Gefahr einer Gesundheitsschädigung

12. April 2025

11 Kommentare

4,9(19.072 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Um seinem Erzfeind B einen Denkzettel zu verpassen, zündet A dessen Reihenhaus an. Dabei weiß er, dass B sich im Urlaub befindet. A nimmt jedoch billigend in Kauf, dass der Brand auf das Nachbarhaus übergeht. Die Nachbarn erleiden eine Rauchgasvergiftung. Bevor die Flammen auf das angrenzende Haus übergehen, gelingt es der Feuerwehr, das Feuer zu löschen.

Diesen Fall lösen 91,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A das Reihenhaus des B in Brand gesetzt hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Genau, so ist das!

Das Reihenhaus ist ein Gebäude, da es ein durch Wände und Dach begrenztes, mit dem Erdboden fest verbundenes Bauwerk, das den Eintritt von Menschen gestattet, darstellt. Es wurde auch in Brand gesetzt, da es in einer Weise vom Feuer erfasst ist, dass ein Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich ist. Zudem befand es sich im Eigentum des B, sodass es für A fremd war.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Das Reihenhaus dient zum Tatzeitpunkt "der Wohnung von Menschen" (§ 306a Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Ein Gebäude dient der Wohnung von Menschen, wenn es von Personen zumindest vorübergehend tatsächlich als Ort privater Lebensführung benutzt wird. Unbeachtlich ist, dass sich zum Zeitpunkt des Inbrandsetzens keine Menschen in dem Haus befinden (abstrakte Gefährlichkeit).Durch seine urlaubsbedingte Abwesenheit hat B den Wohnzweck des Hauses nicht aufgegeben (sog. Entwidmung). Indem A das Reihenhaus vorsätzlich in Brand gesetzt hat, hat er sich wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB) strafbar gemacht. Dass A wusste, dass B sich im Urlaub befand, ändert auch im Übrigen nichts an der Strafbarkeit. Man könnte zwar an eine teleologische Reduktion des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB denken, wenn eine Gefährdung von Menschen ausgeschlossen wäre. Die sehr strengen Anforderungen des BGH an eine solche Reduktion liegen hier aber nicht vor. Näheres dazu findest Du in diesem Fall).

3. A hat sich wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) strafbar gemacht, wenn er "eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand gesetzt hat" und "dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht hat".

Ja!

Die schwere Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) ist ein eigenes Grunddelikt. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Das Tatobjekt wird wie in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 StGB definiert, wobei das Merkmal der Fremdheit keine Tatbestandsvoraussetzung ist. Durch die Tathandlung (das "Inbrandsetzen bzw. die Zerstörung durch Brandlegung" (wie in § 306 Abs. 1 StGB definiert)) muss ein anderer Mensch in die (konkrete) Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht worden sein. Der Gefahrerfolg muss aus der spezifischen Gefährlichkeit der Tathandlung resultieren (spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang).

4. Dadurch, dass A das Haus des B in Brand gesetzt hat, hat er die Nachbarn "in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung" gebracht (§ 306a Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Gesundheitsschädigung (wie in § 223 Abs. 1 StGB) meint das Hervorrufen oder Steigern eines wenn auch nur vorübergehenden pathologischen Zustandes. Konkrete Gefahr meint eine kritische Situation, in der die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Rechtsgutserfolges besteht und die (mögliche) Rechtsgutsverletzung lediglich zufällig ausbleibt. Hier erleiden die Nachbarn bereits eine Rauchvergiftung.

5. Auch der spezifische Gefahrverwirklichungszusammenhang liegt vor.

Ja, in der Tat!

