Zivilrecht

Sachenrecht

Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Abwandlung: Fund in Verkehrsanstalt (§ 978 BGB)

Abwandlung: Fund in Verkehrsanstalt (§ 978 BGB)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auf ihrer Fahrt zur Arbeit in einer S-Bahn der DB-AG findet F auf dem Sitz neben ihrem Platz ein Handy (Wert: € 900), bei dem sie erkennt, dass es ihrer Bekannten B gehört. Dennoch gibt F das Handy beim Fundbüro der DB ab. B holt das Handy kurze Zeit später ab.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Fund in Verkehrsanstalt (§ 978 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hätte B das Handy nicht innerhalb von sechs Monaten abgeholt, hätte F das Eigentum daran erworben (§§ 973, 978 Abs. 1 S. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich ist es möglich, dass der Finder einer Sache das Eigentum daran erwirbt, wenn die Voraussetzungen des § 973 BGB vorliegen. Die Anwendung des § 973 BGB ist aber ausgeschlossen, wenn die Sache in den Beförderungsmitteln einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsanstalt gefunden wird (§ 978 Abs. 1 S. 2 BGB). Eine dem öffentlichen Verkehr dienende Verkehrsanstalt ist jede Einrichtung, mit der gleichzeitig eine Vielzahl an Personen oder Sachen befördert wird.Eine S-Bahn befördert gleichzeitig eine Vielzahl an Personen. Auf einen Fund in der S-Bahn ist § 973 BGB daher nicht anwendbar (§ 978 Abs. 1 S. 2 BGB).
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2. F war verpflichtet, den Fund des Handys direkt bei B anzumelden (§§ 965 Abs.1, 978 Abs. 1 S. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 965 Abs. 1 BGB muss der Finder einer Sache den Fund vorrangig bei dem Empfangsberechtigten anzeigen und darf sich nur subsidiär an die zuständige Fundbehörde wenden. Diese Vorschrift gilt aber gerade nicht, wenn die Sache in einer Verkehrsanstalt gefunden wurde (§ 978 Abs. 1 S. 2 BGB).F hat das Handy in einer Verkehrsanstalt gefunden. Sie ist daher grundsätzlich nur verpflichtet, das Handy bei der Verkehrsanstalt abzugeben und muss den Fund nicht auch noch B anzeigen.F wäre aber berechtigt, das Handy auch direkt bei B abzugeben. Dieses Vorgehen wäre als Geschäftsführung ohne Auftrag gerechtfertigt.

3. Steht F ein Finderlohn i.H.v. € 37 (5%*€500+3%*€400) zu (§§ 971 Abs. 1, 978 Abs. 2 S. 2 BGB)?

Nein!

Grundsätzlich steht dem Finder einer Sache ein Finderlohn zu. Dieser beträgt bis zu einem Wert von € 500, 5% des Werts der Sache und 3% von dem darüber hinausgehenden Wert der Sache (§ 971 Abs. 1 BGB). Der Anspruch halbiert sich, wenn die Sache in einer Verkehrsanstalt gefunden wird (§ 978 Abs. 2 S. 2 BGB). Zudem ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn die Sache weniger als €50 wert ist (§ 978 Abs. 2 S. 1 BGB).Das Handy der B ist € 900 wert. Nach § 971 Abs. 1 BGB stünde der F also ein Finderlohn i.H.v. € 37 (€500*0,05+€400*0,03) zu. Aufgrund der Regelung des § 978 Abs. 2 S. 2 BGB ist dieser Anspruch aber zu halbieren. Deshalb steht F im konkreten Fall nur ein Finderlohn von € 18,50 zu.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Natze

Natze

7.12.2023, 10:07:09

was ist denn der Grund für diese spezielle Regelung?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.12.2023, 10:40:15

Hallo Natze, danke für deine Frage. Der Gesetzgeber hatte die Vorstellung, dass eine öffentliche Behörde oder ein öffentliches Verkehrsmittel geregelter ist, als der allgemeine öffentliche Raum. Sachen und Personen, die sich dort befänden stünden daher sowieso unter besonderem Schutz. Dem lag die Vorstellung zugrunde, dass die zuständige Aufsicht den Raum noch unter Kontrolle hat und der Finder diese "nur einen Schritt voraus ist". Daher sei auch der Aufwand für den Finder das Objekt abzugeben geringer. Deshalb seien bei solchen Funden auch die Finderrechte wegen „der Geringfügigkeit des vom Finder zu leistenden Dienstes“ eingeschränkt. Dies wird in der Literatur durchaus kritisiert. Zum einen inwieweit tatsächlich höhere Gewalt einer Behörde beispielsweise über die Räumlichkeiten besteht, des Weiteren ob diese Regelung im Zivilrecht gut verortet ist und nicht zuletzt die Unbestimmtheit der Begriffe "Behörde" und "Verkehrsanstalt". Nichtsdestotrotz gilt die Norm seit 1978 unverändert. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Natze

Natze

7.12.2023, 10:43:32

Vielen Dank! Jetzt erschließt es sich mir mehr :)

LAWFU

lawfulthings

7.6.2024, 14:26:05

Ich verstehe nicht, wieso der Finderlohn Anwendung findet, weil er doch nach § 978 I 2 BGB ausgeschlossen sein müsste?

TI

Timurso

7.6.2024, 14:47:09

Siehe § 978 II BGB.


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