Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Stellvertretung

Ausschluss nach Sinn und Zweck – Danaer Geschenk

Ausschluss nach Sinn und Zweck – Danaer Geschenk

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Die Eltern E möchten ihrem neugeborenen Kind (K) ein vermietetes Mehrparteienhaus schenken. Bei dem Notartermin vertreten sie K sowohl bei Abschluss des Schenkungsvertrags (§§ 516, 518 BGB) als auch bei der Auflassungserklärung (§§ 873, 925 BGB).

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Einordnung des Falls

Ausschluss nach Sinn und Zweck – Danaer Geschenk

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Abschluss des Schenkungsvertrags (§ 516 BGB) ist für K lediglich rechtlich vorteilhaft.

Ja, in der Tat!

Lediglich rechtlich vorteilhaft ist ein Rechtsgeschäft dann, wenn es die Rechtsstellung des Minderjährigen ausschließlich verbessert. Dies wiederum ist der Fall, wenn durch das Rechtsgeschäft ausschließlich persönliche Rechte begründet oder persönliche Pflichten aufgehoben werden. Durch den Schenkungsvertrag entsteht keine rechtliche Verpflichtung für K. Vielmehr erlangt es ausschließlich einen Anspruch auf Übereignung des Hauses.
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2. Die Eltern haben in Bezug auf den Abschluss des Schenkungsvertrags für K Vertretungsmacht.

Ja!

Nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB ist die elterliche Vertretungsmacht bei Insichgeschäften ausgeschlossen. Nach h.M. gilt dies jedoch dann nicht, wenn das Rechtsgeschäft, das die Eltern als Vertreter ihres Kindes mit sich selbst schließen, für das Kind lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB ist. § 181 BGB ist insoweit teleologisch zu reduzieren. Begründet wird dies damit, dass es eines Ausschlusses der elterlichen Vertretungsmacht dann nicht bedarf, wenn die Interessen des Kindes nicht gefährdet sind. Dies gilt auch dann, wenn das Kind nicht beschränkt geschäftsfähig im Sinne des § 107 BGB, sondern geschäftsunfähig ist.

3. Die Stellvertretung bei der Auflassung (§§ 873, 925 BGB) ist zulässig.

Genau, so ist das!

Der Erwerb von Grundstückseigentum oder dessen Belastung erfolgt durch Einigung und Eintragung (§ 873). Die Einigung nennt sich Auflassung und muss bei Anwesenheit beider Teile vor der zuständigen Stelle erklärt werden (§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB). Zuständige Stelle ist jeder deutsche Notar. Der Wortlaut des Gesetzes erfordert dabei allerdings nur die Anwesenheit beider Teile und keine höchstpersönliche Anwesenheit. Damit ist auch grundsätzlich die Stellvertretung im Rahmen der Auflassung möglich.

4. Die Auflassungserklärung ist für K lediglich rechtlich vorteilhaft.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Auflassung ist die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB). Grundsätzlich ist der Eigentumserwerb an einem Grundstück für einen Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn dieses vermietet oder verpachtet ist. Nach §§ 566, 581 Abs. 2 BGB würde der Minderjährige der neue Vermieter oder Verpächter des Grundstücks werden und dies würde für ihn rechtliche Verpflichtungen begründen. Das Grundstück, an dem K Eigentum erwerben soll, ist vermietet. Die Auflassungserklärung ist für K rechtlich nachteilig. Zu einem anderen Ergebnis gelangte die früher vom BGH vertretene Gesamtbetrachtungslehre. Siehe hierzu weiter unten.

5. Die Auflassungserklärung des K durch seine Eltern ist wirksam, da sie der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient.

Nein!

Nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB ist die elterliche Vertretungsmacht bei Insichgeschäften ausgeschlossen. Ein Insichgeschäft ist zwar dann ausnahmsweise möglich, wenn es der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient (§ 181 BGB). Zum Schutz des Minderjährigen ist § 181 BGB jedoch nach h.M. teleologisch zu reduzieren. Die Ausnahme soll nur dann greifen, wenn die Erfüllung der Verbindlichkeit für den Minderjährigen lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Obwohl die Übereignung des Grundstücks der Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Schenkungsvertrag dient, ist die Auflassungserklärung durch die Eltern schwebend unwirksam. Diese Fallkonstellation ist auch unter "Danaergeschenk" oder "Trojanisches Pferd" bekannt und wurde früher durch den BGH nach der sog. Gesamtbetrachtungslehre gelöst. Hiernach wäre die Vertretungsmacht der Eltern bereits beim Verpflichtungsgeschäft ausgeschlossen, da das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft in der Gesamtbetrachtung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Da dieses Vorgehen jedoch gegen das Trennungs- und Abstraktionsprinzip verstößt, gilt es heute als überholt.

6. Ein Ergänzungspfleger muss bestellt werden, damit die Auflassungserklärung wirksam abgegeben werden kann.

Genau, so ist das!

Wenn die elterliche Vertretungsmacht ausgeschlossen ist, so hat statt der Eltern ein Ergänzungspfleger zu entscheiden (§§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 BGB)
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EL

Elisa

7.2.2023, 08:08:25

Ich hab nie was von Ergänzungspflegern gehört, was ist das?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

9.2.2023, 12:34:07

Hallo Elisa, unter bestimmten Voraussetzungen kann den gesetzlichen Vertretern eines Kindes die elterliche Sorge für ein Kind entzogen werden. Erfolgt dies komplett, also in jeder Hinsicht spricht man von Bestellung einer Vormundschaft. Dies geschieht z.B. bei Tod der Berechtigten. Da an die Vormundschaftsbestellung aber aus gutem Grund strenge Anforderung gestellt werden, kann auch die elterliche Sorge in nur einem Teilbereich entzogen werden. Beispielweise könnte die elterliche Sorge nur für medizinische Fragen (Personensorge) oder die Vermögenssorge übertragen werden. Dann spricht man von Ergänzungspflegern. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

2.8.2023, 12:10:02

Wie ist es, wenn das Grundstück mit einer Grundschuld belastet ist? Dann ist es ja auch nicht

lediglich rechtlich vorteilhaft

.

LELEE

Leo Lee

2.8.2023, 13:58:08

Hallo rlxxss, das ist in der Tat eine berechtigte Frage, denn praktisch ist es in der Tat so, dass der Minderjährige, sollte er mit dem Grundstück "haften müssen", dieses verlieren kann (entweder bei einer Hypothek oder Grundschuld). Jedoch gilt es zu beachten, dass sowohl bei der Hypothek als auch bei der Grundschuld der Eigentümer (also hier der Minderjährige) nur die Zwangsvollstreckung gem. 1

147 BGB

(bzw. bei Grundschuld 1147, 1192 I BGB) DULDEN muss. Das bedeutet, dass er nicht "selbst" mit seinem Privatvermögen (wie es bei 566 und 581 II der Fall ist), sondern wenn schon nur mit dem Grundstück "haftet". Ergebnis ist, dass der Minderjährige am Ende ohne Grundstück "dasteht" und +-0 hat und mithin weder Vor- noch einen Nachteil davon hat :). Hierzu kann ich dir die folgenden Texte empfehlen: (BGHZ 161, 170 ff.) und (MüKo-BGB/Schmitt, 7. Auflage § 107 Rn. 50)! Liebe Grüße Leo

SI

silasowicz

11.8.2023, 15:44:15

Ich muss gestehen, ich tue mir schwer, den Schenkungsvertrag als

lediglich rechtlich vorteilhaft

zu sehen. Ich verstehe die "Auslegung" des Schenkungsvertrags in Bezug auf Angebot/Annahme folgendermaßen: Wir (E) versprechen Dir (K) ein vermietetes Objekt zu schenken. Ich (K) verspreche Euch mir von euch (E) ein vermietetes Objekt schenken zu lassen. Da steckt doch eigentlich schon die Information drin (vermietetes Objekt), die für die dingliche Einigung der Eigentumsübertragung als lediglich rechtlich nachteilhaft gelten wird. Wo genau liegt hier denn mein Denkfehler?

