+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Anton (A) steht vor Gericht. Der Richter teilt ihm mit, die Strafaussetzung einer früheren Verurteilung könne aufgrund des Ablaufs des Bewährungszeitraumes auch bei erneuter Verurteilung nicht mehr widerrufen werden. A legt deshalb ein Teil-Geständnis ab und verzichtet nach Verkündung des Urteils auf Rechtsmittel. Als die Staatsanwaltschaft beantragt, die Strafaussetzung zu widerrufen, will A doch Rechtsmittel einlegen.
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Einordnung des Falls
Rechtsmittelverzicht: Unrichtige richterliche Auskunft
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Vollstreckungsgericht kann die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, wenn die verurteilte Person während der Bewährungszeit eine Straftat begeht (§ 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB).
Ja!
Wird der Verurteilte noch innerhalb seines Bewährungszeitraumes erneut straffällig (=„Bewährungsversagen“), so kann das Vollstreckungsgericht die Strafaussetzung widerrufen. Auf die Schwere der Straftat kommt es dabei zunächst nicht an. Allerdings muss die Straftat zeigen, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Gerade wenn der Verurteilung eine deutlich schwerere Straftat zugrunde lag, kann das Gericht bei „Bagatelldelikten“ (zB Beleidigung) von einem Bewährungswiderruf absehen.Vor einem Widerruf ist auch zu prüfen, ob alternativ weitere Auflagen/Weisungen bzw. eine Verlängerung des Bewährungszeitraumes genügen (§ 56f Abs. 2 StGB).
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2. Ein Jahr nach Ablauf des Bewährungszeitraums ist die Strafaussetzung unwiderruflich (§ 56g Abs. 2 S. 1 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Die Vorschrift des § 56g Abs. 2 S. 1 StGB setzt nur dem Widerruf eines Straferlasses nach § 56g Abs. 1 StGB zeitliche Schranken. Bei einem Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 StGB findet die Norm dagegen keine Anwendung. Zwar ist auch der Widerruf der Strafaussetzung nicht zeitlich unbegrenzt möglich; maßgeblich sind jedoch allein die Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere der Umstand, ob ein Verurteilter darauf vertrauen durfte, daß die Strafaussetzung nicht mehr widerrufen werden würde.Da As zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe trotz Ablauf des Bewährungszeitraums noch nicht erlassen war, könnte diese also durchaus noch widerrufen werden.
3. Da das Gericht A fehlerhaft über die Unwiderruflichkeit informiert hat, ist seine Verzichtserklärung unwirksam.
Ja, in der Tat!
In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die Verzicht und Rücknahme nicht nur aus den in § 302 StPO genannten Gründen unwirksam sein können, sondern auch, wenn der Erklärende bei seinem Entschluss unzulässig beeinflusst wurde. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn bei dem Erklärenden aufgrund der unrichtigen Auskunft des Gerichts ein Irrtum erregt wurde.A ging davon aus, er sei aufgrund des Zeitablaufs vor einem Widerruf der Strafaussetzung gänzlich sicher und hat vor diesem Hintergrund auf seine Rechtsmittel verzichtet.
4. Trotz des erklärten Rechtsmittelverzichts kann A noch Rechtsmittel einlegen.
Ja!
Eine wirksame Verzichtserklärung führt nach st. Rspr. zum Verlust des Rechtsmittels und damit zur Rechtskraft der Entscheidung. Der wirksame Verzicht steht damit der Zulässigkeit einer erneuten Rechtsmitteleinlegung entgegen.Da der Rechtsmittelverzicht aufgrund der fehlerhaften Auskunft des Gerichts unwirksam ist, steht er einer Rechtsmitteleinlegung nicht entgegen.Sollte zwischenzeitlich die Einlegungsfrist abgelaufen sein, so kann der Verurteilte insoweit einen Wiedereinsetzungsantrag stellen. Mehr dazu in der Einheit „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“.
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