Rechtsmittelverzicht nicht erklärt

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Astrid (A) wird zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Hauptverhandlungsprotokoll wurde protokolliert, sie habe auf Rechtsmittel verzichtet. A und ihre Verteidigerin sind sich sicher, einen solchen Verzicht nicht erklärt zu haben. Richterin und Protokollführer erinnern sich nicht mehr.

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Einordnung des Falls

Rechtsmittelverzicht nicht erklärt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Erklärung eines Rechtsmittelverzichts kann durch Protokollierung im Hauptverhandlungsprotokoll erfolgen.

Ja!

§ 302 StPO trifft keine spezielle Anordnung zur Form der Rechtsmittelrücknahme oder des Rechtsmittelverzichts. Nach allgemeiner Ansicht richtet sich aber die Form zum Schutz vor übereilten Erklärungen nach der Form für die Einlegung des Rechtsmittels, auf das sich die Erklärung bezieht.Rechtsmittel können schriftlich oder zur Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden (§§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO). Zuständig für die Protokollierung der Einlegung von Rechtsmitteln ist dabei grundsätzlich der Rechtspfleger (§ 24 Abs. 1 Nr. 1b RPflG). Der Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung steht es aber nicht entgegen, wenn ein Richter durch die Protokollierung in der Sitzungsniederschrift (§ 271 Abs. 1 StPO) diese Aufgabe selbst übernimmt (§ 8 RPfLG).Gerade an den Amtsgerichten werden Verurteilte im Anschluss an die Verurteilung regelmäßig gefragt, ob sie auf Rechtsmittel verzichten wollen. Im Hinblick auf den Übereilungsschutz eine nicht ganz unproblematische Praxis.
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2. Das Hauptverhandlungsprotokoll ist grundsätzlich im Hinblick auf wesentliche Förmlichkeiten der Hauptverhandlung unwiderleglich (§ 274 StPO).

Genau, so ist das!

Vorbehaltlich des Nachweises der Fälschung kommt dem Hauptverhandlungsprotokoll im Hinblick auf wesentliche Förmlichkeiten der Hauptverhandlung ausschließliche Beweiskraft zu. Das bedeutet, dass sie durch andere Beweise weder ergänzt oder ersetzt noch widerlegt werden kann. Die Beweiskraft gilt sowohl positiv, als auch negativ. Positiv ist die Beweiskraft insoweit, als jede im Protokoll aufgenommene Förmlichkeit als geschehen gilt, auch wenn sie tatsächlich nicht beachtet wurde. Eine negative Beweiskraft kommt dem Protokoll insofern zu, als sämtliche nicht beurkundeten Vorgänge als nicht geschehen gelten, auch wenn sie tatsächlich stattgefunden haben sollten.Die wesentlichen Förmlichkeiten ergeben sich aus § 273 StPO.

3. Im Hauptverhandlungsprotokoll findet sich kein Hinweis darauf, dass A den aufgenommenen Rechtsmittelverzicht genehmigt hat. Unterliegt er insoweit der Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls?

Nein, das trifft nicht zu!

Kommt es auf den Wortlaut einer Erklärung an, so ist diese vollständig aufzunehmen, anschließend zu verlesen und von dem Betroffenen zu genehmigen (§ 273 Abs. 3 S. 1 StPO). Die Verlesung und Genehmigung ist in das Protokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 3 S. 3 StPO). Einer Niederschrift, die nicht verlesen bzw. nicht genehmigt wird, wird die Beweiskraft des § 274 nicht zuteil.Der Rechtsmittelverzicht stellt eine protokollierungsbedürfte Aussage der A dar. Da insoweit der Genehmigungsvermerk fehlt, gilt hinsichtlich des Verzichts nicht die positive Beweiskraft des Protokolls. Vielmehr kann A im Freibeweisverfahren versuchen zu beweisen, dass ein entsprechender Verzicht nie erklärt wurde.In einer entsprechenden Klausur hatte zB die Vertreterin der Staatsanwaltschaft in einem Terminsvermerk festgehalten, dass nur sie auf Rechtsmittel verzichtet hatte.
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