Zivilrechtliche Nebengebiete

Erbrecht

Gesetzliche Erbfolge

Zugewinngemeinschaft enterbter Ehegatte (Vertiefungsfall 1)

Zugewinngemeinschaft enterbter Ehegatte (Vertiefungsfall 1)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Erblasser E und seine Ehefrau F lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Kurz vor seinem Tod hat E von der Untreue seiner Ehefrau erfahren. Diese hatte ihn Zeit seines Lebens mit seinem Bruder B betrogen. Infolgedessen hat E die beiden in seinem Testament „enterbt“. E hat keine weiteren Verwandten.

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Einordnung des Falls

Zugewinngemeinschaft enterbter Ehegatte (Vertiefungsfall 1)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E kann seine Ehefrau enterben.

Ja!

Aufgrund der Testierfreiheit kann der Erblasser seien gesetzlichen Erben mit Ausnahme des Fiskus durch Testament von der Erbfolge ausschließen. E kann seine Ehefrau daher enterben. Abkömmlinge, der Ehegatte oder Lebenspartner und die Eltern des Erblassers, die durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen sind, haben nach § 2303 BGB jedoch ein Pflichtteilsrecht in Höhe der Hälfte des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils. Dabei handelt es sich nicht um ein Erbrecht, sondern nur um einen Geldanspruch gegen die Erben.
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2. Die Ehefrau hat einen Anspruch auf einen Pflichtteil in Höhe von ¼ des Erbes.

Genau, so ist das!

Nach § 2303 Abs. 2 BGB steht dem enterbten Ehegatten der Pflichtteil zu, das heißt er hat einen Geldanspruch gegen die Erben in Höhe des halben Wertes seines gesetzlichen Erbteils. Nach § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB beträgt der gesetzliche Erbteil des Ehegatten neben den Verwandten der zweiten Ordnung ½. Der Bruder B ist Erbe der zweiten Ordnung, sodass der gesetzliche Erbteil der F ½ beträgt. Aufgrund der „Enterbung“ steht F daher nur noch ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von ¼ der Erbschaft zu.

3. Die Ehefrau hat außerdem einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns.

Ja, in der Tat!

Wenn der überlebende von der Erbfolge ausgeschlossen wurde hat er gemäß § 1371 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns nach der güterrechtlichen Lösung. Ist der danach ermittelte Zugewinn des Verstorbenen höher als der Zugewinn des überlebenden Ehegatten, hat der überlebende Ehegatte eine Ausgleichsforderung in Höhe der Hälfte des Überschusses gegen die Erben nach § 1378 Abs. 1 BGB. Die Ehefrau hat somit auch einen Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns. Der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns besteht neben dem Pflichtteilsanspruch.

4. Auch der Bruder B hat Anspruch auf einen Pflichtteil.

Nein!

Nach § 2303 BGB haben nur bestimmte nahe Angehörige des Erblassers einen Anspruch auf den Pflichtteil, wenn Sie von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Pflichtteilsberechtigt sind danach nur die Abkömmlinge, der Ehegatte und die Eltern des Erblassers, sowie nach § 10 LPartG auch der Lebenspartner.. Der Bruder B hat keinen Anspruch auf einen Pflichtteil.

5. Da kein anderer Erbe in Betracht kommt, erbt der Fiskus.

Genau, so ist das!

Hat der Erblasser durch Testament keinen Erben eingesetzt und ist auch kein gesetzlicher Erbe vorhanden, so ist nach § 1936 BGB der Staat als gesetzliche Erbe berufen. Das gilt auch dann, wenn der Erblasser einen vorhandenen Verwandten, Ehegatten oder Lebenspartner enterbt hat oder wenn dieser die Erbschaft ausschlägt. Da E seinen Bruder B und seine Ehefrau F enterbt hat und keine anderen Verwandten vorhanden sind, erbt der Staat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

23.5.2023, 23:24:45

Wird das enterben der Frau nicht etwas umgangen wenn man ihr den Pflichtteil von 1/4 + Zugewinnausgleich gewährt. Das kann doch je nach Zugewinn den gesetzlichen Erbteil von 1/2 übersteigen, dass heißt ich würde als Erblasser mein Ziel gar nicht erreichen können oder übersehe ich da was ?

SH

Showstehler

11.7.2023, 17:06:46

Die Möglichkeit der Scheidung besteht ja. Gem. § 1

933 BGB

schließt diese das Ehegattenerbrecht aus.

Fiona

Fiona

5.10.2023, 14:15:41

Ist Fiskus nicht mehr mit Kirche assoziiert? Fände es sinnvoller Fiskus direkt mit Staat auszutauschen.

Paulah

Paulah

6.10.2023, 13:59:40

Fiskus ist eindeutig der Staat und nicht die Kirche

FW

FW

24.8.2024, 13:34:02

Hallo, Ich finde das etwas unbillig, dass die Ehefrau trotz ihrer schwerwiegenden Verfehlung - der Affäre mit sogar dem Bruder - trotzdem einen Anspruch auf Zugewinnausgleich haben soll. Zwar liegt hier wegen einer fehlenden wirtschaftlichen Verfehlung während der Ehe nach § 1381 I, II BGB zwar kein Leistungsverweigerungsrecht vor, jedoch lässt der Wortlaut „insbesondere“ ja auch andere Arten von Verfehlungen vor. M.E. könnte man doch auch mit einem erst-recht Schluss die Affäre als grobe Unbilligkeit ansehen, da dies ja nicht nur eine wirtschaftliche Verfehlung, sondern gerade eine der schwerwiegendsten, subjektiven Verfehlungen der Ehe überhaupt - die Untreue - darstellt. Von der Natur der Pflicht überwiegt die ewige Treue ja auch deutliche rein vermögensrechtliche Verpflichtungen. Sofern man jedoch der Ansicht ist, dass § 1381 I,II BGB primär auf vermögensrechtliche Verfehlungen zugeschnitten ist, könnte man dann eventuell ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Treu und Glauben nach § 242 BGB ansehen? Es ist nämlich durchaus widersprüchlich eine Ehe einzugehen, dann eine Affäre mit einem Dritten beginnen und sich letztendlich doch auf einen Ausgleichsanspruch zu berufen.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

3.11.2024, 17:59:36

Hallo @[FW](139488), § 1381 BGB ist zunächst mal nur auf finanzielle, vermögensbezogene Verfehlungen zugeschnitten (darauf deutet auch der Wortlaut des § 1381 II BGB hin), moralische Aspekte sind also insoweit grds nicht relevant (vgl MüKoBGB/Koch, 9. Aufl 2022, § 1381 Rn 28). Die wohl überwiegende Auffassung lässt jedoch in besonderen Fällen auch persönliche Verfehlungen ausreichen und leitet daraus dann einen (idR teilweisen) Ausschluss des Zugewinnausgleichs her. Dies gilt umso mehr, wenn auch finanzielle Aspekte eine Rolle spielen (zB bei scheinehelichen Kindern, BeckOGK-BGB/Preisner, Stand 1.8.2024, § 1381 Rn 63). Die einschlägigen Beispiele sind aber insgesamt doch eher krasse Fälle, zB jahrelanger Ehebruch mit m

ehre

ren Ehebruchskindern, Vergewaltigung der Stieftochter etc (zu diesen und weiteren Beispielen aus der Rspr von MüKoBGB/Koch, 9. Aufl 2022, § 1381 Rn 30, Fn 38). Untreue allein reicht als Faktor jedenfalls nicht aus (BeckOGK-BGB/Preisner, Stand 1.8.2024, § 1381 Rn 62) und dürfte selbst dann nicht ausreichen, wenn man berücksichtigt, dass es sich hier um den Bruder B handelt. Die genauen Umstände des Falls spielen natürlich eine erhebliche Rolle. Und natürlich könnte man sich das Ergebnis dann über § 242 BGB "zurecht biegen". Offensichtlich wollte der Gesetzgeber aber den Zugewinnausgleichsanspruch weitgehend unabhängig von persönlichen Verfehlungen zusprechen (und hat zB auch das Schuldprinzip ja gerade abgeschafft!). Wenn aber nach Schrifttum und Rspr nicht einmal die ohnehin schon extensive Auslegung des § 1381 BGB unseren Fall erfassen dürfte, wäre ich mit § 242 BGB sehr zurückhaltend. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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