Anfechtung einer bereits ausgeübten Innenvollmacht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K möchte eine neue Kamera. Per E-Mail bittet er seine Cousine C, die sich mit Kameras auskennt, ein Modell für ihn auszusuchen und in seinem Namen zu kaufen. Beim Preislimit vertippt K sich jedoch. Statt €1.200 tippt er €2.100. C kauft eine Kamera in Ks Namen für €2.000 bei V.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Anfechtung einer bereits ausgeübten Innenvollmacht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Zwischen K und V ist ein Kaufvertrag über die Kamera zum Preis von €2.000 zustande gekommen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wenn K die der C erteilte Vollmacht widerruft, wird der Kaufvertrag mit V dadurch nichtig.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Anfechtung einer bereits ausgeübten Vollmacht ist nach h.M. zulässig.
Ja!
4. K kann die Vollmacht anfechten.
Genau, so ist das!
5. Wenn K die Bevollmächtigung von C anficht, stehen V Ansprüche gegen C und gegen K zu.
Ja, in der Tat!
6. Wenn K die Bevollmächtigung von C anficht, begründet dies einen Anspruch der C gegen K.
Ja!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
CR7
20.6.2022, 18:05:42
Haften dann Vertreter und Vertretener nicht als Gesamtschuldner gg. den Dritten?
Lukas_Mengestu
22.6.2022, 15:02:49
Hallo A.F., durch die Anfechtung der ausgeübten Vollmacht wird zunächst der Vertrag zwischen K und V beseitigt, sodass kein Anspruch bzgl. des Kaufpreises mehr besteht. Aber im Hinblick auf etwaige Schäden (zB Versandkosten) haften K und C dem V in der Tat als Gesamtschuldner (§ 421 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
19.9.2023, 16:16:38
@[Lukas_Mengestu](136780) Könntest du dieses Ergebnis bitte näher begründen? :)
Lukas_Mengestu
19.9.2023, 17:11:04
@[QuiGonTim](133054)Hi QuiGonTim, na klar! Eine Gesamtschuld nach § 421 BGB liegt vor, wenn m
ehrere eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Ungeschriebenes Merkmal ist zudem die Gleichstufigkeit der Ansprüche. Da der Kaufvertrag hier infolge der Anfechtung rückwirkend beseitigt wurde, hat V zwar keinen Anspruch mehr auf den Kaufpreis (§ 433 Abs. 2 BGB). In Betracht kommt aber ein Anspruch auf
Ersatz des Vertrauensschadensder dadurch eingetreten ist, dass V auf das Bestehen des Vertrages vertraut hat (sog. negativer Schaden). Der Anspruch gegen den Vertreter resultiert dabei aus § 179 BGB (Vertreter ohne Vertretungsmacht). Zudem steht dem Geschäftspartner auch bei Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht zumindest ein Anspruch analog
§ 122 BGBgegen den Vertretenen zu. Für V ist unerheblich, dass im Innenverhältnis letztlich nur K haftet. Ihm gegenüber haften K und C nach hM gleichrangig, sodass eine Gesamtschuld nach § 421 BGB vorliegt. Ich hoffe, jetzt wird es klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
M.B.Schott
1.2.2023, 09:01:06
Hallo. Sehr gute Aufgabe, aber wie müsste man dies im Gutachten prüfen? Also in welcher Schrittfolge?
Nora Mommsen
4.2.2023, 10:40:17
Hallo M.B. Schott, du würdest mit der Prüfung unter I. Anspruch entstanden beginnen. Dort ist zunächst der Vertragsschluss, also das Vorliegen zweier korrespondierender Willenserklärungen zu prüfen. An dieser Stelle kommt dann auch die Vertretung ins Spiel. Anschließend ist zu prüfen, ob die Willenserklärung des K rückwirkend durch Anfechtung beseitigt wurde. Dann ist anzusprechen, dass er nicht die Willenserklärung gegenüber dem Verkäufer sondern die Vollmachtserteilung beseitigen will. Dann problematisierst du, ob dies bei einer bereits ausgeübten Innenvollmacht überhaupt möglich ist. Durch die Anfechtung entfällt die Vertretungsmacht der C, sodass ihre Willenserklärung nicht mehr für und gegen K wirkt. Es liegen also keine zwei übereinstimmenden Willenserklärungen zwischen K und dem Verkäufer mehr vor. Natürlich gibt es nicht nur einen richtigen Anspruchsaufbau. Da die Anfechtung aber ex-tunc, also rückwirkend wirkt, ist sie noch unter Anspruch entstanden als letztes zu prüfen. Geht sie durch, hat die Willenserklärung quasi nie vorgelegen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchsteam
JJO
15.6.2023, 11:31:06
Moin, die Unterscheidung zwischen der Anfechtung einer ausgeübten Außenvollmacht und einer ausgeübten Innenvollmacht finde ich hier etwas zu undifferenziert. M.E. ist es sehr strittig, ob eine ausgeübte Innenvollmacht angefochten werden kann. Hier einfach zu sagen "V stehen bei Anfechtung des K Ansprüche gegen C und K zu" ist nicht pauschal richtig. Nach e.A. kann K gar nicht anfechten, weil C die Innenvollmacht bereits ausgeübt hat und nach der h.M. steht grundsätzlich V auch kein Anspruch gegen K zu, da die Anfechtung nur gegenüber C erfolgt, aber sie schränkt das Wahlrecht nach § 143 BGB ein, sodass K die Anfechtung ebenfalls gegenüber V erklären muss. Das hier nur auf die h.M. verwiesen wird und Argumente wie das Liquiditätsrisiko nicht genannt werden, finde ich unzureichend. Wäre super, wenn ihr hier nochmal nachbessern könntet!