CAN

cann1311

22.8.2023, 20:00:07

Durch den Schenkungsvertrag tritt der MJ nicht direkt in das Mietverhältnis ein. Erst bei Eigentumsübergang (Auflassung) wird die rechtliche Pflicht begründet

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

2.9.2023, 18:35:09

Erst die

Übereignung

bewirkt den gem. 566 I BGB angeordneten gesetzlichen Eintritt in die Pflichten aus 535 I BGB. Insofern ist die amtliche Überschrift von 566 (Kauf/Schenkungsversprechen bricht nicht Miete) falsch. Es müsste heißen "

Übereignung

bricht nicht Miete".

kaan00

kaan00

29.1.2024, 10:27:13

@[Denislav Tersiski](209599) guter Hinweis!

QUIG

QuiGonTim

21.9.2023, 07:27:04

Ihr habt unter der vorletzten Frage bejaht, dass es sich bei der

Übereignung

lediglich um die

Erfüllung einer Verbindlichkeit

im Sinne des § 181 BGB handle. Ich habe die Norm immer so verstanden, dass sie nur Verbindlichkeiten des Vertretenen (und nicht Verbindlichkeiten gegenüber dem Vertretenen umfasst). Liege ich da falsch?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.9.2023, 12:19:10

Hi QuiGonTim, aufgrund des weiten

Wortlaut

s umfasst die Ausnahme sowohl Verbindlichkeiten des Vertreters gegenüber dem Vertretenen als auch des Vertretenen gegenüber dem Vertreter in Betracht (MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 181 Rn. 99). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

23.10.2023, 20:45:54

Macht es Sinn die

Gesamtbetrachtungslehre

in der Klausur zu problematisieren? Sie wird ja vom BGH nicht mehr vertreten.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

26.10.2023, 10:32:41

Hallo QuiGonTim, eine pauschale Antwort lässt sich nicht geben. Es kommt wie so oft, auf den konkreten Sachverhalt an. Wenn im Sachverhalt durch einen Parteivortrag oder ähnliches die Problematik angelegt ist, kommt man natürlich sowieso nicht drum herum. In anderen Fällen kann man das natürlich ansprechen, es aber in der gebotenen Kürze mit Verweis auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip ablehnen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ISAB

Isabelle.Sophie

6.11.2023, 09:00:24

Ist der Streit zwischen

Gesamtbetrachtungslehre

und teleologischer Reduktion nach der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts von § 1795 auf § 1824 übertragen worden?

MARCE

Marcel22

17.11.2023, 18:27:34

Da K unter 7 Jahre alt ist, kann § 107 BGB doch gar nicht anwendbar sein, vgl. § 106 BGB. Oder habe ich hier etwas übersehen?

MARCE

Marcel22

17.11.2023, 18:31:50

Bzw. wieso ist § 107 trotz Geschäftsunfähigkeit anwendbar?

LELEE

Leo Lee

18.11.2023, 14:26:54

Hallo Marcel M, natürlich hast du Recht, dass auf K die Regeln der WE nicht anwendbar sind, zumal er noch nicht sieben Jahre alt ist. Beachte allerdings, dass § 105 BGB besagt, dass eine WE, die von einem Geschäftsunfähigen abgegeben wird, nichtig ist. Wenn also unser K eine WE abgibt und diese zu einem lediglich rechtlichen Vorteil führt, bringt es immer noch nichts, weil K per se keine WE abgeben konnte. Jedoch geht es hier darum, dass die Eltern eine WE abgeben für den K aufgrund der gesetzlichen Vertretungsmacht (§§ 1629, 1824…). D.h. der Bezugspunkt ist nicht, dass K hier eine WE abgibt, sondern dass die WE der Eltern, die auch eine Auswirkung auf den K haben (er kriegt das Grundstück geschenkt), abgegeben werden kann, da diese letztlich für die K vorteilhaft ist. Wenn man den Gedanken, dass wegen der Geschäftsunfähigkeit die WE-Regeln nicht anwendbar sind, konsequent weiterführen würde, könnten die Eltern irgendwann nicht mehr für das Kind handeln, da sie rechtlich gesehen immer das Kind verpflichten durch die Stellvertretung (und die WE „für das Kind“ abgeben) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

TI

Timurso

23.4.2024, 10:10:38

Wichtig ist in meinen Augen zu betonen, dass wir hier von vornherein nicht im 107 BGB sind, sondern im 181 BGB und daher das Kriterium "rechtlich lediglich vorteilhaft" stammt.

