Strafrecht
BT 4: Brandstiftungsdelikte
Schwere Brandstiftung, § 306a StGB
Gefahr der Gesundheitsschädigung für einen „anderen“ Menschen
Gefahr der Gesundheitsschädigung für einen „anderen“ Menschen
2. Juli 2025
14 Kommentare
4,6 ★ (26.258 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

A will sein Ferienhaus in Brand setzen. Er weiht seinen Freund F in alles ein. F verteilt Benzin im Haus. Sobald F sich in Sicherheit gebracht hat, wirft A von außen eine brennende Fackel in das Haus, welches sofort in Flammen steht. F bemerkt, dass er seine Brieftasche im Haus vergessen hat und rennt zurück ins Haus. Im Eingangsbereich erleidet er Atembeschwerden und bricht sein Vorhaben ab.
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Einordnung des Falls
Gefahr der Gesundheitsschädigung für einen „anderen“ Menschen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem A die brennende Fackel in das Haus geworfen hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein, das ist nicht der Fall!
2. Das Ferienhaus „dient der Wohnung von Menschen“ (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
3. A hat sich wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) strafbar gemacht, wenn er eine „in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand gesetzt hat“ und „dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht hat“.
Ja!
4. Das Ferienhaus ist ein Tatobjekt der in § 306 StGB bezeichneten Sachen (§ 306a Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
5. Indem A das Haus in Brand gesetzt hat, hat er nach h.M. eine konkrete Gefahr für einen „anderen“ Menschen herbeigeführt (§ 306a Abs. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
6. Die Gesundheitsschädigung des F ist auch „durch“ das Inbrandsetzen des A entstanden (§ 306a Abs. 2 StGB).
Ja!
7. Die Gesundheitsschädigung ist dem A auch objektiv zurechenbar.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jonas0108
3.10.2024, 11:31:33
Wie hat sich F hier strafbar gemacht?
agi
13.10.2024, 21:39:18
Ich würde für den F §306a I Nr.3 , § 25 II prüfen, sofern man es nicht genügen lassen möchte dann §§306a I Nr.3,27
Julian Ost
12.11.2024, 19:03:37
Hallo zusammen, wieso wird die Voraussetzung der konkreten Gefahr für eine andere Person bei der Brandstiftung auf Beteiligte ausgeweitet (zumindest von der herrschenden Meinung), bei den Straßenverkehrsdelikten aber nicht?
Leonie
3.1.2025, 20:03:32
* push
SimonH
17.4.2025, 17:11:28
Intuitiv würde ich sagen, weil die
Brandstiftungsdelikteeine höhere abstrakte Gefährlichkeit haben (auch wenn das für § 306a II StGB eigentlich egal ist). Das ist schließlich auch der Grund des teilweise absurd hohen Strafrahmens der §§ 306a ff. StGB. Diese stammen noch aus einer Zeit, in der man befürchten musste, dass bei Inbrandsetzung eines Hauses - mangels entsprechend modern ausgestatteter Feuerwehr - gleich das gesamte Viertel abbrennt. Ich würde daher mutmaßen, dass auch die Rechtsprechung zur Einbeziehung von Tatbeteiligten noch von diesem Hintergrund geprägt war/ist.

Sebastian Schmitt
1.6.2025, 14:22:14
Hallo @[Julian Ost](228435), hallo @Leonie, eine berechtigte Frage! Das Argument von @[SimonH](230651) hat durchaus etwas für sich. Ein Brand, noch mehr als ein Fahrzeug, kann sehr schnell völlig unkontrollierbar werden, sobald er einmal richtig "loslegt". Mit diesem hohen Maß abstrakter Gefährlichkeit ließe sich die strengere Auslegung bei der Brandstiftung rechtfertigen. Die Rspr scheint mir allerdings eher den umgekehrten Weg zu gehen und zu versuchen, die engere Auslegung bei den Verkehrsdelikten besonders zu begründen. Ihr geht es iRd Straßenverkehrs seit Jahrzehnten um eine Art "
Lagertheorie", mit der sie den Tatbeteiligten vom Anwendungsbereich ausnehmen will. Es scheitere eben an der "Gemeingefahr" für andere Verkehrsteilnehmer (so LK-StGB/König, 13. Aufl 2020, § 315c Rn 160 mwN, s auch §
315bRn 72 ff). Auf Details ist der BGH schon in mittlerweile recht alten Entscheidungen (zB BGH NStZ 1992, 233) kaum mehr eingegangen, sondern hat sich bloß auf seine ganz frühere Rspr berufen. Die logische Anschlussfrage ist natürlich, warum diese
Lagertheoriegerade im Straßenverkehr gelten soll (einer recht "gefahrgeneigten" Umgebung, in deren Gefährdung man ja auch nicht ohne Weiteres einwilligen kann), in anderen Bereichen aber wiederum nicht. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die recht deutliche Kritik an der Rspr durch die wohl hL. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Franz
4.12.2024, 18:37:58
(1) Hier wurde der spezifische
Gefahrverwirklichungszusammenhangbejaht (
Gesundheitsschädigungdurch Rauch), jedoch die objektive Zurechnung verneint. (2) In dem Beispiel für
Retterfälle, bei denen jemand noch Familienfotos aus der Gartenhütte rettet, es aber wegen
Beschwerden durch Rauch abbricht, wird jedoch "durch den Brand" verneint. Dort sollen die
Beschwerden nicht aufgrund des Rauchs, sondern wegen seines irrationalen Rettungsversuchs eingetreten sein. Die Gesundheitsgefährdung wäre nicht mehr vom Risiko durch die ursprüngliche Brandstiftung gedeckt --> das gleiche aber könnte man doch auch schon in diesem Fall (bei (1)) sagen Besteht zwischen den Fällen ein Unterscheid? Wenn nein, finde ich es wie hier logischer, wenn man es über die objektive Zurechnung löst. Auch die
Beschwerden beim irrationalen Rettungsversuch sind erst einmal "durch den Brand" des Täters entstanden.
benjaminmeister
25.5.2025, 18:40:48
Ich sehe zwar ebenso wie du keinen Unterschied in den Fällen, würde aber generell entgegengesetzt argumentieren: Der spezifische Gefahrenverwirklichungszusammenhang sollte hier verneint werden, da nicht die gesetzte Ausgangsgefahr ("Inbrandsetzen") die
Gesundheitsschädigungherbeiführt, sondern das eigenverantwortliche, selbstgefährdende Verhalten des Dritten.