+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
R bucht bei V eine Pauschalreise in einem Hotel, welches sich durch seinen großen Wasserpark auszeichnet. Im Hotel merkt R, dass der gesamte Wasserpark für die Dauer der Reise aufgrund von Bauarbeiten unbenutzbar ist. Davon informiert R auch V. Für R ist die Reise so nutzlos.
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Einordnung des Falls
Nutzlos aufgewendete Urlaubszeit (§651n Abs. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R könnte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n Abs. 1 BGB zustehen.
Ja, in der Tat!
Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sind (1) ein Pauschalreisevertrag, (2) ein Mangel, den (3) der Reiseveranstalter verschuldet hat und (4) ein zurechenbarer Schaden. Der Schadensersatz ist ausgeschlossen, wenn der Veranstalter dem Mangel infolge einer unterbliebenen Mängelanzeige nicht abhelfen konnte (§ 651o Abs. 2 BGB). Es ist umstritten, ob ein Verschulden erforderlich ist. Die h.M. bejaht dies. Allerdings werde das Verschulden vermutet („es sei denn“) und der Veranstalter könne sich nur aus den abschließend in § 651n Abs. 1 Nr. 1-3 genannten Gründen exkulpieren.
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2. Es liegt ein Mangel vor (§ 651i Abs. 2 BGB), den V verschuldet hat. Diesen hat R dem V auch angezeigt (§ 651o BGB).
Ja!
Wann ein Mangel vorliegt, bestimmt § 651i Abs. 2 BGB. Es besteht eine gesetzliche Vermutung, dass der Reiseveranstalter den Mangel verschuldet hat (vgl. § 651n Abs. 1 BGB: „es sei denn“). Von dieser Vermutung kann sich der Reiseveranstalter gemäß § 651n Abs. 1 Nr. 1 – 3 BGB exkulpieren. Dass das Hotel keinen funktionstüchtigen Wasserpark hat, stellt eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit dar. Vom Verschulden dieses Mangels hat sich V nicht exkulpiert. Den Mangel hat R V auch angezeigt i.S.d. § 651o BGB.
3. Bei der nutzlosen Urlaubszeit handelt es sich um einen nach §§ 249ff. BGB ersatzfähigen Schaden.
Nein, das ist nicht der Fall!
Über §§ 249ff. BGB kann der Geschädigte in erster Linie seine materiellen Schäden ersetzt verlangen. Für immaterielle Schäden kann man gemäß § 253 BGB nur in den dort vorgesehenen Fällen eine Entschädigung geltend machen. Bei nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit handelt es sich um einen immateriellen Schaden. Die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit ist nicht von § 253 Abs. 2 BGB erfasst und somit kein ersatzfähiger Schaden i.S.d. § 253 BGB.
4. Nutzlos aufgewendete Urlaubszeit kann aber nach § 651n Abs.2 BGB ein ersatzfähiger Schadensposten sein.
Ja, in der Tat!
Nutzlos aufgewendete Urlaubszeit ist im Reiserecht nach § 651n Abs. 2 BGB ein ersatzfähiger Schadensposten. Ein Ersatzanspruch besteht, wenn die Reise (1) entweder vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wurde und (2) der Reisende nutzlos Urlaubszeit aufgewendet hat. Vereitelt ist die Reise, wenn der Reisende sie entweder nicht antreten konnte oder er sofort nach der Ankunft wieder nach Hause zurückkehren musste. Wann eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände. Nutzlos aufgewendet ist die Urlaubszeit, wenn der Reisende Urlaubszeit verbraucht hat, ohne sie dem Vertragszweck gemäß nutzen zu können.
5. Ist die Urlaubszeit des R durch das Fehlen der Poolanlage erheblich beeinträchtigt (§ 651n Abs. 2 BGB)?
Ja!
Wann eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise vorliegt, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände. Dabei sind der Zweck und die konkrete Ausgestaltung der Reise sowie die Art und Dauer der Beeinträchtigung zu berücksichtigen.
Das ausgesuchte Hotel zeichnet sich gerade durch den Wasserpark aus. Dieser ist insgesamt für die gesamte Reisedauer nicht nutzbar. Ein wesentlicher Teil des Hotels fehlt also. Es liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor. Als Faustregel gilt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, wenn die Mängel zu einer Minderung von 50 % berechtigen würden.
6. Es liegt eine nutzlos aufgewendete Urlaubszeit vor.
Genau, so ist das!
Nutzlos aufgewendet ist die Urlaubszeit, wenn der Reisende Zeit, die er nach dem Vertrag für Urlaubszwecke vorsehen durfte, verbraucht hat, ohne sie dem Vertragszweck gemäß nutzen zu können. R wollte gerade Urlaub in einem Hotel machen, welches über einen Wasserpark verfügt. Der Zweck des Urlaubs war gerade das Erlebnis in einem Wasserpark. Dies ist hier gerade nicht möglich.
7. Der Mangel ist auch kausal für den Schaden.
Ja, in der Tat!
Der Schaden ist nach der Äquivalenztheorie kausal, wenn der Mangel nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele (conditio sine quo non). Der Mangel liegt in dem fehlenden Wasserpark. Der Schaden liegt in der nutzlos verwendeten Urlaubszeit. Ohne den Mangel wäre die Urlaubszeit nicht nutzlos verwendet. Der Mangel ist also kausal für den Schaden.
8. Die Voraussetzungen für einen reisevertraglichen Schadensersatzanspruch liegen vor (§§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGB).
Ja!
Es liegt ein Mangel vor, den V verschuldet hat. Diesen Mangel hat R dem V auch angezeigt. Es liegt ein Schaden in Form von nutzlos verwendeter Urlaubszeit vor. Der Mangel ist kausal für den Schaden. Die Rechtsprechung nimmt in Fällen einer vollständig unbenutzbaren Poolanlage eine Schadensersatzhöhe von 15 bis 75% des Urlaubspreises an. Die Spanne ist also hoch. Für die genaue Festsetzung kommt auf die Einzelheiten in dem speziellen Sachverhalt an.