Isabelle.Sophie
5.11.2023, 11:56:36
Bei Anfechtung einer Innenvollmacht hat der Geschäftsgegner einen Anspruch gegen den Vertreter aus § 179 und gegen den Vertretenen aus §
122 analog. Und hat dann der Vertreter trotzdem auch einen Anspruch gegen den Vertretenen aus § 122 (da er ja eigentlich der Anfechtungsgegner bei der Innenvollmacht ist)? Bei Anfechtung einer Außenvollmacht hat der Geschäftsgegner gegen den Vertreter einen Anspruch aus § 179 und gegen den Vertretenen aus § 122 direkt (da er der Anfechtungsgegner ist), ist das richtig? Hat dann der Vertreter auch einen Anspruch gegen den Vertretenen aus §
122 analog(er ist bei der Außenvollmacht ja nicht der Anfechtungsgegner)?
Paulah
12.12.2023, 13:08:54
Genau so wird es zumindest in den Erklärungen zu den Aufgaben und in den angegebenen Fundstellen angegeben. Der Anspruch des Vertreters gegen den Vertretenen aus §
122 analogist zumindest h. M.
Kathi
21.5.2024, 17:47:23
bin bisschen verwirrt, in den Unterlagen eines Repititoriums steht eindeutig, dass nach h.M. kein Anspruch aus § 179 I gegen den Vertreter entsteht, sondern nur wie angegeben aus § 122 gegen den Vollmachtgeber. Oder ist der Knackpunkt, dass § 179 I (+) ist bei bereits ausgeübter Vollmacht?
Niklas3461
17.6.2024, 12:26:32
Nach meiner Erinnerinung und nach diesem Dokument "https://www.wiwi.uni-siegen.de/rechtswissenschaften/krebs/dokumente/crash_kurs/ws05_06/die_stellvertretung_zusatz_3.pdf", was auf Brox Walker und Flume basiert ist ein Anspruch gegen den Vertreter ausgeschlossen, weil diesem sonst unbilligerweise das Insolvenzrisiko des Vertretenen aufgebürdet würde und der andere Teil durch das Vertretergeschäft zwei
Anspruchsgegnerhätte, aber in diesem Punkt gar nicht schutzwürdig ist. Ich bitte einmal um eine Erklärung warum das in diesem Fall anders ist. Vielen Dank Niklas
Niklas3461
20.6.2024, 13:31:45
Ich bitte nochmal um Erklärung, warum das hier in der Aufgabe anders gelöst ist.
Niklas3461
12.7.2024, 14:12:51
Liebes Jura-Fuchs-Team, es wäre super wenn ihr die Frage beantworten könntet. Danke euch. Beste Grüße Niklas
Marvin Hort
4.9.2024, 11:18:09
Ich würde eine Antwort auf die Frage auch nochmal begrüßen. Bisher war mein Verständnis so, dass im Falle der Anfechtung einer Innenvollmacht ggü. dem Vertreter grundsätzlich zwar ein Anspruch des Geschäftspartners gegen den Vertretenen aus § 179 Abs. 2 BGB bestünde und der Vertreter seinerseits einen Anspruch aus
§ 122 BGBgegen den Vertretenen hat. Um aber dem Vertreter nicht das Insolvenzrisiko aufzubürden, soll laut der h.M. (zumindest nach dem wie ich es gelernt habe) der Geschäftspartner den Anspruch aus
§ 122 BGBanalog gegen den Vertretenen erhalten bei gleichzeitigem Entfall des Anspruch aus § 179 BGB gegen den Vertreter und auch dieser soll nicht mehr den Anspruch aus
§ 122 BGBhaben. Ihr schreibt nun allerdings in eurer Lösung, dass der Geschäftspartner sowohl den Anspruch aus § 179 BGB gegen den Vertreter erhält plus einen Anspruch aus
§ 122 BGBgegen den Vertretenen und das der Vertreter auch einen Anspruch aus
§ 122 BGBgegen den Vertretenen erhält. Das ist für mich ein wenig verwirrend.
in persona
6.9.2024, 21:36:36
würde mich auch über einen Erläuterung freuen
Leo123!
16.11.2024, 04:06:17
Essentieller Examensstoff. Erbitte um Stellungnahme eines Moderators.
David
2.7.2024, 02:35:44
Liebes Jurafuchs-Team, ich würde mich den Vorrednern anschließen und euch zur Erinnerung noch einmal darum bitten, die Aufgabe zur Anfechtung der kundgemachten Vollmacht durch weitere Unteraufgaben zu erweitern und auch die anderen Ansichten zu erwähnen, die hierzu vertreten werden. Ist meines Erachtens eins der Klassikerprobleme des BGB AT, das entsprechend häufig im Examen und Übungsklausuren drankommt. Vielen Dank im Voraus!
stefunny
1.9.2024, 17:31:57
Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist die Erteilung einer Vollmacht neutral. Allerdings könnte der beschränkt Geschäftsfähige durch eine Anfechtung haften. Wie kann das sein?
Ugento
10.9.2024, 10:43:23
Das habe ich mich auch gefragt. Würde der Vertreter dann nicht doch einen rechtlich Nachteil haben, nämlich das Risiko der Haftung?
as.mzkw
26.9.2024, 08:11:27
Schaut mal in § 179 III 2 BGB. Die Haftung des beschränkt Geschäftsfähigen ist dort weitestgehend ausgeschlossen.
stefunny
26.9.2024, 10:25:06
Vielen Dank für deine Antwort!(: