§ 170 BGB

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S arbeitet in einem Möbelhaus. Die Inhaberin M hat ihn gegenüber den verschiedenen Lieferanten zum selbstständigen Wareneinkauf bevollmächtigt. Da S jedoch unzuverlässig ist, sagt M zu ihm, dass er von nun an nur noch als Kassierer arbeiten und keine Bestellungen mehr vornehmen wird und verlangt die Vollmachtsurkunde zurück.

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Einordnung des Falls

§ 170 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hatte zunächst Vertretungsmacht in Bezug auf den Wareneinkauf bei M.

Genau, so ist das!

Die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht wird Vollmacht genannt. Die Vollmachterteilung (Bevollmächtigung) ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie kann sowohl gegenüber dem Vertreter (Innenvollmacht) als auch gegenüber dem Geschäftspartner (Außenvollmacht) erklärt werden, gegenüber dem die Vertretung stattfinden soll (§ 167 Abs. 1 BGB).M hatte S ihren Lieferanten gegenüber zum selbstständigen Wareneinkauf bevollmächtigt.
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2. M hat die Vollmacht des S wirksam widerrufen.

Ja, in der Tat!

Der Widerruf einer Vollmacht ist wirksam, wenn die Vollmacht widerruflich ist und der Widerruf gegenüber dem richtigen Adressaten erfolgte. Die Vollmacht ist auch bei dem Fortbestehen des Rechtsverhältnisses widerruflich, sofern sich nicht aus diesem ein anderes ergibt (§ 168 S. 2 BGB). Richtiger Adressat des Widerrufs ist nach §§ 168 S. 3, 167 Abs. 1 BGB entweder der Bevollmächtigte oder derjenige, dem gegenüber die Vertretung stattfinden sollte. Die Erklärung des Widerrufs kann konkludent erfolgen. Die Vollmacht war frei widerruflich. S war ein geeigneter Adressat. Indem M ihm Bestellungen untersagte und die Urkunde zurückverlangte, hat sie die Vollmacht konkludent widerrufen.

3. S kann weiterhin Möbelbestellungen bei den Lieferanten tätigen, die für und gegen M wirken.

Ja!

Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt (Außenvollmacht), so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird (§ 170 BGB). Dies gilt nicht, wenn der Dritte das Erlöschen der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts kennt oder kennen muss (§ 173 BGB). Kennenmüssen bedeutet fahrlässige Unkenntnis (§ 122 Abs. 2 BGB). M hat S ihren Lieferanten gegenüber bevollmächtigt und die Vollmacht anschließend gegenüber S konkludent durch Rückforderung der Vollmachtsurkunde widerrufen. Die Lieferanten wissen hiervon nichts und ihre Unkenntnis ist auch nicht fahrlässig.

4. Erst wenn M den einzelnen Lieferanten mitgeteilt hat, dass sie die Vollmacht gegenüber S widerrufen hat, entfällt die Vertretungsmacht des S.

Genau, so ist das!

Die Vertretungsmacht nach § 170 BGB entfällt gemäß § 173 BGB, wenn der Dritte Kenntnis vom Erlöschen der Vollmacht erlangt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DGR

DGR

13.1.2022, 22:53:43

Aber hier wurde die Vertretungsmacht doch gar nicht von der Vertretenen einem Dritten mitgeteilt, zumindest ist dazu keine Angabe im Sachverhalt, wieso muss sie das Erlöschen der Vollmacht, dann trotzdem gegenüber den Lieferanten anzeigen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.1.2022, 10:18:49

Hallo Senpai, vielen Dank für Deine Nachfrage. Aus dem Sachverhalt ergibt sich, dass sie "gegenüber den verschiedenen Lieferanten" die Bevollmächtigung ausgesprochen hat. Hätte sie diese dagegen nur gegenüber S erteilt, so käme gegenüber den Lieferanten in der Tat nur eine Anscheins- oder

Duldungsvollmacht

in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Kind als Schaden

Kind als Schaden

28.4.2024, 23:16:04

Ich bin tatsächlich auch darauf reingefallen. Der Satz ist doppeldeutig, da nicht klar ist, ob "gegenüber" wörtlich zu nehmen ist, oder ob gegenüber nur heißt "in diesem Verhältnis von Vertreter und Dritten".

ÖA

ÖA

25.5.2024, 19:16:05

Ich finde das auch etwas missverständlich formuliert. Eine Anpassung wäre wünschenswert.

REUS04

Reus04

26.3.2023, 22:27:38

Hat die M denn einen Schadensersatzanspruch gegen S? Immerhin wurde S im Innenverhältnis ja mitgeteilt, dass er keine Vertretungsmacht hat.

Bubbles

Bubbles

13.11.2023, 13:25:13

Da zwischen S und M ein Arbeitsvertrag besteht, dürfte M einen Anspruch aus § 280 I haben.

QUIG

QuiGonTim

2.11.2024, 11:49:48

Warum wurde in der letzten Antwort auch § 173 BGB zitiert? Schon aus § 170 BGB ergibt sich doch, dass die Vollmacht ihre Wirksamkeit verliert, wenn der Vollmachtsgeber dem Dritten das Erlöschen anzeigt.

BEN

benjaminmeister

16.11.2024, 17:33:45

Der Dritte kann aber auch Kenntnis erlangen (oder Kenntnis erlangen müssen bei Fahrlässigkeit), ohne das ihm der Widerruf durch den Vertretenen angezeigt wird (durch einen weiteren Unbeteiligten Dritten zum Beispiel, der "gehört hat, dass der Vertreter jetzt keine Vertretungsmacht mehr hat und dies dann dem Dritten erzählt).

BEN

benjaminmeister

16.11.2024, 17:41:28

Ich finde, bei den Fragen ist teilweise die Terminologie ungenau und verwirrend bzw. wird nicht berücksichtigt, dass es mehrere Ansichten gibt. Gerade die letzte Frage erweckt den Eindruck, dass die ursprünglich erteilte Vollmacht solange nicht erlischt, bis der Widerruf dem Dritten angezeigt wird oder dieser Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen. Das ist aber strittig, nach der h.M. erlischt die Vollmacht direkt auch ohne weitere Anzeige an den Dritten. § 170 BGB sorgt nur dafür, dass der Vertretene sich so behandeln lassen muss, als ob die widerrufene Vollmacht noch bestehen würde. Genau genommen besteht sie aber nicht mehr, sondern nur noch der Rechtsschein. Vergleiche dazu Bitter, BGB AT, § 10 Rn. 139: "Die Rechtsfolge des § 170 BGB besteht nach h. M. darin, dass sich der Vertretene dem Dritten gegenüber nicht auf das Erlöschen der Vollmacht berufen kann. Er muss sich so behandeln lassen, als ob die Vollmacht noch fortbestehen würde."


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