Abwandlung: Schatzfund (§ 984 BGB)

22. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E hat von V ein Grundstück gepachtet, wobei V dem E erlaubt hat, dort einen Swimmingpool zu errichten. Bei den Aushubarbeiten findet E mittelalterlichen Goldschmuck, der vor 700 Jahren dort vergraben wurde und nimmt ihn an sich. Landesrechtliche Fundregelungen bestehen nicht.

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Einordnung des Falls

Abwandlung: Schatzfund984 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der mittelalterliche Schmuck ist ein Schatz i.S.v. § 984 BGB.

Genau, so ist das!

Ein Schatz ist eine Sache, die so lange verborgen war, dass ihr Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann (§ 984 BGB). Verborgen ist eine Sache, die nicht problemlos sinnlich wahrnehmbar ist. Weiterhin darf der ursprüngliche Eigentümer gerade deswegen nicht mehr ermittelbar sein, weil die Sache so lange verborgen war. Um § 984 BGB direkt anwenden zu können, muss der Schatz außerdem irgendwann einmal im Eigentum einer Person gestanden haben.Der Goldschmuck stand in der Vergangenheit im Eigentum einer Person und war in einem Grundstück vergraben, d.h. verborgen. Es ist nicht zu erwarten, dass der Eigentümer 700 Jahre später noch zu ermitteln sein wird.
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2. Hat E den Schmuck entdeckt?

Ja, in der Tat!

Entdecken im Sinne des § 984 BGB bedeutet, die sinnliche Wahrnehmung des Schatzes. Insoweit deckt sich das Tatbestandsmerkmal mit dem „Finden“ nach § 965 BGB. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass der Entdecker die Sache selbst durch eine eigene Handlung freilegt.Hier hat der E infolge von Aushubarbeiten den Goldschmuck wahrgenommen und damit entdeckt.

3. Für den Eigentumserwerb nach § 984 BGB ist es erforderlich, dass E den Schmuck ausgräbt und in seine Tasche steckt.

Nein!

Grundsätzlich ist es für den Schatzfund erforderlich, dass der Finder infolge der Entdeckung Besitz an der Sache begründet. Hierzu muss der Entdecker die Sache aber nicht zwingend vollständig ausgraben. Denn es soll kein Anreiz gesetzt werden, dass der Entdecker eine historisch bedeutsame Stätte zerstört.Hier hat E den Schmuck an sich genommen und so in jedem Fall Besitz daran begründet.

4. E ist Alleineigentümer des Goldschmucks geworden (§ 984 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb nach § 984 BGB setzt voraus, dass (1) ein Schatz vorliegt, (2) der entdeckt wird und den der Entdecker (3) in Besitz nimmt. Sind diese Tatbestandsmerkmale erfüllt, erwerben der Entdecker und der Eigentümer der Sache, in der der Gegenstand verborgen war, jeweils zur Hälfte das Eigentum an der Sache.E hat den Schmuck entdeckt und Besitz daran begründet. Der Schmuck ist ein Schatz i.S.v. § 984 BGB. Der Schmuck war im Grundstück des V verborgen. E und V erwerben somit jeweils zur Hälfte Miteigentum daran.Nach Art. 73 EGBGB bleiben abweichende Vorschriften der Länder unberührt. Die Eigentumsverhältnisse am Schatz bzw. einen Anspruch auf Finderlohn werden dabei sehr unterschiedlich geregelt. Überblick bei: Oechsler, in: MüKo-BGB, 9. A. 2023, § 984 RdNr. 12.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

J00P1950

J00P1950

2.4.2023, 15:25:55

Bei der dritten Frage steht, dass man bei Dinosaurierknochen §

984 BGB

analog für den Eigentumserwerb des „Entdeckers“ angewandt hat. Ich halte das für nicht richtig. Ich meine es ist eher so, dass sich bei solchen „Funden“ der Eigentumserwerb nach den landesrechtlichen Ausgrabungs- und Denkmalschutzgesetzen richtet. So wird beispielsweise - anhand des Hessischen Landesrechts verdeutlicht - unmittelbar das Land (= Hessen) Eigentümerin mit der Entdeckung eines Bodendenkmals, das als bewegliche Sache herrenlos oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihre Eigentümerin oder ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist (§ 25 Hessisches Denkmalschutzgesetz), wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben (Nr. 1), bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt werden (Nr. 2) oder bei unerlaubten Nachforschungen entdeckt werden (Nr. 3). Das ist auch nachvollziehbar, damit solche Entdeckungen von überragendem historischen Wert in den Besitz der öffentlichen Hand fallen und nicht in die eines Privaten, der damit u.U. Handel betreibt. Infolgedessen ist auch die vierte Frage („E ist Alleineigentümer des Goldschmucks geworden [§

984 BGB

]?) nicht richtig. Entweder wandelt man den Fall um auf Gegenstände, die in jüngere Zeit vergraben wurden, oder man ergänzt die Lösung um die hier ausgeführten Gedanken zum Eigentumserwerb des Landes am Ende das Falles.

J00P1950

J00P1950

2.4.2023, 15:38:12

Siehe Palandt/Herrler, 82. Aufl. [2023], §

984 BGB

Rn. 2.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.4.2023, 15:48:02

Hallo Joop1950, klasse Hinweis. Bei dem Zusammenspiel von Landes- und Bundesrecht muss man sich allerdings klarmachen, dass im Grundsatz das Bundesrecht vorgeht (Art. 31 GG). Bereits seit dem Mittelalter galten zugunsten des Inhabers der Staatsgewalt bestimmte Hoheitsrechte (sog. "Regalien"), darunter auch das Eigentum an aufgefundenen Schätzen. Daran sollte durch die Einführung des BGB (1.1.1900) nichts geändert werden. Art. 73 EGBGB normiert insoweit, dass bestehende Regelungen zu Regalien unberührt bleiben sollten. Im Hinblick auf Fossilien billigt das BVerwG den Ländern auch eine eigene Regelungskompetenz zu, sodass auch weitergehende Regelungen erlassen werden können (BVerwG, Urteil vom 21-11-

199

6 - 4 C 33/94 = NJW

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7, 1171). Einen Überblick über die verschiedenen Gesetze findest Du bei MüKoBGB/Oechsler, 9. Aufl. 2023, BGB § 984 Rn. 12. Da sich die Landesgesetze im Hinblick auf Eigentumslage und Finderlohn stark unterscheiden, haben wir im Sachverhalt klargestellt, dass hier kein Landesrecht Anwendung findet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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