Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Rücktritt

Ausschluss bei Verbrauch, § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB analog

Ausschluss bei Verbrauch, § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB analog

24. November 2024

4,9(11.262 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V auf dem Freiburger Münstermarkt einen Käsekuchen. Nachdem sie das erste Stück gegessen hat, entdeckt sie zahlreiche Haare, die mit verbacken wurden. K dreht sofort um, und erklärt V den Rücktritt.

Diesen Fall lösen 83,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Ausschluss bei Verbrauch, § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB analog

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K ist wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten (§§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 346, 323, 440 S. 1 3. ALt. BGB).

Genau, so ist das!

Ist die Sache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer zurücktreten, wenn er (1) eine fruchtlos abgelaufene Frist gesetzt hat oder die Fristsetzung entbehrlich ist, (2) den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB) und (3) der Rücktritt nicht ausgeschlossen ist (§ 323 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 BGB).Der Kuchen entspricht aufgrund der Haare nicht der objektiven Beschaffenheit, die üblich und erwartbar ist (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2a BGB). Eine Nacherfüllung ist K im Hinblick auf die unzumutbaren hygienischen Verhältnisse nicht zumutbar, weswegen eine Nacherfüllungsfrist entbehrlich ist (§ 440 S. 1 3. Alt. BGB). K hat auch den Rücktritt erklärt. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. K kann von V Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises verlangen.

Ja, in der Tat!

Mit dem Rücktritt erlöschen die primären Leistungspflichten. Der Vertrag wandelt sich damit in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Soweit schon ein Leistungsaustausch stattgefunden hat, muss jede Partei die empfangenen Leistungen zurückgewähren (§ 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Die aus dem Rücktritt folgenden Pflichten müssen Zug um Zug erfüllt werden (§ 348 S. 1 BGB). V hat als Leistung den Kaufpreis empfangen. Diesen muss er an V zurückzahlen.

3. V kann von K die Rückgabe des noch nicht gegessenen Teil des Kuchens verlangen.

Ja!

Mit dem Rücktritt erlöschen die primären Leistungspflichten. Der Vertrag wandelt sich damit in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Soweit schon ein Leistungsaustausch stattgefunden hat, muss jede Partei die empfangenen Leistungen zurückgewähren (§ 346 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Die aus dem Rücktritt folgenden Pflichten müssen Zug um Zug erfüllt werden (§ 348 S. 1 BGB). K hat als Leistung den Kuchen empfangen. Den noch nicht gegessenen Teil muss sie an V "in Natur" zurückgeben.

4. Da K das gegessene Stück nicht zurückgeben kann, muss sie hierfür Wertersatz zahlen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Sofern die empfangene Leistung nicht zurückgegeben werden kann, ist nach § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn die Wertersatzpflicht ausgeschlossen ist (§ 346 Abs. 3 BGB). Nach § 346 Abs. 3 S. 1 BGB entfällt die Pflicht, wenn ein Mangel sich erst bei Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes zeigt. Der Verbrauch ist dagegen nicht vom Wortlaut umfasst. Da insofern aber nach h.M. (1) eine planwidrige Regelungslücke und (2) eine vergleichbare Interessenlage besteht, wendet die h.M. den Ausschlusstatbestand analog an. Da K die Mangelhaftigkeit des Kuchens erst nach dem Verzehr des ersten Stücks bemerkt hat, ist die Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 3 S. 1 BGB analog ausgeschlossen..
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

3.1.2022, 20:39:19

Kann man den Ausschluss der Wertersatzpflicht auch mit § 346 II 1 Nr. 3 Hs. 2 begründen? Da der Kuchen zum Verzehr gedacht ist, ließe sich doch auch sagen, dass die K durch das Essen des Kuchens diesen bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen hat, wodurch er dann untergegangen ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.1.2022, 10:15:03

Hallo Simon, das ist ein durchaus interessanter Gedanke. Dennoch scheidet dieser Kunstgriff im Hinblick auf die Systematik der Norm aus. Denn der Gesetzgeber hat im Hinblick auf den Verbrauch eines Gegenstandes in § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB einen gesonderten Tatbestand geschaffen. Daraus ergibt sich, dass der Verbrauch eines Gegenstandes nicht mit der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme gleichgesetzt werden kann. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Simon

Simon

4.1.2022, 23:40:34

Vielen Dank für die schnelle Antwort! § 346 II 1 Nr. 2 Var. 1 habe ich hier in der Tat überlesen. Dann ist meine oben geäußerte Ansicht natürlich nicht mehr vertretbar :)

DAN

Daniel

6.2.2022, 20:28:22

Wäre es nicht präziser zu sagen, dass K "den noch nicht gegessenen Teil des Kuchens" zurückgeben muss (und nicht einfach "den Kuchen")?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.2.2022, 10:44:41

Hallo Daniel, in der Tat ist dies etwas missverständlich gewesen. Wir haben dies entsprechend präzisiert. Danke Dir! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CH1RON

CH1RON

23.4.2022, 20:16:25

Jede:r Freiburger:in denkt da bestimmt an einen ganz bestimmten Anbieter von Käsekuchen :D Toller Fall, vielen Dank!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2022, 09:39:06

Wobei wir ihm mit diesem Fall etwas Unrecht tun. Zumindest während meiner Studienzeit kam ich nie in den Genuss der hier beschriebenen Spezialzutat :D Freut uns natürlich dennoch, dass Dir der Fall gefällt und die Anspielung ankam!

Dogu

Dogu

23.5.2023, 17:24:56

§ 440 wird mittlerweile beim

Verbrauchsgüterkauf

von

§ 475d

I BGB verdrängt. Bei einem Kauf für den privaten Konsum ist die Verbrauchereigenschaft der Käuferin zu unterstellen. Vielleicht könnte der SV etwas umgestellt werden? Ansonsten wäre wohl

§ 475d

I Nr. 3 BGB einschlägig.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen