Leerstehendes Haus 2

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A bittet den B, ihm seine Almhütte, die nur während des Sommers von A selbst bewohnt ist, in einer Winternacht anzuzünden, weil er in den Genuss der Brandversicherungssumme gelangen möchte. B tut dies, um A den Wunsch zu erfüllen.

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Einordnung des Falls

Leerstehendes Haus 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Almhütte ist für B eine "fremde Hütte" (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Die Fremdheit des Tatobjektes richtet sich nach den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen. Danach ist eine Sache für den Täter fremd, wenn sie weder in dessen Alleineigentum steht noch herrenlos ist. Die Almhütte steht im Eigentum des A.
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2. Die Brandstiftung durch B ist durch die Einwilligung des A gerechtfertigt.

Ja!

Nach h.M. ist die Einwilligung im Rahmen des § 306 Abs. 1 StGB Rechtfertigungsgrund. Eine Einwilligung setzt voraus: (1) ein disponibles Rechtsgut, (2) Einwilligungsfähigkeit des Berechtigten, (3) ausdrückliche oder konkludente Erklärung der Einwilligung, (4) vor der Tatbegehung, (5) frei von Willensmängeln, (6) Täter handelt in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung. Als Eigentümer steht dem A die Dispositionsbefugnis über die Almhütte zu (vgl. § 903 BGB). A hat die Einwilligung konkludent vor der Tat erteilt, indem er B um das Inbrandsetzen bat. B handelte auch in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung.

3. Die Almhütte "dient der Wohnung von Menschen" (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Hütte dient der Wohnung von Menschen, wenn sie von Personen zumindest vorübergehend tatsächlich als Ort privater Lebensführung benutzt wird. Ein kontinuierliches Wohnen ist dabei nicht erforderlich. Die Almhütte wird nur im Sommer zum Wohnen benutzt. B zündete die Hütte während einer Winternacht an. Zu dieser Zeit steht die Almhütte leer. Mangels Nutzung dient sie – zumindest zum Tatzeitpunkt – nicht der Wohnung von Menschen.

4. B hat sich wegen Versicherungsmissbrauchs (§ 265 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Im Zusammenhang mit Brandstiftungsdelikten spielt § 265 StGB häufig eine Rolle, da der Täter vielfach die Brandstiftung begeht, um sich oder einem Dritten Leistungen aus einer Brandversicherung zu verschaffen. B hat eine "versicherte Sache" (hier: Almhütte) durch Brandlegung "zerstört". Diesbezüglich handelte er vorsätzlich und mit Absicht, dem A "eine Leistung aus der Versicherung zu verschaffen".
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dolusdave

Dolusdave

5.3.2021, 09:41:51

Laut Rengier ist der tatsächliche Wohnzweck, also die reale Widmung zum Wohnen entscheidend. Deshalb verstehe ich nicht, wieso dies bei der Almhütte abgelehnt wird. Eine Entwidmung ergibt sich nicht aus dem Sachverhalt.

Speetzchen

Speetzchen

5.3.2021, 11:59:00

Nach der Respr. des BGH muss die Räumlichkeiten zum ZEITPUNKT DER TAT tatsächlich zur Wohnung dienen. Hier würde die Hütte nur im Sommer benutzt, B setzt die Hütte aber in einer Winternacht in Brand.

DO

don.dlaw

8.1.2024, 10:46:12

Nach Fischer (§ 360a Rn. 4) soll es bedeutungslos sein, dass Bewohner monatelang abwesend sind , sodass die Strafbarkeit auch gegeben wäre, wenn man nur saisonal die Almhütte nutzt. Wörtlich: "Eine vorübergehende, selbst monatelange Abwesenheit der Bewohner nimmt aber einem Wohnhaus nicht die Eigenschaft, daß es auch weiterhin zum Wohnen dient, solange nicht die Bewohner die Wohnung aufgegeben haben"(BGH 26, 121; NStZ 1985, 409).

DO

don.dlaw

8.1.2024, 10:53:23

Entscheidend ist hier wohl nicht, ob die Almhütte letztlich zum Zeitpunkt der Tat zur Wohnung von Menschen diente, sondern, dass jedenfalls durch das Verlangen, die Hütte abzubrennen, eine sogar nach außen getretene Aufhebung der Zweckbestimmung durch den tatsächlichen Bewohner stattgefunden hat.

LEA

Lea

16.8.2023, 10:19:16

Gehen nicht einige Stimmen davon aus, dass man in

Brandstiftungsdelikte

nicht einwilligen kann, da diese generell auch die Allgemeinheit gefährden und darin kein Einzelner einwilligen kann? Oder wird dann nach den einzelnen Delikten und dem Einzelfall nochmal differenziert geschaut, wie sehr auch andere möglicherweise noch gefährdet sind, wenn man dem folgen würde?

LELEE

Leo Lee

18.8.2023, 11:31:52

Hallo Lea, es ist richtig, dass man in bestimmten Fällen in

Brandstiftungsdelikte

nicht einwilligen kann, aufgrund der Gefährdung der Allgemeinheit. Beachte jedoch, hier zw. dem § 306 I StGB und dem § 306a I StGB zu unterscheiden. § 306 I StGB (Gegenstand des Falls) ist nämlich eine spezielle Variante der Sachbeschädigung, worin der Eigentümer der Sache - aufgrund Dispositionsfreiheit - einwilligen kann. Hingegen kann beim § 306a I StGB auch der Eigentümer nicht einwilligen, da § 306a I StGB die Allgemeinheit vor Brandgefahren schützen soll (beachte jedoch, dass hier auf TB-Ebene eine tel. Reduktion möglich ist, wenn z.B. die Wohnung entwidmet bzw. wegen Überschaubarkeit des Gebäudes eine Gefährdung absolut ausgeschlossen werden kann). Hierzu kann ich dir die Lektüre von Fischer StGB, 69. Auflage, § 306 Rn. 1 und § 306a Rn. 1 ff. empfehlen. Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

LEA

Lea

21.8.2023, 10:05:28

Super, vielen Dank für die schnelle Antwort :)

Skywalker

Skywalker

29.12.2023, 15:58:48

Ich finde, dass hier aus dem Sachverhalt nicht eindeutig genug hervorgeht, dass B Absicht bzgl. der Beschaffung von Versicherungsleistungen hat. Vielleicht ist die Formulierung etwas unglücklich gewählt.

LELEE

Leo Lee

30.12.2023, 17:43:50

Hallo Skywalker, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat könnte man den letzten Satz etwas anders verstehen. Deshalb haben wir diesen geändert, damit keine Missverständnisse mehr passieren :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!

D34

D34

19.2.2024, 17:23:28

Nur weil man eine Almhütte als Hütte bezeichnet, heißt das nicht, dass es eine Hütte i.S.v. § 306 StGB ist. Eine Almhütte dürfte regelmäßig ein Gebäude darstellen.


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