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Erbrecht
Gesetzliche Erbfolge
Zugewinngemeinschaft enterbter Ehegatte (Vertiefungsfall 1)
Zugewinngemeinschaft enterbter Ehegatte (Vertiefungsfall 1)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Erblasser E und seine Ehefrau F lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Kurz vor seinem Tod hat E von der Untreue seiner Ehefrau erfahren. Diese hatte ihn Zeit seines Lebens mit seinem Bruder B betrogen. Infolgedessen hat E die beiden in seinem Testament „enterbt“. E hat keine weiteren Verwandten.
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Einordnung des Falls
Zugewinngemeinschaft enterbter Ehegatte (Vertiefungsfall 1)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E kann seine Ehefrau enterben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Ehefrau hat einen Anspruch auf einen Pflichtteil in Höhe von ¼ des Erbes.
Genau, so ist das!
3. Die Ehefrau hat außerdem einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns.
Ja, in der Tat!
4. Auch der Bruder B hat Anspruch auf einen Pflichtteil.
Nein!
5. Da kein anderer Erbe in Betracht kommt, erbt der Fiskus.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blotgrim
23.5.2023, 23:24:45
Wird das enterben der Frau nicht etwas umgangen wenn man ihr den Pflichtteil von 1/4 + Zugewinnausgleich gewährt. Das kann doch je nach Zugewinn den gesetzlichen Erbteil von 1/2 übersteigen, dass heißt ich würde als Erblasser mein Ziel gar nicht erreichen können oder übersehe ich da was ?
Showstehler
11.7.2023, 17:06:46
Fiona
5.10.2023, 14:15:41
Ist Fiskus nicht mehr mit Kirche assoziiert? Fände es sinnvoller Fiskus direkt mit Staat auszutauschen.
Paulah
6.10.2023, 13:59:40
Fiskus ist eindeutig der Staat und nicht die Kirche
FW
24.8.2024, 13:34:02
Hallo, Ich finde das etwas unbillig, dass die Ehefrau trotz ihrer schwerwiegenden Verfehlung - der Affäre mit sogar dem Bruder - trotzdem einen Anspruch auf Zugewinnausgleich haben soll. Zwar liegt hier wegen einer fehlenden wirtschaftlichen Verfehlung während der Ehe nach § 1381 I, II BGB zwar kein Leistungsverweigerungsrecht vor, jedoch lässt der Wortlaut „insbesondere“ ja auch andere Arten von Verfehlungen vor. M.E. könnte man doch auch mit einem erst-recht Schluss die Affäre als grobe Unbilligkeit ansehen, da dies ja nicht nur eine wirtschaftliche Verfehlung, sondern gerade eine der schwerwiegendsten, subjektiven Verfehlungen der Ehe überhaupt - die Untreue - darstellt. Von der Natur der Pflicht überwiegt die ewige Treue ja auch deutliche rein vermögensrechtliche Verpflichtungen. Sofern man jedoch der Ansicht ist, dass § 1381 I,II BGB primär auf vermögensrechtliche Verfehlungen zugeschnitten ist, könnte man dann eventuell ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Treu und Glauben nach § 242 BGB ansehen? Es ist nämlich durchaus widersprüchlich eine Ehe einzugehen, dann eine Affäre mit einem Dritten beginnen und sich letztendlich doch auf einen Ausgleichsanspruch zu berufen.
Sebastian Schmitt
3.11.2024, 17:59:36
Hallo @[FW](139488), § 1381 BGB ist zunächst mal nur auf finanzielle, vermögensbezogene Verfehlungen zugeschnitten (darauf deutet auch der Wortlaut des § 1381 II BGB hin), moralische Aspekte sind also insoweit grds nicht relevant (vgl MüKoBGB/Koch, 9. Aufl 2022, § 1381 Rn 28). Die wohl überwiegende Auffassung lässt jedoch in besonderen Fällen auch persönliche Verfehlungen ausreichen und leitet daraus dann einen (idR teilweisen) Ausschluss des Zugewinnausgleichs her. Dies gilt umso mehr, wenn auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen (zB bei scheinehelichen Kindern, BeckOGK-BGB/Preisner, Stand 1.8.2024, § 1381 Rn 63). Die einschlägigen Beispiele sind aber insgesamt doch eher krasse Fälle, zB jahrelanger Ehebruch mit m
ehreren Ehebruchskindern, Vergewaltigung der Stieftochter etc (zu diesen und weiteren Beispielen aus der Rspr von MüKoBGB/Koch, 9. Aufl 2022, § 1381 Rn 30, Fn 38). Untreue allein reicht als Faktor jedenfalls nicht aus (BeckOGK-BGB/Preisner, Stand 1.8.2024, § 1381 Rn 62) und dürfte selbst dann nicht ausreichen, wenn man berücksichtigt, dass es sich hier um den Bruder B handelt. Die genauen Umstände des Falls spielen natürlich eine erhebliche Rolle. Und natürlich könnte man sich das Ergebnis dann über § 242 BGB "zurecht biegen". Offensichtlich wollte der Gesetzgeber aber den Zugewinnausgleichsanspruch weitgehend unabhängig von persönlichen Verfehlungen zusprechen (und hat zB auch das Schuldprinzip ja gerade abgeschafft!). Wenn aber nach Schrifttum und Rspr nicht einmal die ohnehin schon extensive Auslegung des § 1381 BGB unseren Fall erfassen dürfte, wäre ich mit § 242 BGB sehr zurückhaltend. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team