Untätigkeitsklage

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

R hat schon vor vier Monaten einen Antrag auf Erlass einer Baugenehmigung bei der zuständigen Behörde eingereicht. Gerührt hat sich seitdem niemand. R tobt. Nun möchte er die Behörde gerichtlich zum Erlass der Baugenehmigung zwingen.

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Einordnung des Falls

Untätigkeitsklage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren.

Genau, so ist das!

Zu prüfen ist, mit welcher Klageart der Kläger sein Vorhaben (= sein Klagebegehren) verfolgen will. Als verwaltungsgerichtliche Klagearten kommen in Betracht: (1) Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), (2) Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), (3) Feststellungsklage (§ 43 VwGO), (4) Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO), (5) allgemeine Leistungsklage, (6) Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO). Daneben treten Anträge des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 Abs. 5, 123 Abs. 1, 47 Abs. 6 VwGO). Formulierungsbeispiel: "Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO)."
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2. R begehrt den Erlass der Baugenehmigung.

Ja, in der Tat!

R möchte hier ein Haus auf seinem Grundstück errichten. Dies ist ihm möglich, wenn er eine Baugenehmigung erhält. Aus rechtlicher Sicht begehrt R daher den Erlass der Baugenehmigung. Nach dem Baurecht mancher Bundesländer existiert bei vereinfachten Baugenehmigungsverfahren eine Genehmigungsfiktion, wenn die Baubehörde nicht innerhalb von drei Monaten über den Bauantrag entscheidet (z.B. § 62 Abs. 2 S. 2 ThürBO i.V.m. § 42a Abs. 1 S. 1 ThürVwVfG); in einem solchen Fall gilt die Genehmigung als erteilt. Dafür liegen im Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte vor.

3. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Ja!

Aufdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich. Nach der Sonderrechtstheorie/modifizierten Subjektstheorie ist eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die streitentscheidenden Normen einen Hoheitsträger einseitig berechtigen oder verpflichten. Die hier einschlägigen streitentscheidenden Normen sind solche des öffentlichen Baurechts. Als Normen des besonderen Gefahrenabwehrrechts berechtigen und verpflichten sie einseitig Hoheitsträger. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt somit vor. Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit ist die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art. Abdrängende Sonderzuweisungen sind nicht ersichtlich.

4. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage, wenn die Baugenehmigung ein Verwaltungsakt ist.

Genau, so ist das!

Die Verpflichtungsklage ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Sie ist damit eine besondere Form der Leistungsklage. Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde auf dem (3) Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung. Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt. Mithin ist die Verpflichtungsklage - hier in Form der Untätigkeitsklage - statthaft. Bei der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage sind die zusätzlichen Voraussetzungen des § 75 VwGO zu beachten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Danger77

3.12.2019, 14:39:03

In Thüringen beispielsweise tritt gemäß § 62 II ThürBO iVm. § 42a I 1 ThürVwVfG eine sog. Genehmigungsfiktion ein, wenn die Bauaufsichts

behörde

nicht innerhalb von drei Monaten über den Bauantrag entscheidet. Demzufolge müsste dem R vorliegend das Rechtsschutz-/ Sachbescheidungsinteresse fehlen; i.E. wäre auch die Verpflichtungsklage unzulässig.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

3.1.2020, 18:42:56

Hallo Danger77, vielen Dank für deinen Hinweis. Das ist natürlich richtig, aber beschränkt auf das vereinfachte Genehmigungsverfahren. Dafür sind aber keine Anhaltspunkte im Sachverhalt erkennbar. Wir haben trotzdem einen kurzen Hinweis auf diese besondere Rechtslage aufgenommen, um Missverständnissen vorzubeugen. Vielen Dank und beste Grüße - Wendelin von Jurafuchs

Nils

Nils

9.4.2024, 07:00:32

Gleiches in Hamburg im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 61 Abs. 3 S. 1 HBauO.

MANU1

Manu1511

11.12.2019, 08:39:12

Das mag sein, sie ist dennoch

statthafte Klageart

. Über die Frage der Zulässigkeit erstreckt sich der Fall ja nicht. Insofern sind die Antworten schon korrekt.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

3.1.2020, 18:45:42

Danke Manu1511, genau so ist es. Beste Grüße - Wendelin von Jurafuchs

EMAD

Emad

30.7.2020, 11:30:48

Ganz großes Lob an den Zeichner(die Zeichnerin). Er/Sie leistet eine hervorragende Arbeit!

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

30.7.2020, 11:34:17

Vielen Dank Emad, wir geben das gerne weiter ;)

lexfoxi🦊

lexfoxi🦊

1.4.2021, 23:06:36

Die Illustration, die im ÖR den Staat als Adler darstellt ist einfach super! Dank dieser und der kurzen, knackigen und verständlichen Fälle in der App bin ich voll zum ÖR-Fan geworden! 😻

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

1.4.2021, 23:56:33

Das ist ja cool! Freut uns sehr ☺️

EVA

evanici

27.8.2023, 21:26:04

Ist § 75 bei der Untätigkeitsklage dann in der

Klagefrist

anzusprechen oder eher beim Vorverfahren, das dort ja entbehrlich ist?

BEEPB

BeepBoop

18.9.2023, 15:11:40

In der Begründung zur ersten Frage heißt es, dass die streitentscheidenden Normen solche des Baurechts sind und diese als Teil des besonderen Gefahrenabwehrrechts einseitig Hoheitsträger berechtigten und verpflichten. Das klingt danach, als sei das gesamte Baurecht besonderes Gefahrenabwehrrecht. Ich hab es so in Erinnerung, dass lediglich das Bauordnungsrecht Gefahrenabwehrrecht ist, wohingegen das Bauplanungsrecht andere Zwecke verfolgt. Da hier auch nicht im Sachverhalt angegeben war, dass sich spezifisch um Bauordnungsrecht gestritten wird, fand ich die Begründung in dieser Form etwas unpräzise bzw. pauschal.

AY

aylin.

12.11.2024, 23:34:17

Müssten die Voraussetzungen des § 75 bei der statthaften Klageart oder beim Vorfahren angesprochen werden?


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