+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auf ihrem Neujahrsspaziergang durch Gröde entdeckt F einen silbernen Ring (Wert:€ 300), der R aus der Tasche gefallen ist. F nimmt den Ring an sich und meldet den Fund am 02.01. bei der zuständigen Gemeindeverwaltung. Am 01.09. fragt R erstmals bei der Behörde nach ihrem Ring.

Diesen Fall lösen 87,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Grundfall: Fund

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch den Fund erwirbt F am 01.01. das Eigentum an dem Ring (§ 973 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 973 Abs. 1 BGB erwirbt (1) der Finder (2) einer verlorenen Sache (§ 965 BGB) (3) sechs Monaten (4) nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde das Eigentum an der Sache., wenn ihm (5) kein Empfangsberechtigter bekannt geworden ist und (6) kein Empfangsberechtigter sein Recht bei der zuständigen Behörde angemeldet hatDurch den bloßen Fund am 01.01. erwirbt F daher noch nicht das Eigentum an dem Ring, da insbesondere die hierfür erforderliche Frist noch nicht abgelaufen ist.Es ist umstritten, ob der Finder bzw. die zuständige Behörde zum Zeitpunkt des Fristablaufs als zusätzliche Voraussetzung auch noch im Besitz der Fundsache sein muss.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Der Ring war eine verlorene Sache (§ 973 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Sache ist verloren, wenn sie zwar besitz- aber nicht herrenlos ist.R war weiterhin Eigentümerin des Rings. Eine Dereliktion nach § 959 BGB kommt schon nicht in Betracht, weil R nicht bewusst war, dass der Ring aus ihrer Tasche gefallen ist. Indem der Ring aus ihrer Tasche gefallen ist, hat R auch die tatsächliche Sachherrschaft darüber verloren (§ 856 Abs. 1 BGB). Bei einer Sache, die während einer Silvesterfeier aus der Tasche fällt, ist auch nicht damit zu rechnen, dass diese bald wiedergefunden werden, weshalb auch keine bloß vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Sachherrschaft (§ 856 Abs. 2 BGB) vorliegt.

3. Ist F Finderin des Rings (§ 973 Abs. 1 BGB)?

Ja!

Finder i.S.v. § 973 Abs. 1 S. 1 BGB ist, wer die verlorene Sache findet, d.h. entdeckt und an sich nimmt (§ 965 Abs. 1 BGB).F hat den Ring bei ihrem Spaziergang entdeckt und an sich genommen. Sie ist Finderin des Rings.

4. F hat den Fund des Rings ordnungsgemäß angezeigt (§ 965 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der Finder einer verlorenen Sache hat grundsätzlich dem Verlierer, dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB) Anzeige zu machen (§ 965 Abs. 1 BGB). Kennt der Finder keine der in Abs. 1 bezeichneten Personen bzw. ist ihm deren Aufenthalt unbekannt, hat er die Anzeige bei der zuständigen Behörde zu machen.F hat den Fund des Rings am 02.01. bei der zuständigen Behörde angezeigt. Wegen des Feiertags am 01.01. war die Anzeige am 02.01. auch unverzüglich.Ist die Sache nicht mehr als € 10 wert, ist eine Anzeige bei der zuständigen Behörde nicht erforderlich (§ 965 Abs. 2 S. 2 BGB).

5. R hat ihren Anspruch innerhalb der 6 Monatsfrist bei der Gemeinde angemeldet.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Finder wird nur Eigentümer, wenn der Verlierer der Sache seinen Anspruch nicht innerhalb von 6 Monaten ab der Anzeige bei der (sachlich, nicht zwingend örtlich) zuständigen Behörde anmeldet.F hat den Fund am 02.01. bei der Behörde angezeigt. Für den Beginn der Frist ist die Anzeige maßgeblich, es liegt also eine Ereignisfrist nach § 187 Abs. 1 BGB vor. Die Frist beginnt damit am 03.01. zu laufen und endet mit Ablauf des 02.07. (§ 188 Abs. 2 BGB). R hat ihren Anspruch erst am 01.09. angemeldet.Auch in Fällen, in denen die Verfristung eindeutig ist, solltest du in der Klausur zeigen, dass du Fristen berechnen kannst.

6. F ist am 03.07. Eigentümerin des Rings geworden.

Ja!

Eigentum nach § 973 Abs. 1 BGB erwirbt man, im Falle eines (1) Funds (§ 965 BGB), (2) mit dem Ablauf von sechs Monaten, (3) nach der Anzeige des Funds bei der zuständigen Behörde, wenn dem Finder (4) kein Empfangsberechtigter bekannt geworden ist und (5) kein Recht bei der Behörde angezeigt wurde, jedenfalls wenn (6) der Finder/die Behörde noch im Besitz der Sache ist (str.).F hat den Ring gefunden und das am 02.01. ordnungsgemäß angezeigt. Bis zum Fristablauf am 02.07. wusste sie nichts von Rs Eigentum. R hatte ihr Eigentum auch bei keinem Fundbüro angemeldet. Die zuständige Behörde war zum Zeitpunkt des Fristablaufs noch im Besitz des Rings.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PET

Petrus

29.3.2023, 08:00:22

Erwirbt F nicht bereits am 02.07 um 24 Uhr (Beginn: 03.01. 0 Uhr und Ende 02.07 24 Uhr) Eigentum und nicht „erst“ am 03.07 0 Uhr? Ich weiß da ist nur eine juristische Sekunde Unterschied, aber es gibt sicher Korrektoren denen sowas aufstößt.

MAR

Marvin

27.4.2023, 09:39:12

Der Wortlaut in § 188 Abs. 2 BGB spricht ja vom „Ablauf“ des letzten Tages. Ich glaube deshalb ist es aber richtig vom 03.07. zu sprechen. Denn bis zum 02.07. um 24 Uhr kann ja noch die Anzeige fristwahrend eingehen. Tut sie dies nicht, ist F ab dem 03.07. um 0 Uhr Eigentümerin.

GO

GO

13.1.2024, 12:17:30

Ja, aber dann wäre es doch umso richtiger zu sagen, dass der F am 2.07 um 24 Uhr das Eigentum erwirbt. Also ich stimme da Petrus zu:)


© Jurafuchs 2024