Referendariat: Prozessrecht

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Zulässigkeit der Revision

Vorausgegangene Verständigung, die aber nicht im Hauptverhandlungsprotokoll eingetragen war

Vorausgegangene Verständigung, die aber nicht im Hauptverhandlungsprotokoll eingetragen war

18. Januar 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

In dem Verfahren von Ladendiebin Laura kommt es zu einer Verständigung zwischen dem Gericht und den Beteiligten (§ 257c StPO). Diese wird aber nicht protokolliert. Im unmittelbaren Anschluss an das Urteil erklärt L den Verzicht auf Rechtsmittel. Zuhause angekommen bereut sie die Entscheidung und will doch Revision einlegen.

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Einordnung des Falls

Vorausgegangene Verständigung, die aber nicht im Hauptverhandlungsprotokoll eingetragen war

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist ein Rechtsmittelverzicht wirksam, wenn ihm eine Verständigung vorausging?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 302 Abs. 1 S. 2 StPO ist ein Verzicht ausgeschlossen, wenn ihm eine Verständigung vorausging.Um dem Schutzzweck der Vorschrift Wirkung zu verleihen, gilt das sowohl für Verständigungen nach § 257c StPO, als auch für „informelle“ Verständigungen. Die Norm dient davor, den Angeklagten vor allzu übereilten Entscheidungen zu bewahren.
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2. Muss eine Verständigung nach § 257c StPO in das Hauptverhandlungsprotokoll eingetragen werden?

Ja!

In dem Hauptverhandlungsprotokoll ist zwingend zu vermerken, ob eine Verständigung stattgefunden hat (§ 273 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 1 StPO) bzw. nicht stattgefunden hat (§ 273 Abs. 1 S. 2, Abs. 1a S. 3 StPO).

3. Da die Verständigung nicht im Protokoll nicht eingetragen wurde, gilt aufgrund der negativen Beweiskraft des Protokolls unwiderleglich, dass keine Verständigung stattgefunden hat (§ 274 Abs. 1).

Nein, das ist nicht der Fall!

Vorbehaltlich des Nachweises der Fälschung kommt dem Hauptverhandlungsprotokoll im Hinblick auf wesentliche Förmlichkeiten der Hauptverhandlung ausschließliche Beweiskraft zu. Eine negative Beweiskraft kommt dem Protokoll insofern zu, als sämtliche nicht beurkundeten Vorgänge als nicht geschehen gelten, auch wenn sie tatsächlich stattgefunden haben sollten.Anders als bei sonstigen Förmlichkeiten ist die Verständigung nicht nur ins Protokoll aufzunehmen, wenn sie stattgefunden hat, sondern auch ein Hinweis darauf, dass sie nicht stattgefunden hat. Da hier das Hauptverhandlungsprotokoll gänzlich schweigt, enhält es zwei sich widersprechende negative Aussagen und verliert deshalb insoweit die Beweiskraft.

4. L kann versuchen im Freibeweisverfahren zu beweisen, dass eine Verständigung stattgefunden hat, wodurch ihr Rechtsmittelverzicht unwirksam würde.

Ja, in der Tat!

Verfahrensumstände, die nicht der ausschließlichen Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls unterliegen, können im Wege des Freibeweisverfahren geltend gemacht werden. Das Freibeweisverfahren kennt keine Bindung an gesetzliche Beweismittel, d.h. der Beweis kann auf beliebige Art und Weise geführt werden, sofern dies geeignet ist, das Gericht zu überzeugen.Aufgrund der Widersprüchlichkeit des Protokolls kann L versuchen zu beweisen, dass eine Verständigung stattgefunden hat (zB durch eidesstattliche Versicherung, Zeugnis des Staatsanwaltschaftsvertreters, des Richters..) Im Hinblick auf informelle Verständigungen gilt ebenfalls stets das Freibeweisverfahren.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FABY

Faby

7.1.2025, 13:15:03

In der einen Frage (ich glaube, die zweite) steht zwei Mal „nicht“.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

7.1.2025, 16:28:21

Hallo Faby, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

FABY

Faby

7.1.2025, 13:17:48

In der letzten Lösung steht, dass die Verurteilte im

Freibeweisverfahren

z.B. durch Zeugnis des Richters beweisen kann, dass es eine Verständigung gab. Wie läuft das praktisch ab? Der Richter soll vor sich selbst als Zeuge auftreten und sich selbst Fragen stellen und dann seine eigene Glaubhaftigkeit der Aussage beurteilen? 😅🤔

PK

P K

8.1.2025, 22:57:37

Die Frage stellt sich doch nur im Revisionsverfahren. Dort vernimmt sich der Richter natürlich nicht selbst, schon weil er gar nicht über seine eigenen Urteile in der Revision entscheiden darf (§ 23 StPO). Vielmehr wird er vom Revisionsrichter vernommen oder es wird einfach eine dienstliche Stellungnahme eingeholt.


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