PAUL21

Paul21

18.12.2023, 17:16:32

Es ist nicht ganz zutreffend, dass man den § 181 BGB zum Schutz des Minderjährigen teleologisch reduziert. Würde man das nämlich tun, würden die Eltern unproblematisch mit Vertretungsmacht handeln, da kein § 181 BGB ihnen im Falle des Selbstkontrahierens die Vertretungsmacht einschränkt/ausschließt. Vielmehr reduziert man den § 181 BGB nur insoweit teleologisch, wie der Ausnahmetatbestand greift.

TI

Timurso

23.4.2024, 10:13:48

Ich verstehe nicht ganz, was du meinst. Teleologische Reduktion meint immer, dass die Anwendbarkeit der Norm nur in einem Ausnahmeteilbereich nicht besteht und nicht, dass die Norm nie angewendet wird. Außerdem: Welchen Ausnahmetatbestand meinst du?

PAUL21

Paul21

23.4.2024, 11:37:56

Grundsätzlich können die Eltern der K sie bei rechtsgeschäftlichem Handeln vertreten. Davon trifft § 181 Hs. 1 eine Ausnahme insb. für Fälle, in denen der Vertreter gegenüber sich selbst tätig wird, wie hier. Davon wiederum enthält § 181 Hs. 2 selbst einen eigenen Ausnahmetatbestand ("es sei denn"), wenn das Rechtsgeschäft in

Erfüllung einer Verbindlichkeit

besteht – wie hier bei der Auflassung. Würde man den § 181 – wie (wohl) vorgeschlagen – nun insgesamt teleologisch reduzieren, bliebe es beim Grundsatz der gesetzlichen Vertretungsmacht. Wir hätten dann ja gerade keinen § 181 mehr, der die Vertretung bei einem Insichgeschäft einschränkt. Das würde das zugrunde liegende Problem nicht nur nicht lösen, sondern verstärken. Gemeint ist (wohl), dass man den Ausnahmetatbestand ("es sei denn") des § 181 Hs. 2 – aber auch nur den – reduziert: Die Eltern die K könnten sie grundsätzlich kraft Gesetzes rechtsgeschäftlich vertreten, allerdings griffe die Ausnahme des § 181 Hs. 1 im Falle des Selbstkontrahierens, der die Vertretungsmacht wieder einschränkt. Entscheidend ist jetzt aber, dass aufgrund der teleologischen Reduktion eben nicht der § 181 Hs. 2 einschlägig wäre, der die Vertretung aufgrund der

Erfüllung einer Verbindlichkeit

wieder erlaubt. Im Ergebnis ist es also nicht so, dass man den gesamten § 181 reduziert. Sonst wäre das Selbstkontrahieren erlaubt. Man reduziert nur insoweit, als der § 181 von sich selbst wieder eine Ausnahme macht und aufgrund der Tatsache, dass E in

Erfüllung einer Verbindlichkeit

handelt, das Selbstkontrahieren wieder erlaubt.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

23.4.2024, 00:22:12

Liebe Jurafüchse, die Eltern bedürfen bei der Vertretung über eine Schenkung und

Übereignung

von Wohnungseigentum nach 1643 I, 1850 Nr, 5, 4 die Genehmigung des FamG. Ist die Norm im vorliegenden Fall nicht sogar auch (zumindest nach dem SuZ) anwendbar? Schließlich ist ein Mehrparteienhaus ein Zusammenschluss aus mehreren Wohnugen. Im Ergebnis würde das ja dazu führen, dass neben dem Ergänzungspfleger auch die Zustimmung des FamG erforderlich wäre. ist das abwegig oder doch eine Erwähnung im Gutachten wert?