Wegen der Ausweitung der Tathandlungen um die Brandlegung genügt die Kausalität der Brandstiftung für den konkreten Gefahrerfolg nicht. Notwendig ist – wie bei den erfolgsqualifizierten Delikten auch – ein spezifischer Gefahrzusammenhang zwischen der Vornahme der Brandstiftung und dem Eintritt des Gefahrerfolgs. Dieser Zusammenhang besteht nicht nur, wenn sich die spezifische Gefährlichkeit des Tatmittels Feuer unmittelbar im konkreten Erfolg verwirklicht (z.B. Gesundheitsschäden durch Rauchgasentwicklung). Er liegt auch vor, wenn die Gefährlichkeit sich mittelbar über die Einwirkung auf das Tatobjekt ergibt und sich im Gefahrerfolg realisiert (z.B. Gefahr durch Einstürzen des Tatobjekts).In Form der Rauchvergiftung hat sich die Gefahr des Feuers unmittelbar verwirklicht.

6. A hatte Vorsatz bezüglich des konkreten Gefahrerfolgs.

Ja!

Der subjektive Tatbestand des § 306a Abs. 2 StGB umfasst den Vorsatz bezogen auf die Tathandlung am Tatobjekt sowie den Vorsatz hinsichtlich der konkreten Gesundheitsgefährdung. A hat willentlich und bewusst das Reihenhaus angezündet. Dass der Brand auf das Nachbarhaus überschlägt und infolgedessen die Gesundheit der Nachbarn konkret gefährdet, hat er billigend in Kauf genommen und insofern bedingten Vorsatz.

7. § 306a Abs. 2 StGB steht mit § 306a Abs. 1 StGB und § 306 Abs. 1 StGB im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander.

Genau, so ist das!

Da § 306a Abs. 2 StGB eine konkrete Individualgefährdung voraussetzt, hat der Tatbestand eine eigenständige Schutzrichtung. Mit dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 306a Abs. 1 StGB und dem Sachbeschädigungsdelikt des § 306 Abs. 1 StGB besteht deshalb Tateinheit (§ 52 StGB).
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

APhM

APhM

16.2.2022, 10:27:57

Hey :)! Die Definition zum spezifischen

Gefahrverwirklichungszusammenhang

finde ich persönlich echt sperrig. Ich verstehe sie zwar so, dass dabei versucht worden ist die besonderen Umstände des ß § 306a II StGB zu erfassen. Doch so wurde ich eher verwirrt bzw. der Lerneffekt lag in der Umformulierung hin zu einer eigenen passenderen Definition. Vlt. fällt euch da ja noch etwas ein. LG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

17.2.2022, 15:28:59

Vielen Dank, APhM. Wir haben die Definition nun etwas leserfreundlicher gestaltet. Schau sie Dir gerne noch einmal an. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CECI

Cecilie

5.6.2022, 17:47:36

In den Aufgaben zu § 306a I gibt es Beispiele, in denen das tbm „Gebäude, dass der Wohnung von Menschen vorliegt“ abgelehnt wird, weil die Häuser dann nur zu bestimmten Jahreszeiten genutzt werden, weil es um die tatsächliche Nutzung geht. Das hat mich irgendwie verwirrt. Ich weiß, dass ist total Einzelfall abhängig, aber wenn eine Familie 3 Wochen in den Sommerferien ist, wird es ja Faktisch auch nicht genutzt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.6.2022, 11:30:30

Hallo Cecilie, die Differenzierung ist danach zu richten, ob das Gebäude zumindest vorübergehend als Lebensmittelpunkt dient. Diese Eigenschaft wird auch während eines Urlaubs an einem anderen Ort nicht aufgehoben. Dies wäre erst dann der Fall, wenn eine

Entwidmung

stattgefunden hat, also der Wohnzweck komplett aufgegeben wurde. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team.

Sassun

Sassun

9.7.2024, 17:32:03

Prüfungspunkt: I. TB 1. Obj. a) Gebäude, das der Wohnung von Menschen dient. Ich dachte sowohl bei der im Sommer leerstehenden Winterhütte, als auch bei dem Anzünden des Toilettenhauses (vorherige Fälle) kam es darauf an, dass im Tatzeitpunkt die jeweiligen Gebäude nicht tatsächlich als Ort der Lebensführung benutzt wurden. Den Urlaub des B hätte ich als vergleichbar zur im Sommer leerstehenden Winterhütte eingeordnet. Sodass zum Tatzeitpunkt keine entsprechende tatsächliche Nutzung vorlag.

