Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Schuld

Unrechtszweifel-Rechtsprechung 6

Unrechtszweifel-Rechtsprechung 6

3. Juni 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist Gewohnheitsverbrecher und begeht nachts regelmäßige Diebstähle und Raubtaten. Eines Tages wird er bei einem Diebstahl erwischt und äußert nur, dass er nichts anderes kennt und auch kein Unrecht darin erkennen kann.

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Einordnung des Falls

Unrechtszweifel-Rechtsprechung 6

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hatte bei Tatbegehung die Einsicht, unrechtmäßig zu handeln.

Nein!

Unrechtseinsicht ist die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Tat, mithin das Einsehen, dass die Tat vom Gesetz verboten wird. Die Rechtsprechung geht in solchen Fällen eines abgestumpften Gewohnheitsverbrechers davon aus, dass diese die Fähigkeit verloren haben, das begangene Unrecht zu erkennen. Dies würde insofern auch auf T zutreffen, sodass er die Einsicht nicht hat. Nach Roxin erkennen auch Gewohnheitsverbrecher in der Regel die Rechtswidrigkeit ihrer Taten, auch wenn sie das Unmoralische darin übersehen. Sonst würden Gewohnheitsverbrecher in der Regel in der Öffentlichkeit handeln und nicht versuchen, nicht erwischt zu werden. Auch T stiehlt dabei hauptsächlich in der Nacht, wohl um einer Strafe zu entgehen.
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2. Konnte T den Irrtum vermeiden?

Genau, so ist das!

Vermeidbar ist ein Verbotsirrtum, wenn der Täter nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hätte erkennen können. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass dem Täter eine Lebensführungsschuld vorgeworfen werden könne, die der Täter hätte vermeiden können. Nach einigen Stimmen in der Literatur darf aber eine Lebensführungsschuld nicht Kriterium sein. Dem Täter könne nicht eine bestimmte Weise der Lebensführung vorgeworfen werden können. Damit würde die Grenze der Konstruktion Übernahmeschuld vollständig aufgehoben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jonas Neubert

Jonas Neubert

14.8.2023, 12:12:00

Es erscheint als schwierig zu begründen, warum man Roxin hier nicht folgt. Was sagt diesbezüglich die Rechtsprechung?

LELEE

Leo Lee

18.8.2023, 11:46:09

Hallo Jura für Alle, die Begründung der Rechtsprechung - genauer gesagt BGHSt 2, 194 Rn. 29 - scheint in der Tat etwas seltsam. Leider gibt es nach dieser Entscheidung keine Entscheidungen mehr (die zumindest öffentlich aufrufbar sind), die etwa auf die Ansicht Roxin eingehen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

ROB

Robinski

28.6.2024, 19:06:04

Ich verstehe nicht ganz

was m

it dem Punkt: Aufhebung der Konstruktion Übernahme

schuld

genau gemeint ist. Ich stehe da etwas auf dem Schlauch ^^'

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

9.5.2025, 15:19:24

Hallo @[Robinski](194197), damit ist folgendes gemeint: Anerkannt sowohl in Rechtsprechung als auch in Literatur ist das Konstrukt der Übernahme

schuld

. Dieses besagt, dass jemand, den bei Ausführung einer Tätigkeit keine

Schuld

trifft, sich damit nicht der Strafbarkeit entziehen kann, wenn er selbst diese Lage

schuld

haft herbeigeführt hat. Ein Beispiel wäre der medizinisch unerfahrene A, der sich unter Vor

täuschung

bestimmter Zeugnisse etc. eine Stelle als Chefarzt erschleicht. Bei einer OP macht er jetzt wegen seiner fehlenden Kenntnisse fahrlässig einen Fehler. Bei der Prüfung der subjektiven

Vorwerfbarkeit

würde man nun hinsichtlich der OP selbst aussteigen müssen, da der A diese aufgrund seiner fehlenden Kenntnisse nicht besser hätte durchführen können. Deswegen knüpft man stattdessen daran an, dass es fahrlässig vom A war, überhaupt die OP durchzuführen, obwohl er hätte erkennen können, dass er dafür nicht hinreichend qualifiziert ist und es infolgedessen zu Fehlern kommen kann. Das nennt man Übernahme

schuld

. Die Literatur meint bezogen auf unseren Fall nun, dass die "Lebensführungs

schuld

" des BGH zu weit geht, weil man diese ja immer heranziehen könnte und es die Übernahme

schuld

, die für ähnliche Zwecke etabliert wurde, aber inhaltlich strengere Voraussetzungen hat, überflüssig machen würde. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

MO

Moritz

29.5.2025, 22:57:51

So wie ich es verstanden habe ist es im Prinzip eine Art "Vorver

schuld

en". Dem Täter wird also vorgeworfen, dass er sich nicht bereits früher (z.B. mit Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit) hinreichend mit den rechtlichen relevanten Regelungen befasst hat. Inwiefern das aber auf einen Gewohnheitsverbrecher zutrifft, erscheint mir auch fraglich.

MO

Moritz

29.5.2025, 23:00:49

Aber letztendlich wäre es hier sowieso überzeugender, bereits das Unrechtsbewusstsein zu bejahen. Denn auch der Gewohnheitsverbrecher weiß natürlich, dass sein Verhalten Widerrechtlich ist, auch wenn er subjektiv andere Wertvorstellungen haben mag.


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