TI

Timurso

23.4.2024, 10:07:14

Mit Wohnungseigentum in § 1850 Nr. 4 und 5 BGB ist Wohnungseigentum nach dem WEG gemeint. Nur, weil in dem Haus Wohnungen sind, heißt das nicht, dass es sich um Wohnungseigentum handelt. Ohne dahingehende Hinweise im Sachverhalt ist dagegen davon auszugehen, dass das Mehrfamilienhaus insgesamt ein Grundstück darstellt, ohne in Wohnungseigentum aufgeteilt zu sein. Wenn dann sind wir also in Nr. 1 und Nr. 5. Zudem sind wir bei der

Übereignung

gar nicht erst um § 1643 I BGB, da dort die Eltern das Kind nicht vertreten, sondern der Ergänzungspfleger. Da kommen wir nur über §§ 1809 I, 1799 I BGB rein. In der Tat könnte beides im Ergebnis nach § 1850 Nr. 5, Nr. 1 BGB genehmigungspflichtig sein. Fraglich wäre hierbei, ob (auch nach dem Sinn und Zweck) nur die Verpflichtung zur Weggabe des Eigentums erfasst sein soll oder jegliches

Verfügungsgeschäft

im Hinblick auf ein Grundstück. Das weiß ich gerade auch nicht aus dem Kopf.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

23.4.2024, 10:36:59

Hi Timurso, besten Dank für deine Antwort. Das mit dem WEG ergibt Sinn! Eine kleine Verständnisfrage habe ich noch (bin im FamilienR noch nicht sattelfest :D) Warum sind wir bei der

Übereignung

nicht im 1643 I? Schließlich heißt es dort doch „Die Eltern (!) bedürfen der Genehmigung des Familiengerichts“. Hier ist ja gerade nicht die Rede von einem Ergänzungspleger. Grüße 🖖

TI

Timurso

23.4.2024, 10:39:49

Wir sind deshalb nicht im § 1643 I BGB, weil (wie in den Fragen erläutert) die Eltern für die

Übereignung

von der Vertretung des Kindes gem. § 181 BGB ausgeschlossen sind und stattdessen gem. § 1809 BGB ein Ergänzungspfleger das Kind vertreten muss.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

23.4.2024, 10:59:00

Mir ist nur nicht so ganz klar, warum 1824 II quasi Vorrang genießt zum 1643 I, 1850. Bei der einen Vorschrift benötigen die Eltern einen Ergänzungspfleger, bei der anderen die Genehmigung des FamG. Warum das eine spezieller sein soll als das andere, erschließt sich mir nicht.

TI

Timurso

23.4.2024, 11:32:07

Eines ist auch nicht spezieller als das andere. Ergänzungspfleger und gerichtliche Genehmigung stehen nebeneinander. Ich weiß auch nicht, wie du auf 1824 II BGB kommst. Der ist in dieser Konstellation nicht relevant. Um das Verhältnis nochmal zu erklären: Auf der einen Seite muss man schauen, ob die Eltern das Kind vertreten können (also eine Willenserklärung für das Kind abgeben können) oder ob sie nach 181 BGB ausgeschlossen sind. Ist das der Fall, muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Auch dieser kann nach 1824 I, 1824 II, 181 BGB ausgeschlossen sein. Dann muss eben ein anderer Ergänzungspfleger bestellt werden. Auf der anderen Seite muss geprüft werden, ob die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich ist. Das richtet sich im Grunde nach jeweils nach den 1848 bis 1854 BGB. Nur die Verweisung in diese Normen ist eine andere, je nachdem, ob man auf der ersten Seite die Eltern oder ein Ergänzungspfleger steht. Inhaltlich ist die Genehmigung jedoch (weitestgehend) unabhängig davon, wer die Erklärung für das Kind abgibt. Wichtig ist jedoch: Das Gericht kann keine Erklärung für das Kind abgeben, es kann nur die von jemand anderem abgegebene Erklärung genehmigen. Insofern sind die beiden Seiten unabhängig voneinander und können nebeneinander bestehen.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

23.4.2024, 12:07:10

Okay jetzt habe ich es verstanden; danke Dir für deine Zeit!