lexspecialia

lexspecialia

19.7.2024, 15:03:53

Bei dem Toilettenhaus gem. § 306a I Nr.3 ging es tatsächlich um den Tatzeitpunkt, da hier es laut Wortlaut „zeitweise Aufenthalt von Menschen dient“ genau darauf ankommt. Dagegen finde ich hier bei einer Wohnung die ich dauerhaft bewohne nicht vergleichbar ist eben mit einer Winter-Ferienhütte, da eben meine dauerhafte genutzte Wohnung erstmal entwidmet werden müsste. Diese hat eben aber nicht stattgefunden. Vielleicht konnte dir das etwas weiterhelfen :)

ISA

Isa

4.11.2024, 11:59:18

Wo erwähne ich genau die spezifische

Gefahrverwirklichungszusammenhang

?

Vincent

Vincent

20.1.2025, 14:29:43

Im Falle der vor der

Brandlegung

durchsuchten Villa, wurde erklärt: durchsucht der Täter vor der Legung eines Brandes ein kleineres Haus und stellt fest dass niemand anwesend ist. Eine Bestrafung nach ABS.1 nicht möglich ist. Inwiefern unterscheidet sich dies vom vorliegenden Fall wo der Täter weiß, das alle im zrla7b sind ?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

4.2.2025, 18:58:07

Hallo @Vincent, den anderen Fall, den Du erwähnst, nennst Du leider nicht konkret, ich vermute aber, Du meinst den hier: https://applink.jurafuchs.de/cb8PWFExmQb? Die Antworten zu diesen Fällen sind deshalb nicht widersprüchlich, weil die Anforderungen des BGH an eine entsprechende teleologische Reduktion extrem streng sind und, jedenfalls in der Praxis, kaum jemals vorliegen werden. Wie in dem oben verlinkten Fall beschrieben, wäre nach der Rspr erforderlich, "daß eine Gefährdung von Menschenleben nach der tatsächlichen Lage absolut ausgeschlossen ist [...]. Der Täter muß sich also durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen vergewissert haben, daß die [...] verbotene Gefährdung mit Sicherheit nicht eintreten kann. Das ist aber nur bei kleinen, insbesondere bei einräumigen Hütten oder Häuschen möglich, bei denen auf einen Blick übersehbar ist, daß sich Menschen dort nicht aufhalten können." (BGH NJW 1975, 1369, 1370) Diese Voraussetzungen liegen (auch) in unserem Fall hier nicht vor. Zunächst zündet der Täter ein Reihenhaus an, das wohl aus deutlich mehr als einem Raum besteht und schon deshalb "zu groß" ist. Zudem wäre nach dem BGH wohl eine tatsächliche Vergewisserung durch Betreten erforderlich, bloße Kenntnis urlaubsbedinger Abwesenheit der Bewohner wird kaum genügen. Wir haben jetzt der Vollständigkeit halber einen Vertiefungshinweis in die Aufgabe aufgenommen, die kurz die Hintergründe erläutert und auf den von mir oben verlinkten Fall verweist. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

Gefahr der Gesundheitsschädigung für einen "anderen" Menschen

A will sein Ferienhaus in Brand setzen. Er weiht seinen Freund F in alles ein. F verteilt Benzin im Haus. Sobald F sich in Sicherheit gebracht hat, wirft A von außen eine brennende Fackel in das Haus, welches sofort in Flammen steht. F bemerkt, dass er seine Brieftasche im Haus vergessen hat und rennt zurück ins Haus. Im Eingangsbereich erleidet er Atembeschwerden und bricht sein Vorhaben ab.

Fall lesen

Jurafuchs

Spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang

A möchte sein Haus mittels eines Brandsatzes niederbrennen. Unmittelbar nach Aktivierung explodiert der Brandsatz. Zu diesem Zeitpunkt geht Passant P an dem Haus vorbei. Er wird durch die zerspringende Fensterscheibe verletzt.

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen