Zivilrecht

Kaufrecht

Rücktritt

Wertersatz bei Verschlechterung vor Entstehung des Rücktrittsrechts

Wertersatz bei Verschlechterung vor Entstehung des Rücktrittsrechts

10. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft bei V ein rotes iPhone. K geht mit ihren Handys schon immer fahrlässig um, weshalb ihr auch das neue iPhone gelegentlich fahrlässig aus der Hand fällt. Dadurch bekommt es einige Kratzer und Dellen. Nach fünf Monaten geht das Handy wegen eines Herstellungsfehlers nicht mehr an. Nach Fristsetzung tritt K vom Kauf zurück.

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Einordnung des Falls

Wertersatz bei Verschlechterung vor Entstehung des Rücktrittsrechts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V kann von K Wertersatz verlangen, weil das Iphone jetzt nicht mehr eingeschaltet werden kann, sich also verschlechtert hat (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Hs. 1 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Schuldner muss Wertersatz für die Verschlechterung oder den Untergang des empfangenen Gegenstands leisten (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Hs. 1 BGB). Die Pflicht zum Wertersatz entfällt jedoch, soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 BGB). Vertretenmüssen meint hierbei nicht schuldhaftes Verhalten (§ 276 BGB), sondern Verantwortlichkeit. Dieser Ausschlusstatbestand greift daher insbesondere dann ein, wenn ein Sachmangel des Leistungsgegenstandes zur Verschlechterung oder zum Untergang der Sache führte, weil die Ursache dann beim Verkäufer lag. Hier beruht die Verschlechterung auf einem Sachmangel, sodass Wertersatz hierfür ausgeschlossen ist (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB).
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2. V kann von K Wertersatz verlangen, weil das iPhone jetzt Kratzer und Dellen hat, sich also verschlechtert hat (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Pflicht zum Wertersatz (§ 346 Abs. 2 BGB) entfällt, wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB). Gemeint ist die eigenübliche Sorgfalt (§ 277 BGB, lat.: "diligentia quam in suis"). Entscheidend für die eigenübliche Sorgfalt ist das gewöhnliche Verhalten des Schuldners, solange keine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. K geht mit ihren Handys gewöhnlich fahrlässig um, haftet also nicht für Fahrlässigkeit.

3. V kann von K aber Schadensersatz verlangen, weil sie das iPhone beschädigt hat.

Nein!

Mit Ausübung des Rücktritts entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis. Dieses Schuldverhältnis kann Gegenstand einer Pflichtverletzung sein (§§ 346 Abs. 4, 280ff. BGB). Zum Zeitpunkt der Beschädigung bestanden aber mangels Ausübung des Rücktrittsrechts noch kein Rückgewährschuldverhältnis und keine Rückgewährpflicht, sodass S nicht sorgsam mit dem iPhone umgehen musste. Auch der Kaufvertrag als Schuldverhältnis (§§ 433, 280 Abs. 1 BGB) hilft nicht weiter, weil der Käufer grundsätzlich nicht zum ordnungsgemäßen Umgang mit der Kaufsache verpflichtet ist, wenn er noch gar keine Kenntnis von einem Rücktrittsrecht hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

NO

notwesanderson

1.11.2021, 18:11:08

Top !

QUIG

QuiGonTim

27.2.2024, 23:30:21

Wie relevant sind eigentlich lateinische Fachbegriffe wie „diligentia in quam suis“ für das Examen? Sollte man sie zwingend drauf haben oder sind sie „nur“ die Kür für‘s Prädikat?

LELEE

Leo Lee

4.3.2024, 09:30:59

Hallo QuiGonTim, das ist ein sehr gute Frage! Hier gilt: Lateinische Begriffe können – wie du sagst – die Kür sein bzw. die Kirsche auf der Torte (richtige Antwort) sein. Aber auch ohne lateinische Begriffe kann man 18 Punkte in der Klausur erreichen. Auch in der Praxis werden lateinische Begriffe selten benutzt (wie etwa in Gerichtsentscheidungen, wo kaum Latein benutzt wird; dies scheint eher in der Literatur verbreitet zu sein). Deshalb lautete die Antwort: Kann man machen, muss man aber nicht :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LUKA

Lukas_Schulle

18.9.2024, 17:01:15

Gerichtssprache ist deutsch, § 184 S.1 GVG ;) - bei den Kondiktionen vielleicht sogar eher damit sparen, weil es sehr hochgestochen klingt, von der "

condictio ob rem

", etc. zu sprechen. Jedoch kann ich mir vorstellen, dass venire contra factum proprium (als Fallgruppe aus § 242 BGB) an der richtigen Stelle platziert, dass Korrektorenherz höher schlagen lässt.

erikxxx

erikxxx

2.8.2024, 11:23:52

Ist diese Zusammenfassung so Korrekt? Vor Ausübung des

Rücktrittsrecht

s: Es gilt grundsätzlich die Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 2 BGB. Allerdings entfällt diese Pflicht gemäß § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wenn der Käufer die Verschlechterung, den Untergang oder die

Unmöglichkeit

der Herausgabe nicht zu vertreten hat. Hierbei ist die Beurteilung nach §

277 BGB

maßgeblich, das heißt, der Käufer haftet nur für

Vorsatz

und grobe Fahrlässigkeit. Nach Ausübung des

Rücktrittsrecht

s: Es gilt § 346 Abs. 4 BGB in Verbindung mit §

280 BGB

, was bedeutet, dass der Käufer schadensersatzpflichtig ist, wenn er die Verschlechterung, den Untergang oder die

Unmöglichkeit

der Herausgabe zu vertreten hat. Hier erfolgt die Beurteilung nach

§ 276 BGB

, also nach den allgemeinen Verschuldensregeln, einschließlich

Vorsatz

und Fahrlässigkeit.

MIC

Michael

1.10.2024, 19:08:21

Und nach Kenntnis des Rücktrittsgrundes aber vor Rücktrittserklärung gelten Rücksichtsnahmepflichten aus § 241 II BGB, weshalb ein SE-AS für diesen Zeitraum geltend gemacht werden kann. Ist aber meines Wissens nach umstritten.


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