Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2022
Garantenstellung bei der Aussetzung mit Todesfolge („Weidener Flutkanal-Prozess")
Garantenstellung bei der Aussetzung mit Todesfolge („Weidener Flutkanal-Prozess")
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A, B und O trinken zusammen in einer Bar. Als ihre Bekannte F sie abholt, müssen A und B den stark alkoholisierten O auf dem Weg nach draußen stützen. Während F ihr Auto holt, fällt O zunächst unbemerkt das Kanalufer hinab. A und B gehen zu ihm, helfen ihm aber nicht. Beim Versuch aufzustehen, fällt O ins Wasser, treibt außer Sicht und ertrinkt. Als sie ihn nicht mehr finden, fahren A, B und F nach Hause. Per SMS erkundigen sie sich nach ihm.
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Einordnung des Falls
Garantenstellung bei der Aussetzung mit Todesfolge („Weidener Flutkanal-Prozess")
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A, B und F könnten sich eines Totschlags durch Unterlassen gem. §§ 212 Abs. 1, 13 StGB schuldig gemacht haben.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine Strafbarkeit von A, B und F wegen Totschlags durch Unterlassen scheitert mangels Tötungsvorsatz (§§ 212 Abs. 1, 13 StGB).
Ja!
3. A, B und F könnten sich aber wegen Aussetzung mit Todesfolge strafbar gemacht haben (§ 221 Abs. 1, 3 StGB).
Genau, so ist das!
4. O befand sich in einer hilflosen Lage, als er am Ufer des Flutkanals lag und sich nicht helfen konnte (§ 221 Abs. 1, 3 StGB).
Ja, in der Tat!
5. A, B und F haben O in diese hilflose Lage versetzt (§ 221 Abs. 1, 3 StGB).
Nein!
6. A, B und F haben O aber im Stich gelassen (§ 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB).
Genau, so ist das!
7. Um § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklichen zu können, müssen A, B und F eine Garantenstellung innehaben.
Ja, in der Tat!
8. Haben A und B eine Garantenstellung innegehabt?
Ja!
9. Auch F traf eine Garantenpflicht.
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Die Garantenpflicht von A und B entfiel, als O sich selbstständig unbemerkt von der Gruppe entfernte.
Nein, das trifft nicht zu!
11. A und B haben sich der schweren Aussetzung nach § 221 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StGB strafbar gemacht.
Ja!
12. F bleibt dagegen straflos.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Rick-energie🦦
4.10.2023, 08:31:23
Teilw. sind Sachverhalt und Subsumtion nicht kongruent. Bei der Frage der Garantenstellung wird mit SV Angaben argumentiert, die gar nicht im Text vorhanden sind (zB. dass man in einer Bar war)
Rick-energie🦦
4.10.2023, 08:46:06
Kleiner Nachtrag: Dass es am Gefahrzusammenhang/
Unmittelbarkeitszusammenhang, spätestens am
Vorsatzbeim Verlassen der Bar scheitert ist mir klar - ich präzisire die Frage daher, ob es beim Verlassen der Bar im obj TB des "Versetzens" scheitert.
Nora Mommsen
4.10.2023, 13:39:38
Hallo Rick-energie, danke für deine Anmerkungen und die Frage. Die Sachverhaltsschilderung haben wir überarbeitet. Bezüglich deiner Frage: Beim Versetzen geht es nicht um den Zeitpunkt des Verlassens der Bar, sondern dem "liegeblassen" am Ufer. Da der O aber von alleine ans Ufer gestürzt ist, liegt diesbezüglich kein Versetzen vor. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Tesm
Rick-energie🦦
4.10.2023, 08:34:19
Da die Beteiligten in einer Bar waren und den O von dort aus mitgenommen haben, ist das Versetzen doch eig gar nicht mal fernliegend, wenn durch die Veränderung von O's Standort potenzielle Rettungsmöglichkeiten durch andere Bar-Gäste im Zusammenhang mit seiner alkoholbedingten Hilflosigkeit erschwert/vereitelt werden. Oder woran würde das Versetzen dann scheitern?
Laura172
4.10.2023, 12:17:22
Meiner Meinung nach entsteht die hilflose Lage für O erst durch die Nähe zum Kanal, also erst als er das Kanalufer runterstürzt und noch nicht bereits beim Verlassen der Bar. Seine Begleiter haben ihn ja aber nicht zum Ufer runtergeführt, haben ihn in diese Lage also nicht versetzt, sondern er ist dort runtergefallen. Ich denke, hieran scheitert das Versetzen im obj. TB.
mariaaa01
8.1.2024, 13:24:00
Examenstreffer NRW 12/23
Johannes
2.5.2024, 14:31:53
Müsste hier nicht noch die Norm zitiert werden, aus der sich das Erfordernis der Fahrlässigkeit bezüglich des Todes des O ergibt, nämlich § 18 StGB?
jurafräncs
16.10.2024, 14:08:23
Examenstreffer Bremen August 2024 als ein Teil des Sachverhalts
Linne_Karlotta_
17.10.2024, 17:41:14
Hallo jurafräncs, vielen Dank für Deinen Hinweis! Es ist großartig zu hören, dass einer unserer Fälle tatsächlich im Examen dran kam. Wir haben diese Information notiert und werden sie in unserer App entsprechend kennzeichnen, um die Examensrelevanz für die Community sichtbar zu machen. Deine Rückmeldung hilft uns, die Vorbereitung für alle Nutzer zielgerichteter zu gestalten und die Qualität unserer Inhalte stetig zu verbessern. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald die Kennzeichnung in der App sichtbar ist. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team