Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Verpflichtung zur Beifügung einer Nebenbestimmung zur Baugenehmigung

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Verpflichtung zur Beifügung einer Nebenbestimmung zur Baugenehmigung

25. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Die zuständige Behörde erteilt R eine Baugenehmigung für den Bau eines Pferdestalls. Rs Nachbar N hat große Angst vor Pferden. N verlangt deshalb von der Behörde, dass R den Stall nur mit einem Sichtschutz zu Ns Grundstück errichten darf.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung zur Anfechtungsklage: Verpflichtung zur Beifügung einer Nebenbestimmung zur Baugenehmigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagt N. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), wenn N die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist statthaft, soweit es sich um einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt handelt (§ 35 S. 1 VwVfG) und der Verwaltungsakt nicht erledigt ist. Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts. Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde auf dem (3) Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung, die sich noch nicht erledigt hat. Die Baugenehmigung ist ein Verwaltungsakt.
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2. N begehrt, dass R den Stall nicht errichten darf. Statthaft ist daher die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen die dem R gewährte Baugenehmigung.

Nein!

N will nicht verhindern, dass R den Stall errichtet. Er will aber wegen seiner Angst vor Pferden nicht andauernd visuell mit ihnen konfrontiert sein. Dies könnte er zwar auch erreichen, wenn Rs Baugenehmigung für den Stall aufgehoben und der Stall gar nicht errichtet würde, aber dies ist nicht Ns Ziel. Ihm reicht es, wenn R seinen Stall so errichten muss, dass N durch einen Sichtschutz vom Stall getrennt ist. Deshalb begehrt N nicht die Aufhebung der Baugenehmigung. Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) ist nicht statthaft.

3. Verwaltungsakte können mit sog. Nebenbestimmungen erlassen werden. Diese müssen von den Inhaltsbestimmungen abgegrenzt werden.

Genau, so ist das!

Die Hauptregelung eines Verwaltungsakts kann durch zusätzliche Bestimmungen (Nebenbestimmungen) (§ 36 VwVfG) ergänzt oder beschränkt werden. Sie müssen von Inhaltsbestimmungen abgegrenzt werden. Eine Nebenbestimmung liegt vor, wenn die Behörde den Kern des ursprünglichen Begehrens unberührt lässt und nur eine zusätzliche Regelung trifft. Eine Inhaltsbestimmung liegt vor, wenn die Behörde durch den Zusatz die Reichweite des beantragten Verwaltungsakts definiert. Wenn die Hauptregelung ohne den Zusatz eine sinnvolle Regelung ist, handelt es sich um eine Nebenbestimmung.

4. Die von N begehrte Maßgabe, dass R den Stall mit Sichtschutz zum Nachbargrundstück bauen muss, ist eine Nebenbestimmung in Form einer Auflage (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG).

Ja, in der Tat!

Eine Auflage ist eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Dabei ist der Verwaltungsakt schon vor Erfüllung der Auflage wirksam. In Abgrenzung dazu macht die Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) die Wirksamkeit des Verwaltungsakts vom Eintritt eines Ereignisses abhängig. Die Baugenehmigung kann ohne die Regelung über den Sichtschutz sinnvoll bestehen bleiben. Die Regelung ist daher eine Nebenbestimmung. R soll vorgeschrieben werden, den Stall mit einem Sichtschutz zu Ns Grundstück zu errichten. Der Hauptverwaltungsakt (= Baugenehmigung) soll weiterhin wirksam sein. N begehrt daher eine Auflage und keine Bedingung.

5. Da N den nachträglichen Erlass einer Nebenbestimmung zur Baugenehmigung des R begehrt, ist die Verpflichtungsklage statthaft.

Ja!

Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts. N begehrt, dass die Behörde die Baugenehmigung des R mit einer Nebenbestimmung versieht. Nebenbestimmungen haben die Qualität eines Verwaltungsakts: N begehrt, dass die Behörde der Baugenehmigung des R eine Vorgabe über den Bau eines Sichtschutzes (Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts) hinzufügt. Diese Regelung verlässt den internen Bereich der Behörde (Außenwirkung). Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BBE

bibu knows best

25.6.2022, 09:23:13

Also wäre das dann eine Drittverpflichtungsklage?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

6.7.2022, 13:04:39

Hallo bibu knows best, genauso ist es! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SO

sophieklara

20.1.2024, 16:06:23

worin liegt die

Klagebefugnis

des N, woraus ergibt sich für ihn ein möglicher Anspruch?

LOUUU

Louuu

1.2.2024, 10:12:13

Schutznormtheorie

heranziehen :) Art. 14 GG

CR7

CR7

10.2.2024, 16:04:37

Yes, wie @[Louuu](174229) richtig sagt, ergibt sich die

Klagebefugnis

des N daraus, dass er möglicherweise einen Anspruch aus einer Norm hat, die nicht nur den Interessen der Allgemeinheit, sondern auch Individualinteressen zu dienen bestimmt ist (sog.

Schutznormtheorie

). Es ist aber besonders darauf zu achten, dass man zunächst einfach gesetzliche Normen durchprüft und im Zweifel auf Art. 14 GG abstellt, wobei sich nach überwiegender Auffassung ein Anspruch nicht unmittelbar aus Art. 14 GG ergibt. Denn Art. 14 GG ist ein

normgeprägtes Grundrecht

.


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