Dr. Festd

Dr. Festd

22.6.2024, 10:27:53

Wie kommt man bei einem nicht vermieteten Wohnhaus zu dem lediglich rechtlichen Vorteil? Genau genommen erfüllen die Eltern ja bei

Übereignung

des Hauses ihre Verbindlichkeit aus dem Schenkungsvertrag und das Kind verliert nach § 362 BGB seinen Anspruch aus dem Schenkungsvertrag, dadurch ist das

Verfügungsgeschäft

auch bei einem unvermieteten Haus ja nicht mehr

lediglich rechtlich Vorteilhaft

, da der Anspruch aus dem

Verpflichtungsgeschäft

(Schenkungsvertrag) verloren geht?

LELEE

Leo Lee

23.6.2024, 14:55:44

Hallo LukryGirl, vielen Dank für die sehr gute Frage! Du hast i.E. völlig Recht. Das Kind verliert zwar durch die Erfüllung den Anspruch, allerdings dürfen die Eltern GERADE auch bei einem nachteiligen Geschäft einwilligen bzw. das Kind vertreten. Da mit der Erfüllung selbst nur der Anspruch untergeht, ist auch die Konstellation eine andere als bei dem Mietvertrag, mit dem das Grundstück belastet ist (denn hier wird das Kind sogar VERPFLICHTET). Deshalb ist i.E. das

Verfügungsgeschäft

nicht

lediglich rechtlich vorteilhaft

, weshalb die Antworten auch entsprechend hinterlegt sind. Zu einem anderen Ergebnis kam der BGH früher mit seiner

Gesamtbetrachtungslehre

! Falls du was anderes gemeint hast, freuen wir uns über eine kurze Rückmeldung :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

LEO

Leonie

9.7.2024, 10:20:15

Ich habe gerade einen Knoten im Kopf, den ich nicht lösen kann: warum gehen wir bei leiblichen Kindern nicht über § 1824 I Nr. 1 und reduzieren diesen teleologisch? Weil die Norm nur ein Rechtsgeschäft zwischen Kind und einem Verwandten in gerader Linie des Betreuers verhindert soll, also zB wenn zwischen Kind und Oma ein Rechtsgeschäft abgeschlossen wird und die Eltern das Kind vertreten?

LI

Lilyphant

27.7.2024, 09:56:19

Ich würde sagen, dass § 1824 II iVm § 181 die Konstellationen erfasst, in denen der Vertreter für beide Parteien auftritt, § 1824 I Nr. 1 dagegen diejenigen, in denen der Vertreter die eine Partei vertritt und die andere Partei in einer anderen Person repräsentiert wird. Das besondere Verwandtschaftsverhältnis kann in beiden Konstellationen auftreten, aber es sind eben unterschiedlich viele Personen anwesend.

CAUL

caulpoy

29.8.2024, 00:31:18

Wie sieht es bezüglich der Grundsteuern etc. aus? Könnten diese nicht als (un-?)mittelbare Folge der Schenkung die rechtliche Vorteilhaftigkeit des Schenkungsvertrags kreuzen?

LELEE

Leo Lee

1.9.2024, 13:21:30

Hallo caulpoy, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat ist dieser Problemkreis vermutlich einer der schwierigsten im BGB AT. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der BGH zugunsten der Praxistauglichkeit in bestimmten Fällen doch etwas wirtschaftlich die Vorteilhaftigkeit bewertet. Für öffentliche Lasten gilt insoweit, dass selbst wenn sie sich aus der Schenkung ergeben, sie trotzdem nicht berücksichtigt werden, weil sie typischerweise das Vermögen des Minderjährigen (was vornehmlich auch durch 107 BGB geschützt werden soll) kaum bis gar nicht gefährden. Deshalb werden Steuern ebenfalls außen vor gelassen (weil diese eben "Peanuts" sind im Vergleich zu dem Grundstück selbst). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Spickhoff § 107 Rn. 46 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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