Strafrecht

BT 4: Brandstiftungsdelikte

Schwere Brandstiftung, § 306a StGB

Gefahr der Gesundheitsschädigung für einen "anderen" Menschen

Gefahr der Gesundheitsschädigung für einen "anderen" Menschen

5. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A will sein Ferienhaus in Brand setzen. Er weiht seinen Freund F in alles ein. F verteilt Benzin im Haus. Sobald F sich in Sicherheit gebracht hat, wirft A von außen eine brennende Fackel in das Haus, welches sofort in Flammen steht. F bemerkt, dass er seine Brieftasche im Haus vergessen hat und rennt zurück ins Haus. Im Eingangsbereich erleidet er Atembeschwerden und bricht sein Vorhaben ab.

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Einordnung des Falls

Gefahr der Gesundheitsschädigung für einen "anderen" Menschen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A die brennende Fackel in das Haus geworfen hat, hat er sich wegen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 306 Abs. 1 StGB erfordert als Eigentumsdelikt, dass das Tatobjekt für den Täter fremd ist. Die Fremdheit des Tatobjektes richtet sich nach den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen. Danach ist eine Sache für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. A ist Alleineigentümer des Ferienhauses. Eine Strafbarkeit nach § 306 Abs. 1 StGB scheidet aus.
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2. Das Ferienhaus "dient der Wohnung von Menschen" (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Räumlichkeit dient der Wohnung von Menschen, wenn sie von Personen zumindest vorübergehend tatsächlich als Ort privater Lebensführung benutzt wird. Ob das Ferienhaus zum Tatzeitpunkt zu Wohnzwecken diente, ergibt sich zwar nicht aus dem Sachverhalt, jedoch hat A - als einziger Bewohner - durch das Inbrandsetzen des Hauses den Wohnzweck konkludent aufgehoben (sog. Entwidmung).

3. A hat sich wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) strafbar gemacht, wenn er eine "in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand gesetzt hat" und "dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht hat".

Ja!

Die schwere Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) ist ein eigenes Grunddelikt. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt. Das Tatobjekt wird wie in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 6 StGB definiert, wobei das Merkmal der Fremdheit keine Tatbestandsvoraussetzung ist. Durch die Tathandlung (das "Inbrandsetzen bzw. die Zerstörung durch Brandlegung" (wie in § 306 Abs. 1 StGB definiert)) muss ein anderer Mensch in die (konkrete) Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht worden sein. Der Gefahrerfolg muss aus der spezifischen Gefährlichkeit der Tathandlung resultieren (spezifischer Gefahrverwirklichungszusammenhang).

4. Das Ferienhaus ist ein Tatobjekt der in § 306 StGB bezeichneten Sachen (§ 306a Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Ein Gebäude im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt vor, wenn es sich um einen (zumindest teilweise) umschlossenen, mit Grund und Boden verbundenen Raum handelt, der von Menschen betreten werden kann. Eine Sache ist in Brand gesetzt, wenn sie in einer Weise vom Feuer erfasst ist, dass ein Weiterbrennen aus eigener Kraft möglich ist. Das Ferienhaus ist ein umschlossener, mit Grund und Boden verbundener Raum, der von Menschen betreten werden kann. A hat das Haus auch in Brand gesetzt, als er die brennende Fackel in das Haus geworfen hat (§ 306a Abs. 2 StGB).

5. Indem A das Haus in Brand gesetzt hat, hat er nach h.M. eine konkrete Gefahr für einen "anderen" Menschen herbeigeführt (§ 306a Abs. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Gesundheitsschädigung (wie in § 223 Abs. 1 StGB) meint das Hervorrufen oder Steigern eines wenn auch nur vorübergehenden pathologischen Zustandes. Konkrete Gefahr meint eine kritische Situation, in der die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Rechtsgutserfolges besteht und die (mögliche) Rechtsgutsverletzung lediglich zufällig ausbleibt. Nach der h.M. ist § 306a Abs. 2 StGB wegen der konkreten Individualgefahr auch auf den Schutz des Einzelnen und damit auch den Tatbeteiligten anwendbar. F erleidet bereits Atembeschwerden. Er gehört auch als Tatbeteiligter zum geschützten Personenkreis. Teile der Lit.: Tatbeteiligte sind nicht vom geschützten Personenkreis umfasst, da § 306a Abs. 2 StGB die Allgemeinheit schützen soll.

6. Die Gesundheitsschädigung des F ist auch "durch" das Inbrandsetzen des A entstanden (§ 306a Abs. 2 StGB).

Ja!

Wegen der Ausweitung der Tathandlungen um die Brandlegung genügt die Kausalität der Brandstiftung für den konkreten Gefahrerfolg nicht. Erforderlich ist hier der spezifische Gefahrzusammenhang zwischen der Vornahme der Brandstiftung und dem Eintritt des Gefahrerfolges, d.h. in der Gesundheitsgefährdung muss sich gerade das der Brandstiftungshandlung innewohnende Risiko verwirklichen. Von einem solchen Gefahrzusammenhang ist auszugehen, wenn sich die spezifische mit der Verwendung des Tatmittels Feuer verbundene entweder unmittelbar auf das Rechtsgut Gesundheit wirkende Gefährlichkeit (etwa Rauchgasentwicklung) oder die über die Einwirkung auf das Tatobjekt vermittelte Gefährlichkeit der Vornahme der Tathandlung (etwa Gefahr durch das Einstürzen des Tatobjekts) im konkreten Gefahrerfolg verwirklicht. Vorliegend hat F rauchbedingte Atembeschwerden erlitten. Rauchbedingte Atembeschwerden bis hin zu einer Rauchgasvergiftung sind ein typisches Risiko einer Brandentwicklung. Damit hat sich der spezifische Gefahrzusammenhang verwirklicht.

7. Die Gesundheitsschädigung ist dem A auch objektiv zurechenbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Neben dem gefahrspezifischen Zusammenhang muss der Erfolg auch objektiv zurechenbar sein. Ein Erfolg, hier also die Gefährdung, ist dem Täter nur dann objektiv zurechenbar, wenn gerade das Verhalten des Täters eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen und gerade diese Gefahr sich im tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht hat. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit grenzt diejenigen Risiken aus, die das Opfer selbst zu verantworten hat. Eine Zurechnung scheidet nach h.M. dann aus, wenn eine freiverantwortliche Selbstgefährdung vorliegt, eine einverständliche Fremdgefährdung lässt die objektive Zurechnung hingegen unberührt. Das entscheidende Kriterium für die Abgrenzung muss das In-den-Händen-Halten des zum Erfolg, hier also der konkreten Gefährdung, führenden Geschehens sein. Die konkret zum Gefahrerfolg führende Handlung ist nicht das Anzünden des Hauses, sondern das eigenverantwortliche Betreten des Hauses. Denn F hat sich bei Begehung der Tat in völliger Sicherheit befunden. Sein freiwilliger Entschluss, ohne Rechtspflicht bzw. ohne eine mit § 35 StGB vergleichbare Motivationslage wieder in das brennende Haus zurückzukehren, begründet daher eine freiverantwortliche Selbstgefährdung. Dies kann A aber nicht mehr zugerechnet werden.
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