchener Kommentar (8.A. 2019, § 474 RdNr. 17ff.) ist der Begriff der gebrauchten Sache „in hohem Maße unklar“. Nach der ratio des § 474 BGB ist nicht nur auf das gebrauchsbedingte, sondern auch auf das altersabhängige Sachmängelrisiko abzustellen. Auch Gegenstände, die sich nicht physisch „abnutzen“, sind durch den Zeitraum, der seit ihrer Herstellung vergangen ist, in Bezug auf ihre Herkunft und Echtheit einem erhöhten Sachmängelrisiko ausgesetzt. Auf der anderen Seite kann auch eine nicht neu hergestellte Sache ungebraucht sein, etwa bei längerer Lagerung (das betrifft Ladenhüter, aber auch durch Alter gereifte bzw. veredelte Produkte wie Wein und Pflanzen). Gebraucht“ sind daher nur Sachen, die vom Hersteller, Verkäufer oder einem Dritten bereits bestimmungsgemäß benutzt, dh ihrer gewöhnlichen Verwendung zugeführt wurden (also „second-hand“-Ware) und dadurch bzw. durch ihr Alter einem erhöhten Sachmängelrisiko ausgesetzt sind. Das gilt auch dann, wenn die Sachen gerade wegen des „Gebrauchs“ besonders wertvoll sein können. Kunstwerke sind somit gebrauchte Sachen, wenn sie privat oder öffentlich ausgestellt wurden. Wenn sie direkt nach Erstellung über Jahre ordnungsgemäß gelagert werden (zB lichtgeschützt), sind sie dann beim Kauf nicht gebraucht.
Marilena
9.7.2021, 13:17:35
Zum Begriff der gebrauchten Sache, die ja im
Verbrauchsgüterkaufrecht nicht nur durch den Ausschlusstatbestand des § 474 Abs. 2 S. 2, sondern insbesondere durch die Möglichkeit, die Verjährung von Ansprüchen des Käufers vertraglich auf ein Jahr ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn zu beschränken (§ 476 Abs. 2 Alt. 2 BGB) praktische Relevanz erhält, werden wir noch weitere Aufgaben erstellen.
sinaaaa
11.1.2023, 15:19:04
In welchem Paragraphen ist der Gewährleistungsausschluss festgelegt?
Dogu
10.6.2023, 10:05:09
Felix_99
26.10.2023, 10:31:21
Leo Lee
28.10.2023, 16:29:16
Hallo Warda, für
§ 444 BGBmüsste Arglist auf Seiten des Auktionshauses vorliegen. Dafür müsste es vorsätzlich den Sachmangel verschwiegen haben. Da hier keine Anhaltspunkte hierzu zu finden sind, kann allerdings nicht von einer solchen Arglist bzgl. des Mangels ausgegangen werden. Hierzu kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB 7. Auflage, Westermann § 444 Rn. 11 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo