Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Ausschluss nach Sinn und Zweck – Danaer Geschenk

Ausschluss nach Sinn und Zweck – Danaer Geschenk

19. Mai 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Die Eltern E möchten ihrem neugeborenen Kind (K) ein vermietetes Mehrparteienhaus schenken. Bei dem Notartermin vertreten sie K sowohl bei Abschluss des Schenkungsvertrags (§§ 516, 518 BGB) als auch bei der Auflassungserklärung (§§ 873, 925 BGB).

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Einordnung des Falls

Ausschluss nach Sinn und Zweck – Danaer Geschenk

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer NRW 2024

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Abschluss des Schenkungsvertrags (§ 516 BGB) ist für K lediglich rechtlich vorteilhaft.

Ja, in der Tat!

Lediglich rechtlich vorteilhaft ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es die Rechtsstellung des Minderjährigen ausschließlich verbessert. Dies wiederum ist der Fall, wenn durch das Rechtsgeschäft ausschließlich persönliche Rechte begründet oder persönliche Pflichten aufgehoben werden. Durch den Schenkungsvertrag entsteht keine rechtliche Verpflichtung für K. Vielmehr erlangt es ausschließlich einen Anspruch auf Übereignung des Hauses.
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2. Die Eltern haben in Bezug auf den Abschluss des Schenkungsvertrags für K Vertretungsmacht.

Ja!

Nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB ist die elterliche Vertretungsmacht bei Insichgeschäften ausgeschlossen. Nach h.M. gilt dies jedoch dann nicht, wenn das Rechtsgeschäft, das die Eltern als Vertreter ihres Kindes mit sich selbst schließen, für das Kind lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB ist. § 181 BGB ist insoweit teleologisch zu reduzieren. Begründet wird dies damit, dass es eines Ausschlusses der elterlichen Vertretungsmacht dann nicht bedarf, wenn die Interessen des Kindes nicht gefährdet sind. Dies gilt auch dann, wenn das Kind nicht beschränkt geschäftsfähig im Sinne des § 107 BGB, sondern geschäftsunfähig ist.

3. Die Stellvertretung bei der Auflassung (§§ 873, 925 BGB) ist zulässig.

Genau, so ist das!

Der Erwerb von Grundstückseigentum oder dessen Belastung erfolgt durch Einigung und Eintragung (§ 873). Die Einigung nennt sich Auflassung und muss bei Anwesenheit beider Teile vor der zuständigen Stelle erklärt werden (§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB). Zuständige Stelle ist jeder deutsche Notar. Der Wortlaut des Gesetzes erfordert dabei allerdings nur die Anwesenheit beider Teile und keine höchstpersönliche Anwesenheit. Damit ist auch grundsätzlich die Stellvertretung im Rahmen der Auflassung möglich.

4. Die Auflassungserklärung ist für K lediglich rechtlich vorteilhaft.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Auflassung ist die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB). Grundsätzlich ist der Eigentumserwerb an einem Grundstück für einen Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn dieses vermietet oder verpachtet ist. Nach §§ 566, 581 Abs. 2 BGB würde der Minderjährige der neue Vermieter oder Verpächter des Grundstücks werden und dies würde für ihn rechtliche Verpflichtungen begründen. Das Grundstück, an dem K Eigentum erwerben soll, ist vermietet. Die Auflassungserklärung ist für K rechtlich nachteilig. Zu einem anderen Ergebnis gelangte die früher vom BGH vertretene Gesamtbetrachtungslehre. Siehe hierzu weiter unten.

5. Die Auflassungserklärung des K durch seine Eltern ist wirksam, da sie der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient.

Nein!

Nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB ist die elterliche Vertretungsmacht bei Insichgeschäften ausgeschlossen. Ein Insichgeschäft ist zwar dann ausnahmsweise möglich, wenn es der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient (§ 181 BGB). Zum Schutz des Minderjährigen ist § 181 BGB jedoch nach h.M. teleologisch zu reduzieren. Die Ausnahme soll nur dann greifen, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Obwohl die Übereignung des Grundstücks der Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Schenkungsvertrag dient, ist die Auflassungserklärung durch die Eltern schwebend unwirksam. Diese Fallkonstellation ist auch unter "Danaergeschenk" oder "Trojanisches Pferd" bekannt und wurde früher durch den BGH nach der sog. Gesamtbetrachtungslehre gelöst. Hiernach wäre die Vertretungsmacht der Eltern bereits beim Verpflichtungsgeschäft ausgeschlossen, da das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft in der Gesamtbetrachtung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Da dieses Vorgehen jedoch gegen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip verstößt, gilt es heute als überholt.

6. Ein Ergänzungspfleger muss bestellt werden, damit die Auflassungserklärung wirksam abgegeben werden kann.

Genau, so ist das!

Wenn die elterliche Vertretungsmacht ausgeschlossen ist, so hat statt der Eltern ein Ergänzungspfleger zu entscheiden (§§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 BGB)
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